Innovation N1

Neues Implantatsystem hilft Fehler zu vermeiden

Mit einem völlig neuen Ansatz hilft ein innovatives Implantatsystem, zukünftig Fehler bei dessen klinischen Anwendung zu vermeiden oder zu reduzieren. Dieser Ansatz basiert vor allem auf einer Entwicklungsstrategie der Fa. Nobel Biocare, die nicht nur einen, sondern sämtliche Aspekte des klinischen Workflows vereinfacht und optimiert. Und damit eignet es sich vor allem für Einsteiger. Dr. Paul Weigl, Frankfurt, war maßgeblich an der Evaluation des neuen klinischen Protokolls beteiligt. Im Interview erklärt er die erzielten Vorteile.


Abb. 1 Ausgeheilter Alveolarkamm nach Zahnverlust regio 24 ©Dr. Pablo Hess (8)


Braucht es bei mehr als 400 Implantatsystemen am Markt tatsächlich noch ein weiteres?

Weigl: Ja, wenn es Vorteile gegenüber den bestehenden Systemen bietet.

Ist das bei N1 der Fall? Welche Vorteile tun sich hier auf?

Weigl: Definitiv. Mit dem Protokoll lassen sich typische Alltagsfehler eliminieren. Zum Beispiel, bei der Präparation der Knochenkavität die Knochenqualität (weich – mittel – hart) falsch einzuschätzen; die Knochenkavität nach der Pilotbohrung mit weiteren Bohrern unbeabsichtigt zu tief oder im Durchmesser zu groß zu bohren – oder gar die geplante Implantatachse zu verlieren; stumpfe Bohrer zu verwenden; den Knochen zu über‧hitzen und somit die Sofortbelastung von Einzelimplantaten zu gefährden; Abutments fehlerhaft aufzuschrauben. Wir, ein Team von Praktikern und Wissenschaftlern, haben die Fehler vorab analysiert – manche sind eigentlich ganz banal.

Stichwort zu große Kavitäten. Was ist der Knackpunkt?

Weigl: Bei einem konventionellen Implantatsystem bestimmt der Behandler anhand der Knochenqualität die Durchmesser der Kavität. Bei sehr weichem Knochen, D3, D4, gestaltetet er die Kavität im Durchmesser etwas kleiner als das Implantat, um es mechanisch ausreichend fest zu verankern. Harter Knochen braucht etwas weitere Durchmesser und damit ein oder zwei Bohrungen mehr. Diese Entscheidung muss der Kliniker treffen.

Wie? Gibt es für die Knochenqualität ein Messgerät?

Weigl: Nein, das muss der Behandler quasi „fühlen“. Und genau da setzt das N1-Protokoll an: Das Tool, der sogenannte Osseoshaper, schneidet bei weichen Knochen nicht, sondern drückt ihn wie einen Schwamm zusammen. Es wird somit kein Knochen entfernt.

Der Osseoshaper erkennt die Knochenqualität automatisch?

Weigl: Ja, und das ist das Besondere: Harten Knochen schneidet der Osseoshaper, weichen nicht, obwohl es sich um das gleiche, sehr langsam rotierende Werkzeug handelt. Die Entscheidung übernimmt also der Osseoshaper.

Was ist der Osseodirector und wann kommt er zum Einsatz?

Weigl: Der Osseodirector ist nichts anderes als ein spezieller Pilotdrill. Mit diesem legt man die Richtung der Implantatachse und die Tiefe der Knochenkavität fest. Nach der N1-Philosophie legt man also nur im ersten Arbeitsschritt die Länge und die Richtung fest. In dem folgenden Arbeitsschritt mit den Osseoshaper kann beides nicht mehr verändert werden, also auch keine Fehler mehr diesbezüglich auftreten – vor allem zur Sicherheit für den Patienten. Denn diese Fehler können schnell passieren, wenn man mit mehreren Bohrern arbeitet.

Ist das für Einsteiger geeignet?

Weigl: Wenn es keine Augmentationen braucht, definitiv. Die oben genannte Verschlankung des Osteotomieprotokolls sowie die Reduzierung des Implantat-Equipments verringern die Fehlerquellen enorm. Mit N1 wurde nicht nur ein Implantat entwickelt, sondern ein ganz neues System. Erfolgreiche Tools wie Konusverbindung und Platformswitching wurden optimiert. Im posterioren Bereich ist zum Beispiel das Aufschrauben eines Implantatabutments nicht so einfach, oft sitzt es verdreht zum Index. N1 bietet mit dem ovalen Konus eine ganz einfache Lösung. Im Gegensatz zum runden kann sich das Abutment nicht mehr drehen, es ist quasi gesperrt in der Rotation und gleitet zudem beim Einsetzen von selbst in die korrekte Position im Konus.


Prof. Dr. Jill Helms, Stanford, hat auf dem Nobel Biocare-Kongress in Madrid von sehr vielen Tierstudien berichtet. Gibt es auch Patientenstudien zum N1-Protokoll?

