PRF-Konzept: Einfach und effektiv
Die PRF-Methode (Platelet-Rich Fibrin) ist die einfachste Art, die natürliche Regeneration zur Herstellung biologischer Gewebe zu nutzen, sagt Prof. Dr. mult. Shahram Ghanaati. Damit lasse sich die regenerative Eigenschaft von Biomaterialien, Knochenersatzmaterialien und Membranen mit der Matrix verstärken. Wie das auch in der Zahnarztpraxis funktioniert, erklärt er im Interview.
Die Idee ist simpel: Bei einer Verletzung hilft der menschliche Körper sich selbst, indem er inflammatorische Zellen rekrutiert, die die Wundheilung beschleunigen. Bei der Herstellung natürlicher Gewebe wird dieser Prozess genutzt: Aus dem Eigenblut des Patienten werden durch Zentrifugation eben diese Zellen und Wachstumsfaktoren konzentriert und dann zur Beschleunigung der Heilung eingesetzt. So kann das zu regenerierende Gewebe geheilt, im besten Fall ersetzt werden, ohne Zusatzstoffe wie Antikoagulanzien verwenden zu müssen.
Herr Professor Ghanaati, was genau sind die Vorteile des PRF-Konzepts für den niedergelassenen Zahnarzt?
Ghanaati: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass PRF eine biologische Matrix ist. Es handelt sich weder um ein Biomaterial noch um ein Produkt. Das PRF-Konzept wird eingesetzt, um die Biologisierung des Knochenersatzmaterials oder der Kollagenmembran durchzuführen. Denn das verbessert die Behandlungserfolge nachweislich. Weil PRF darüber hinaus analgetisch wirkt, steigt die Patientenzufriedenheit. Es ist belegt, dass die Patienten zum Beispiel nach Weisheitszahnextraktionen geringere Schmerzen haben, wenn eine solide PRF-Matrix appliziert wird. Das gilt auch für die Rezessionsdeckungen und die Socket Preservation.
Protokoll | Umdrehungen pro Minute (UpM) | Relative Zentrifugalkraft (RCF) | Zeit | Indikation |
---|---|---|---|---|
Solides PRF (A-PRF+) | 1300 | 208 xg | 8 | Socket Preservation, sinusliftaugmentation, Rezessionsdeckung, Wundbrand der Entnahmestelle, Kombination mit KEM |
Flüssiges PRF (i-PRF) | 700 | 60 xg | 3 | PAR-Therapie, Kombination mit kollagenbasierten Biomaterialien, Kombination mit KEM |
Gleichzeitige Herstellung des soliden und flüssigen PRF „sticky bone“ | 1200 | 177 xg | 8 | Komplexe Augmentationen |
Die Basis solcher Konzepte ist die Konzentration peripheren Bluts durch Zentrifugation. Wie unterscheidet es sich von der ersten Generation der Blutkonzentratsysteme – Platelet-Rich Plasma (PRP) und Platelet-Rich in Growth Factor (PRGF)?
Ghanaati: Die Konzepte der ersten Generation setzten in ihrer Herstellung die Zugabe von externen Materialien wie Antikoagulanzien voraus. Außerdem benötigt die Präparation von PRP mehrere Zentrifugationsschritte.
Erhalt der Leukozyten und Thrombozyten
PRF dagegen ist ein hundertprozentig autologes Blutkonzentratsystem, hergestellt aus Eigenblut, ohne die Zugabe von Antikoagulanzien. Das entnommene Blut wird einmal zentrifugiert, wobei je nach etabliertem Zentrifugationsprotokoll eine solide oder eine flüssige PRF-Matrix entsteht. Durch die Zentrifugation wird im Gegensatz zu PRP lediglich die Phase der roten Blutkörperchen eliminiert, wobei die Leukozyten und Thrombozyten in der PRF-Matrix angereichert werden.
Wirkt die PRF-Matrix auch allein oder nur als Zusatzapplikation?
Ghanaati: Das ist defektabhängig. PRF unterstützt grundsätzlich bei präimplantologischen Knochenaugmentationen, in der Parodontalchirurgie und in der Weichgewebsregeneration.
Lassen sich Augmentationen mit autologen Knochenblöcken bzw. autologen Bindegewebs‧transplantaten durch das PRF-Konzept, also PRF-Matrix plus KEM, ersetzen?
Ghanaati: Aufgrund der Daten, die wir in Frankfurt erhoben haben, vermeide ich, wann immer es möglich ist, den autologen Knochenblock und das autologe Bindegewebstransplantat. Im präimplantologischen Behandlungskontext eignet sich das A-PRF+ je nach Defektmorphologie als alleiniges Füllmaterial oder in Kombination mit Biomaterialien zum Einsatz bei der Socket Preservation sowie der lateralen und dreidimensionalen Augmentation. Es laufen derzeit unterschiedliche kontrollierte klinische Studien dazu. Unter anderem wird die Güte einer Kollagenmembran nach Funktionalisierung mit PRF verglichen mit der des autologen Bindegewebs-transplantats bei der Weichgewebsregeneration. Diese Daten werden zeigen, ob eine Über- oder Unterlegenheit vorliegt.
