Implantologie

Periimplantitis: Neue Reinigung fürs Implantat

Die richtige Rezeptur scheint gefunden zu sein. In-vitro-Untersuchungen bei fast 70 Explantaten unterschiedlicher Hersteller sprechen für sich. Ein Patientenstudie soll folgen. Wenn alles gut geht, bereits im kommenden Jahr.



Trotz exzellenter Langzeitergebnisse in der Implantologie häufen sich periimplantäre Erkrankungen mit zunehmender Liegezeit. Die reversible Mukositis lässt sich am besten mit prophylaktischen Maßnahmen therapieren. Für die Periimplantitis typisch ist ein kraterförmiger Knochenverlust um vormals osseointegrierte Implantate. Ein wahrscheinlicher Grund für diese Erkrankung ist eine Imbalance zwischen bakterieller Belastung und einer Wirtsantwort, die durch einen Knochenverlust und eine schnelle Kolonisierung der Implantatoberflächen charakterisiert wird [1].

Kofaktoren sind ein Fehlen befestigter Gingiva um das Implantat, Zementreste, Nikotin und Alkoholabusus, Diabetes, eine parodontale Vorerkrankung, schlechte Mundhygiene oder genetische Disposition [2, 3].

Prävalenz

Die Literaturlage zur Prävalenz von Periimplantitis ist inkonsistent. Je nach Autor werden zwischen 28 % und 56 % (bezogen auf den Einzelpatienten) und 12 % bis 43 % (bezogen auf das einzelne Implantat) angegeben. Vermutlich sind für diese Unterschiede divergente Prophylaxeprogramme verantwortlich [4].

Laufende Diskussionen über das optimale Therapieprotokoll zeigen, dass dieses insbesondere zur vollständigen „restitutio ad integrum“ oder wenigstens einer Stabilisierung nicht existent ist. Mit keiner Methode konnte der Biofilm vollständig entfernt werden, keine der Methoden zeigte sich einer anderen signifikant überlegen [5]. Angesichts kraterförmiger Defekte in Kombination mit Unterseiten von Gewindegängen und Mikrostrukturen (aufgeraute Oberflächen) ist eine Reinigung aus Gründen der Zugänglichkeit einfach nicht möglich. Einige Daten zeigen, dass sich zumindest temporär durch Abschleifen der Oberfläche klinische Parameter wie BoP verbessern [6]. Osseoreintegration einer vormals kontaminierten Oberfläche eines Implantats konnte bislang nur im Tiermodell nachgewiesen werden und auch dort gelang dies nur ungenügend (zwischen 0 % und 83 % und durchschnittlich 43 %). In einer Tierstudie mit zweigeteilten gedrehten Versuchsimplantaten konnten Persson et al. zeigen, dass nur bei den fabrikneuen Teilen Osseoreintegration erzielt werden konnte [7].

Therapieansätze

Das Ziel einer Periimplantitistherapie sollte also die „restitutio ad integrum“, mit anderen Worten die komplette Osseoreintegration vormals kontaminierter Oberflächen sein. Ist das aus anatomischen Gründen (vertikaler Knochenabbau) nicht mehr möglich, sollte im Sinne einer resektiven Therapie wenigstens eine Reinigbarkeit und deshalb Stabilisierung der Situation erreicht werden. Letzteres ist aber angesichts der raschen Neubesiedelung der Oberflächen in puncto Langzeiterfolg problematisch.

Der Ansatz aktuell angewandter Therapien ist die Ablation der Biofilme, d. h., es wird versucht, den Biofilm durch externe Agenzien oder mechanische Maßnahmen von der Oberfläche des Biofilms her zu entfernen. Anatomisch und morphologisch bedingt, ist das jedoch nicht möglich. Die spezifisch für die Periimplantitistherapie entwickelten Titanbürsten ermöglichen zwar die Entfernung von harten Verunreinigungen wie zahnsteinähnlichen Kongrementen, eignen sich aber nicht, die Mikrostrukturen tiefgründig und vollständig zu säubern. Ein Größenvergleich zwischen einer Titanborste und der Mikrostruktur illustriert klar die Unmöglichkeit einer vollständigen Oberflächenreinignung (Abb. 1). Bedingt durch die stark variierende Außengeometrie (Gewindeformen) und die unterschiedlichen Oberflächenmodifizierungen (ablativ additiv) ist der nötige Zugang zu den kontaminierten Bereichen für die meisten Reinigungsmethoden (Kürette, Bürste, Laser, Luft-Pulver-Spray etc.) nur in Einzelfällen gegeben. Lediglich beim Spülen mit einer Flüssigkeit besteht die Möglichkeit, die gesamte Makrostruktur (Gewinde) zu erreichen.