Weigl: Zurzeit gibt es 18-Monats-Beobachtungen am Patienten. Mehrere Kliniker haben ihre ersten Erfahrungen mit diesem Protokoll bereits dokumentiert, wie z. B. Dr. Pablo Hess in seiner Praxis (siehe Bildergalerie). Ich selbst begleite zusammen mit Prof. J. Helms und Dipl.-Ing. Holger Zipprich und vielen weiteren Experten die Evaluation dieses Protokolls von der wissenschaftlichen Seite. Nobel Biocare hat ausgewählte Praktiker und Wissenschaftler um ein Feedback für ihr komplett neu gedachtes Implantatsystem und für das traumaminimierte Protokoll gebeten. Im Fokus sollte die Fehlervermeidung stehen.

Alles was die Entwickler- und Input-Crew je bei einem Implantatsystem vermisst hat, ist demnach in die Entwicklung eingeflossen?

Weigl: Ja, wie sich N1 aber klinisch bewährt, wird sich zeigen. Wir sind jedoch von dem Ansatz der Fehlerminimierung und der minimalinvasiven Knochenaufbereitung überzeugt.

Kommen wir zur von Prof. Jill Helms viel zitierten „zone of death“, wie hilft N1 da weiter?

Weigl: Die Implantologie funktioniert natürlich auch ohne N1, und die zone of death gab es schon immer, man hat sie so nur nicht genannt. Wichtig aber ist: Bei der Insertion von Implantaten zerstört man logischerweise Knochen, der Knochen stirbt ab. Der zerstörte Knochen wird vom Körper abgebaut und verflüssigt sich dabei zunächst einmal, und wird schließlich durch neu gebildeten Knochen ersetzt.

Sind aus diesem Grund primärstabile Implantate nach zwei bis drei Wochen zunächst wieder etwas lockerer?

Weigl: Ganz genau. Denn der Knochen, der sich umbaut, verliert zunächst an Festigkeit und zieht dann wieder an. Nach etwa drei Monaten ist die zone of death wieder revitalisiert mit neuem Knochen. Bei nicht sofortbelasteten Implantaten und verblockten, sofortbelasteten Restaurationen spielt die zone of death klinisch keine bedeutende Rolle. Bei sofortbelasteten Einzelzahnimplantaten ist das jedoch ein ganz kritischer Punkt. Wird zu viel Knochen zerstört, ist die Sekundärstabilität nicht ausreichend und das Implantat kann nicht osseointegrieren, geht also verloren.

Wie kann das N1-Protokoll die Sekundärstabilität und Osseointegration fördern?

Weigl: Man arbeitet weder mit Wasser noch nutzt man Highspeed, sondern bohrt sehr, sehr langsam. Tierversuche haben gezeigt, dass mit diesem Protokoll im Vergleich zu dem herkömmlichen Insertionsprotokoll weniger Knochen zerstört wird.

… und eine Sofortbelastung problemlos möglich ist?

Weigl: Problemlos sicher nicht, aber auf jeden Fall mit reduziertem Risiko. Wir haben uns die Frage gestellt, warum manche Patienten bei der Sofortbelastung ihr Einzelimplantat verlieren und andere nicht. Ein weiterer banaler Grund liegt auf der Hand: Niemand hat bislang exakt nachgehalten, wie häufig der Bohrer in weichem und wie häufig in hartem Knochen eingesetzt wurde.

Ist das so erfolgsentscheidend?

Weigl: Definitiv: Nach zehn Einsätzen im harten Knochen ist ein Bohrer stumpf und erhitzt sich. Und wenn der Knochen heißer wird, stirbt er in einer höheren Schichtstärke ab. Ein sofortbelastetes Einzelimplantat würde der Patient trotz ausreichender Primärstabilität höchstwahrscheinlich verlieren. Und aus diesem Grund ist das N1-Konzept darauf ausgerichtet, dass der letzte Bohrer, also der Osseoshaper, stets neu ist.

Der Osseoshaper ist also ein Einmalprodukt?

Weigl: Richtig, und das Co-packing – Bohrer plus Implantat – macht die Sofortbelastung sicherer.

Was sind denn nun die Hauptindikationen?

Weigl: Man kann das N1 in allen Indikationen einsetzen, aber seine Stärke spielt es klar bei der Sofortimplantation und -belastung von Einzelzahnimplantaten aus. Bei circa 80 Prozent aller Implantateinsertionen in den USA handelt es sich um Einzelzahnimplantate.

Lässt sich das N1-Osteotomieprotokoll auch auf andere Systeme übertragen?

Weigl: Momentan nicht, es ist ganz auf das N1-System abgestimmt. Der Ansatz wird aber sicherlich verfolgt. Denn Patienten, die schon einmal Implantate erhalten haben, sind ganz angetan: Nur ein Bohrer arbeitet noch mit Wasser, der zweite Bohrer dreht sich langsam rein, nichts vibriert, keine lauten Geräusche, keine Würgereize. Und mit der Implantatinsertion wird das Ganze mit der gleichen Umdrehungsgeschwindigkeit wiederholt – nur dass man das Implantat nicht mehr wie den Osseoshaper rausdreht. So mancher Patient ist erstaunt, dass die Implantation schon vorbei ist.


Der Experte

Dr. Paul Weigl ist Leiter der Abteilung für Postgraduale Ausbildung an der Universitätszahnklinik Frankfurt a. M., die den Masterstudiengang „MSc of Oral Implantology“ durchführt.