Repositionierung extrahierter Zahnwurzeln
Das nun schon bewährte Fortbildungsformat dent update des Deutschen Ärzte-Verlags startete mit der Implantologieveranstaltung in die zweite Runde. Im Fokus: Repositionierung extrahierter Zahnwurzeln, ultrakurze Implantate und die Schalentechnik.
13 Millionen Zähne werden in Deutschland Jahr für Jahr extrahiert und als Abfall entsorgt. Dabei sind extrahierte Zähne biologisch ausgesprochen wertvoll. Wie wertvoll – das zeigte DGI-Vizepräsident Prof. Dr. Frank Schwarz am Wochenende auf der dent update-Fortbildung Implantologie an einem konkreten Fallbeispiel. Unmittelbar nach der Extraktion wurde eine Zahnwurzel zum Aufbau des Kieferknochens verwendet. Der extrahierte Zahn (36) wurde „zugeschnitten“ und das vorbereitete Zahnwurzelteil mit Mini-Schrauben auf dem Kieferknochen befestigt, um ihn zu verbreitern. Das Ergebnis: ein perfektes Implantatlager vier Monate später.
Nachdem Schwarz auf dem DGI-Kongress 2014 in Düsseldorf erste präklinische Studien zur Repositionierung extrahierter Zahnwurzeln vorgestellt hatte, diskutierte er in Frankfurt mit den dent update-Teilnehmern bereits über das klinische Potenzial der Methode. Eventuell, so mutmaßt Schwarz, braucht es bald weder Ersatzmaterialien noch aufwendige Eingriffe zur Knochenentnahme für den Kieferkammaufbau. „Nicht morgen, aber übermorgen“, meint Schwarz. Abrechnen lässt sich die Methode dagegen bereits heute. Schwarz: „Was wir machen, ist letztlich nichts anderes als eine Zahntransplantation.“
In Düsseldorf prüfe man zurzeit, inwieweit sich auch die Wurzeln kompromittierter Zähne („Paro- und Endo-Zähne“) für den Kieferkammaufbau einsetzen ließen. Denkbar, so Schwarz, sei auch, eine Zahnwurzel weiter hinten im Kiefer unter der Schleimhaut einzupflanzen und bei Bedarf wieder herauszunehmen. „Daran muss man dann beim prophylaktischen Extrahieren der Weisheitszähne denken“, warf ein Teilnehmer ein. Zu Recht, denn Zahnärzte sind darauf trainiert, gezogene Zähne wegzuwerfen, wie Schwarz betonte. Und da gelte es umzulernen – „schließlich sind wir Zahnmediziner.“ Die Reinigung der extrahierten Zahnwurzeln ist übrigens unkompliziert: Sterile Kochsalzlösung genügt.
Augmentationen vermeiden mit ultrakurzen Implantaten
Auch das Auftaktreferat sorgte für rege Diskussionen: Prof. Dr. Rolf Ewers, „Erfinder“ der Hufeisen-Osteotomie, einer aufwendigen OP-Methode zur Höhenverlagerung des Oberkiefers, verzichtet seit rund fünf Jahren auf Distraktions-, Inlay- und Onlay-Augmentationsverfahren und setzt auf ultrakurze Implantate; „minimalinvasiv“ lautet seine Devise. An unterschiedlichen Fallbeispielen zeigte er, was sich alles mit den „Kurzen“ erreichen lässt und wie zufrieden die Patienten mit dem Outcome sind.
Das Besondere: „Wir arbeiten mit kurzen Implantaten, die nicht verschraubt werden, sondern eine konische Verbindung haben, die eine Kaltverschweißung erlaubt.“ Dadurch sei die Bakterienbesiedlung um die Verbindungsstelle von Abutment und Implantat geringer. Es komme bei richtiger Belastung sogar zu Knochenanbau.
Ewers hat sich in seiner Wiener Privatpraxis inzwischen „von allen anderen Implantatsystemen befreit“ und verwendet praktisch nur noch die ultrakurzen Alternativen der Firma Bicon. Stehen nur drei Millimeter Knochen im Oberkiefer zur Verfügung, „mache ich einen krestalen minimalen Sinuslift, bei einem Knochenangebot von fünf Millimetern gar keinen“. Die „Kurzen“ benötigen im Unterkiefer eine Einheilzeit von drei und im Oberkiefer von sechs Monaten. Eine Sofortbelastung ist allerdings nicht möglich, das Implantat sei nicht primär stabil. Aber osseointegriert „hält es ewig“. Ewers hat in seiner Privatklinik inzwischen mehr als rund 1000 „Bicons“ gesetzt, wie er berichtete.