Spülflüssigkeit und Schleifen: kein Erfolg

Der Reinigungsvorgang mit einer Spülflüssigkeit ist allerdings lediglich eine von außen stattfindende Verdünnung des Biofilms in Kombination mit einem durch einen aufgebrachten Spüldruck hervorgerufenen Abtransport der Biofilmreste. Abgesehen von den sich ungleichmäßig ausbildenden Strömungen um die Außengeometrie wird diese Methode spätestens bei der Reinigung der Mikrostruktur an ihre Grenzen stoßen. Als Analogbeispiel dient die Reinigung von Kochgeschirr, die trotz moderner Spülmittel nicht ohne eine Temperaturerhöhung des Spülwassers und zusätzliche mechanisch wirkende Hilfsmittel (Schwämme Bürsten) auskommt, obwohl Kochgeschirr im Gegensatz zu Implantaten glatte und gut zugängliche Oberflächen aufweist.

Die Entfernung der Oberflächenkontamination durch ein unkontrolliertes Schleifen (Implantoplastik) oder Sandstrahlen zerstört die ursprüngliche Mikrostruktur. Eine Osseoreintegration wird zudem durch Verunreinigungen der Implantatoberfläche oder der angrenzenden Weichgewebe mit Schleif- oder Strahlpartikeln erschwert oder gänzlich verhindert.

Als wissenschaftliche Hypothese dient die berechtigte Annahme, dass als Basis für eine erfolgreiche Osseoreintegration der ursprüngliche Zustand der Implantatoberfläche wieder herzustellen ist. Ein zusätzliches Abtöten der Mikroorganismen in den abgelösten Biofilmfragmenten ist dabei darüber hinaus anzustreben. Um diese Ziele zu erreichen, muss ein uneingeschränkter Zugang zur Mikro- und Makrostruktur gewährleistet werden. Weiterhin sollten die drei Säulen eines erfolgreichen Reinigungsprozesses (Chemie, Mechanik Temperatur) im Rahmen des biologisch Möglichen genutzt werden. Optimal wäre ein Ansatz, der die konventionelle Entfernung des Biofilms von außen durch einen Prozess ersetzt, bei dem die volle Reinigungsenergie zwischen der Implantatoberfläche und dem Biofilm wirken kann. Dies ist beispielsweise auch bei einigen Laseranwendungen der Fall. Hierbei wird die Wärmeenergie des Lasers direkt auf der metallischen Implantatoberfläche freigesetzt. Leider arbeitet dieses Laserverfahren nur punktuell und auf der durch den Laserstrahl erreichbaren Oberfläche.

Aus obiger Analyse der derzeitigen Reinigungsverfahren leitet sich als optimale Lösung ab, dass einerseits mit einem flüssigen Medium gearbeitet werden muss, um auf makroskopischer Ebene den gesamten Zugang zur Implantatoberfläche verlässlich erzielen zu können, und dass andererseits zusätzlich die chemischen, mechanischen und thermischen Reinigungseffekte dieses flüssigen Mediums direkt auf der Implantatoberfläche wirken sollten.

Für Letzteres sind Ionen in dem flüssigen Medium ideal, die als Akteure für eine vollständige Oberflächenreinigung genutzt werden. Ionen können mithilfe einer am Implantat anliegenden Spannung den Biofilm durchdringen und anschließend auf der Implantatoberfläche eine Reaktion hervorrufen. Eine Arbeitsgruppe aus Zürich [8] konnte nachweisen, dass die abtötende Wirkung eines Stromflusses auf Mikroorganismen in einer konventionellen NaCl-Lösung bei 99 % liegt. Allerdings blieb der Reinigungseffekt mit dieser NaCl-Lösung aus. Um zusätzlich eine optimale Reinigung erzielen zu können, ist aus unserer Sicht die Anwendung einer speziellen Reinigungsflüssigkeit erforderlich. Bei der Auswahl der Ionenarten ist allerdings zu beachten, dass mit der anliegenden Spannung am Implantat eine elektrochemische Reaktion im Patientenmund verursacht wird. Sowohl die verwendeten Ausgangsstoffe als auch die in diesem Reaktionsprozess entstehenden Zwischen- und Endprodukte dürfen auf keinen Fall zell- oder patientenschädigend sein. Lediglich lokal und direkt an der Implantatoberfläche entstehende und an dieser zugleich gebundene Zwischenprodukte könnten kurzfristig und ausschließlich innerhalb des begrenzten Zeitraums des Reinigungsvorgangs akzeptiert werden.