Gibt es schon Ergebnisse bzw. eine Tendenz?
Ghanaati: Die vorläufigen Daten sind vielversprechend, Langzeitdaten stehen noch aus.
Wie viele Patientenfälle sind in die Studien involviert?
Ghanaati: Im Bereich der Zahnmedizin rund 700, im Bereich der Medizin mehr als 1000 Patienten.
Sie entwickeln derzeit in Frankfurt mit Ihrer Arbeitsgruppe ein standardisiertes PRF-Konzept …
Ghanaati: … richtig, denn ein systematisches PRF-Protokoll fehlte bislang. Daher haben wir mit dem Erfinder des PRF, Dr. Joseph Choukroun, Nizza, das Low Speed Centrifugation Concept (LSCC) etabliert, das gerade dem Praktiker die Möglichkeit gibt, anhand von drei definierten Protokollen selbst festzulegen, was er wann benötigt;
- die solide PRF-Matrix (A-PRF+),
- oder die flüssige Matrix (i-PRF).
i-PRF eignet sich vor allem für die Biologisierung von Kollagen-basierten Biomaterialien und Knochenersatzmaterialien z.B. in der Parodontalchirurgie, aber auch zur Schmerzreduktion.
In mehr als 100 Studien untersuchen wir nun den Effekt des LSCC und seine mögliche Überlegenheit in der Klinik. Ziel ist es, mithilfe von optimierten Protokollen Standards zu schaffen.
Schmerzreduktion und Wundheilung mithilfe der PRF-Matrix
Apropos flüssig verus fest: Wann genau ist was indiziert?
Ghanaati: Die injizierbare PRF-Matrix (i-PRF) eignet sich zum Beispiel zur Schmerzreduktion nach Entfernung der Weisheitszähne oder zur Weichgewebskonditionierung. Der sticky bone (i-PRF koaguliert) dient der Herstellung von Knochenblöcken. Die solide PRF-Matrix fördert die Wundheilung bei der Socket Preservation, bei komplexen Augmentationen, bevor man den Lappen schließt.
Wie genau ist das Prozedere in der Praxis, und worauf muss man achten, vor allem bei der Blutentnahme? Die zählt für Zahnärzte ja eher nicht zum Praxisalltag.
Ghanaati: Die Blutentnahme sollte in erster Linie am Ellenbogen stattfinden. In dieser Region befinden sich die größten und markantesten Venen. Der Arm muss bei der Blutentnahme immer überstreckt sein. Der Behandler sollte sich stets selbst über die Lage der Venen informieren und sich nicht auf die Auskunft des Patienten verlassen. Nach der Entnahme (bis 60 ml) wird das Blut einmal zentrifugiert. Die Blutentnahme muss unbedingt zügig erfolgen. Das ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität des PRF-Koagulats. Denn ohne Antikoagulanz beginnt das Blut nach ein bis zwei Minuten zu gerinnen. Dann wird es schwierig, bei der Zentrifugation die korrekte Abtrennung der Fraktionen zu erreichen. Ab 2019 bieten wir zusammen mit der Firma mectron, die die Zentrifugen vertreibt, regelmäßige Kurse zur Blutentnahme in Frankfurt an, sowohl für Helferinnen als auch die Zahnärzte. Anmeldungsformulare für die PRF-Methode liefert die mectron Deutschland Vertriebs GmbH, Köln.
Indikationen:
- PRF wird durch die Zentrifugation des peripheren Bluts des Patienten hergestellt. Dabei können je nach angewendetem Röhrchentyp und Zentrifugationsprotokoll solide und/oder flüssige PRF-Matrizes hergestellt werden. Es kann entweder allein oder in Kombination mit kollagenbasierten Biomaterialien und Knochenersatzmaterialen verwendet werden.
- Solide PRF-Matrizes können nach ihrer Verarbeitung in PRF-Plugs als autologes Material zur Socket Preservation verwendet werden. Des Weiteren können diese soliden Matrizes in einer gepressten Form als Wundverband nach der Schleimhautentnahme oder bei der Perforation der Schneider’schen Membran beim Sinuslift eingesetzt werden.
- PRF-Matrizes werden allein oder in Kombination mit Biomaterialien zur Rezessionsdeckung appliziert. Ferner können solide PRF-Matrizen zerkleinert und Knochenersatzmaterialien beigemischt werden. Durch diese autologe, bioaktive Komponente und die Freisetzung vieler Wachstumsfaktoren soll die Regeneration unterstützt werden.
Der Experte:
Prof. Dr. mult. Shahram Ghanaati ist Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Frankfurt.