Schalentechnik durchaus für Praktiker geeignet
Auf minimalinvasive Methoden schwört auch der amtierende DGI-Präsident Dr. Gerhard Iglhaut. Er verzichtet auf die invasive Entnahme von Knochenblöcken im Vorfeld von Implantationen und setzt auf „seine“ Schalentechnik, die er inzwischen weiterentwickelt hat, so dass sich Unfall- und Periimplantitispatienten mit der Methode erheblich atraumatischer und mit verbesserten Patientenkomfort versorgen lassen. Möglich wird das durch sogenannte Weichgewebsexpander. Wie das funktioniert, demonstrierte er auf der dent update-Fortbildung an unterschiedlichen Fallbeispielen.
Zunächst skizzierte er die Grundlagen der Schalentechnik, die als Korpus genutzt wird, um einen Kieferkamm zu rekonstruieren und dabei den Raum lagestabil aufzubauen. Den Defekt „verschalt“ man mithilfe resorbierbarer Membranen, die sich, im sterilen Wasserbad erwärmt, nach Wunsch formen lassen. Die Fixierung erfolgt durch resorbierbare Pins, die mithilfe eines Ultraschall-Applikators durch die Membran in den Knochen eingebracht, quasi geklebt werden. Für besonders enge Bereiche gibt es jetzt auch Pins ohne Kopf. Unter dieser raum‧erhaltenden Membran wird ein Gemisch aus partikuliertem Knochen (gewonnen in Defektnähe) und bovinem Knochenersatzmaterial eingebracht. Ein Zweiteingriff erübrigt sich aufgrund der resorbierbaren Materialien. Iglhaut empfiehlt die Schalentechnik durchaus auch Praktikern. Allerdings gestalte sich damit die Weichgewebschirurgie nicht einfacher als beim Decken eines Knochenblocks, betonte er. Die Weichgewebschirurgie sei immer der limitierende Faktor.
Antibiotikaprophylaxe in der Implantologie?
Einen weiteren Vortrag gestaltete Prof. Dr. Niklaus P. Lang, Bern. Er präsentierte ein Update zur Antibiotikaprophylaxe und -therapie in der Parodontologie und in der Implantologie. Bei einem Standard-‧Ein‧zel‧implantat hält er eine prophylaktische Antibiotikagabe weder vorher noch nachher für gerechtfertigt, auch nicht unmittelbar vor oder nach dem chirurgischen Eingriff. Sowohl in der PA-Therapie als auch in der Implantologie sei die Gefahr der Bildung von Resistenzen zu groß. Für Eingriffe mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad fehlten derzeit noch eindeutige Aussagen.
Industriepartner präsentierten Portfolio
Als Industriepartner stellten Straumann, Permadental und Bicon auf dieser Fortbildung ihr aktuelles Produktportfolio vor und standen den zahlreichen interessierten Implantologen an den Firmenständen Rede und Antwort. Mit einer Verlosung endete die Veranstaltung am Samstagabend. Den Hauptpreis – ein komplettes Beratungsmodell-Set der Firma Permadental im Wert von 840 Euro – gewann Dr. Danijela Juric-K. aus Baden-Baden.
Schlüsselelement aller dent update-Fortbildungen ist eine stärkere Interak‧tion zwischen Referenten und Audito‧rium. Wie gut das gelingt, zeigte sich erneut in Frankfurt. Jeder Referent stand für individuelle Fragen bereit. Die Möglichkeit nutzten die Teilnehmer während der gesamten Veranstaltung. Sie erhielten zudem hochwertige Hand-outs mit allen Vorträgen. In wenigen Tagen werden alle Vorträge für die Teilnehmer zusätzlich als Video-Casts innerhalb des Dental Online College (DOC) kostenfrei zur Verfügung stehen.
dent update am 10 und 17. Oktober 2015
Am Samstag, dem 10. Oktober, geht dent update weiter mit Zahnerhaltung & Ästhetik mit Prof. Dr. Werner Geurtsen als Chair und den Referenten Prof. Dr. Claus-Peter Ernst, Prof. Dr. Gabriel Krastl und Dr. Christoph Zirkel. Im Fokus stehen der Umgang mit dem endodontischen Schmerz, biologische Implantatalternativen und neue Kompositmaterialien.
dent update Parodontologie findet am 17. Oktober unter der Leitung von Prof. Dr. Anton Sculean statt. Prof. Dr. Nicole Arweiler, Prof. Dr. James Deschner und Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf widmen sich den Themen Biofilmmanagement und Wechselwirkung von systemischen Erkrankungen und Parodontitis.