Aufgrund der extrem hohen Anzahl von Rezepturmöglichkeiten eines Reinigungsmediums mit den oben beschrieben Eigenschaften waren entsprechend viele In-vitro-Versuche erforderlich, um die optimale Rezeptur zu finden und zu optimieren.

Im Ergebnis erwies sich ein Elektrolyt aus Iodiden der Alkalimetalle Natrium und Kalium in Kombination mit a-Hydroxycarbonsäuren – vorzugsweise Milch-, Zitronen- oder Äpfelsäure als sehr effizient und vor allem als biokompatibel. Sowohl die Säuren als auch die sich daraus bildenden Salze mit Natrium oder Kalium sind in der EU als Lebensmittelzusatzstoff in Speisen und Getränken quantum satis zugelassen [9].

Für die klinische Anwendung ist ein an die Implantat-Abutment-Verbindung angepasstes und vom Implantat elektrisch isoliertes Behandlungsabutment erforderlich. Der Elektrolyt/die Spülflüssigkeit wird über Spülkanäle des als Anode geschalteten Behandlungsabutments auf die kontaminierte Implantatoberfläche appliziert. An der Anode entsteht dabei ein in der Medizin lang bekanntes Desinfektionsmittel (Iod-Kaliumiodid-Lösung/Iod-Natriumiodid-Lösung), das anschließend über das kathodisch geschaltete Implantat gespült wird. Direkt an der Implantatoberfläche wird durch eine Reduktion elementares Natrium/Kalium abgeschieden, das sofort unter einer lokal begrenzten exothermen Reaktion (thermische Reinigung) mit dem umliegenden Wasser zu reinem Wasserstoff (mechanische Reinigung) und Natrium-/Kaliumhydroxid (chemische Reinigung) reagiert. Dieses Hydroxid reagiert umgehend mit den Säuren zu Lactaten, Malaten und Citraten des Kaliums und Natriums. Das starke Wasserstoff-Sprudeln, ausgehend von der Implantatoberfläche unter dem Biofilm, löst durch die thermische und chemische Prozessunterstützung den Biofilm mechanisch ab und transportiert die Fragmente durch kontinuierliches Spülen ab.

Die Reinigungsresultate sind überzeugend. Das Explantat aus Abbildung 2 ist eines von zwei Brånemark-Implantaten mit einer Ti-Unite-Oberfläche, die nach sieben Jahren in situ und ca. ein Jahr nach der Aufbereitung durch eine Titanbürste entfernt werden mussten. In der In-vitro-Untersuchung für die Entwicklung eines innovativen Reinigungsverfahrens von kontaminierten Implantatoberflächen wurde ein Implantat (Kontrollgruppe) konventionell mit einem Luft-Wasser-Spray gereinigt (Abb. 3). Die Vergrößerung zeigt deutlich, dass eine starke Restkontamination vorhanden ist. Das zweite Explantat (Testgruppe) wurde nach dem neu entwickelten elektrolytischen Reinigungsverfahren aufbereitet. Die vollständig und porentief gereinigte Ti-Unite-Oberfläche ist in Abbildung 4 dargestellt. Identische Ergebnisse traten auch bei TPS-Oberflächen (Titan-Plasma-Sprayed), sandgestrahlten und sandgestrahlten geätzten Oberflächen (Abb. 5) auf.

Noch ungeklärt ist derzeit, inwieweit Kohlenwasserstoffreste auf den Implantatoberflächen als ein nanoskopisch dünner Film verbleiben und eine Osseoreintegration behindern oder sogar verhindern. Kohlenwasserstoffe beeinflussen die Benetzbarkeit einer Oberfläche.

Die gestrahlte geätzte Oberfläche (SLA) von Implantaten der Firma Straumann ist in zwei unterschiedlichen Varianten erhältlich. Zum einen die „Standard“ SLA und zum anderen die SLActive® Variante. Die „Standard“ SLA zeichnet sich dadurch aus, dass Kohlenwasserstoffe z. B. aus der Atmosphäre in sehr geringem Maße die Oberfläche benetzen und somit die ursprünglich hydrophile Oberfläche in eine hydrophobe wandeln. Bedingt durch die Verarbeitung nach dem Ätzprozess und die Lagerung des Implantats in seiner Verpackung bleibt die Kohlenwasserstoffbenetzung bei den Implantaten mit der SLActive-Oberfläche aus. Die Hydrophileigenschaften dieser Implantatoberfläche bleiben dadurch nahezu unverändert. In einem In-vitro-Versuch wurde ein original verpacktes Straumann Implantat mit einer „Standard“-SLA-Oberfläche in Wasser eingetaucht um zu bestätigen, dass diese „Standard“-SLA-Oberfläche hydrophob ist (Abb. 6a). Das Implantat wurde zunächst in die Reinigungsflüssigkeit (NaI, KI Milchsäure) eingetaucht, mit Wasser abgespült und mit Luft getrocknet. Danach trat keine Veränderung der Benetzung mit Wasser auf. Nach einer elektrolytischen Reinigung in der Reinigungsflüssigkeit (NaI, KI Milchsäure) wurde das Implantat erneut mit Wasser abgesprüht und mit Luft getrocknet. Abbildung 6b zeigt, dass durch die elektrolytische Reinigung eine hydrophile Implantatoberfläche erzeugt werden konnte.

Fazit

Aus obigen Versuchsergebnissen kann abgeleitet werden, dass die sehr geringe Kohlenwasserstoffbenetzung auf den gestrahlt und geätzten Implantatoberflächen entfernt werden konnte. Elektrolytisch gereinigte Implantatoberflächen erhalten identische Oberflächeneigenschaften wie frisch vom Implantathersteller produzierte Oberflächen. Zudem zeigen erste Untersuchungen mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) sehr vielversprechende Ergebnisse, die auf eine starke Reduktion der Kohlenwasserstoffkontamination schließen lassen.

Literaturliste:

1. Zitzman NU, Berglundh T. Definition and prevalence of peri-implant diseases. J Clin Periodontol. 2008 Sep;35(8 Suppl):286–91.
2. Heitz-Mayfield LJA. Peri-implant diseases: diagnosis and risk indicators. J Clin, Periodontol 2008; 35 (Suppl. 8): 292–304.
3. Linkevicius T, Puisys A, Vindasiute E, Linkeviciene L, Maslova N, Apse P. Do cement remnants always lead to peri-implant disease? A retrospective case analysis. Clinical Oral Implants Research 2012, in press.
4. Renvert S, Polyzois I, Maguire R. Re-osseointegration on previously contaminated surfaces: a systematic review. Clin Oral Impl Res, 2009, 20 (Suppl. 4); 216–227.
5. Claffey N, Clarke E, Polyzois I, Renvert S: Surgical treatment of peri-implantitis., J Clin Periodontol 2008; 35 (Suppl. 8): 316–332.
6. Schwarz F, John G, Mainusch S, Sahm N, Becker J. Combined surgical therapy of peri-implantitis evaluating two methods of surface debridement and decontamination. A two-year clinical follow up report. J Clin Periodontol. 2012 Aug;39(8):789–97.
7. Person LG, Ericsson I, Berglund T, Lindhe J: Osseointegration following treatment of periimplantitis and replacement of implant components. ICP, 28, S. 258–263, 2001
8. Mohn D, Zehnder M, Stark WJ, Imfeld T. Electrochemical Disinfection of Dental Implants – a Proof of Concept. PLoS One. 2011 Jan 14;6(1):e16157.
9. Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011 zur Änderung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Liste der Lebensmittelzusatzstoffe der Europäischen Union (ABl. L. 295 vom 12.11.2011, S. 10–18)

Die Autoren:

Dipl.-Ing. Holger Zipprich studierte Elektrotechnik und „Elektromechanische Konstruktionen“ in Darmstadt, ist seit 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Poliklinik für Prothetik/Abt. Werkstoffkunde des Zahnärztlichen Universitätsinstituts Carolinum in Frankfurt a. M.

Christoph Ratka studierte Zahnmedizin in Frankfurt und ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik/Abt. Werkstoffkunde des Zahnärztlichen Universitätsinstitus Carolinum in Frankfurt a. M.