Verbindungsvarianten

Konisch versus flach-zu-flach

Obwohl konische Verbindungen in der Handhabung und prothetischen Versorgung als komplizierter gelten als Flach-zu-flach-Verbindungen, sind sie en vogue. Was können sie besser? Im Gespräch mit PD Dr. Dr. Maximilian Moergel



Beide Verbindungsvarianten werden mit Platform Switching angeboten. Bei welcher Verbindung funktioniert der Platform-Switch effektiver?

Moergel: Das ist sicherlich eine interessante Frage, die allerdings noch nicht mit guter wissenschaftlicher Evidenz beantwortet ist. Bei beiden Verbindungsarten gibt es jedoch gute Hinweise darauf, dass Platform Switching als grundsätzliches biologisches Prinzip mit Knochenerhalt am crestalen Implantatrand bzw. der Verbindungsstelle Implantat zu Abutment unabhängig vom Verbindungstyp funktioniert.
Vor dem Hintergrund eines multifaktoriellen Geschehens wie Periimplantitis ist jedoch insbesondere die Frage der vertikalen Positionierung des Implantat-Abutment-Übergangs in Bezug auf den crestalen Knochen von Bedeutung. Es zeigt sich, dass vor allem bei crestal beziehungsweise leicht subcrestal positionierten Implantaten der Platform Switch biologisch funktionell relevant wird.

Bei epicrestaler Position der Trennstelle nicht?

Moergel: Im klinischen Alltag zeigt sich, dass bei epicrestaler Position kein oder kaum ein Effekt erwartet werden kann. Da zurzeit keine wissenschaftliche Evidenz für das eine oder das andere Konzept der Ankopplung spricht, liegt somit die Indikationsstellung in der Hand des Implantologen, der in Einklang mit dem Prothetiker eine für den jeweiligen Patienten individuelle Lösung erarbeiten kann.
Mit anderen Worten: Jeder sollte das System wählen, mit dem er am besten klar- kommt?
Moergel: Aus meiner Sicht darf neben der Systemfrage insbesondere die Interaktion zwischen Prothetiker und Implantologe nicht zu kurz kommen, denn die Erfahrungswerte beider Disziplinen fließen in das Gesamtergebnis ein und nur so lassen sich sicherlich die besten Ergebnisse erzielen.

Stichwort Mikrospaltproblematik – für Aufsehen in diesem Zusammenhang hat die „Zipprich-Studie“ vor einigen Jahren gesorgt. Wird zurzeit darüber noch diskutiert oder ist das Thema „vom Tisch“?

Moergel: Vom Innenaufbau her erlaubt die konische Ankopplung geringere Innenvolumina und damit theoretisch ein geringeres Volumen für ein kontaminiertes Milieu im Implantatinneren. Außerdem ergibt sich technisch eine höhere Stabilität für konische Verbindungen. Dipl.-Ing. Holger Zipprich konnte in dynamischer Röntgenuntersuchung dazu zeigen, dass die konische Innenankopplung eine geringere Bewegung und Mikrospaltbildung unter einer allerdings experimentellen Belastung aufweist. Dadurch wird zusätzlich die innere Kontamination minimiert. Aber wir wissen heute, dass auch konische Implantate nicht hundertprozentig dicht sind. Weitere Arbeitsgruppen haben eine interne Kontamination mit Bakterien und deren Endotoxinen auch bei konischen Verbindungen nachgewiesen.

Womit der Mythos von der dichten Konusverbindung sich erledigt haben dürfte …

Moergel: Korrekt. Aber trotz dieser wissenschaftlichen Argumente sind beide Systeme klinisch erfolgreich etabliert. Das unterstreicht deutlich, dass die Frage der Periimplantitis ein multifaktorielles Geschehen ist, das sich nicht allein auf die Frage des Implantat-Abutment-Übergangs reduzieren lässt.

Wenn man Mikrospalten bei konischen Verbindungen eliminierte, käme es zu einem Kaltverschweißen der Verbindung. Wäre das eine Option aus Ihrer Sicht? Was spricht dagegen?

Moergel: Nein, definitiv nicht. Moderne Implantatsysteme ermöglichen eine sichere und vorhersagbare Versorgung über viele Jahre. Die Osseointegration bleibt durchaus Jahrzehnte lang stabil. Die hohen Kaukräfte können dennoch ihren Tribut über die Zeit fordern und der Verschleiß prothetischer Komponenten kann einen Wechsel von Aufbauteilen notwendig machen. Und das kann nur durch zweiteilige Komponenten ohne Kaltverschweißung sichergestellt werden.

Ein häufiger Abutmentwechsel könnte aber zu mehr Knochenabbau führen, heißt es.

Moergel: Ob das so ist, wird zurzeit in der Literatur heiß diskutiert. Dazu gab es sogar schon randomisierte Studien, Stichwort „One abutment, one time“. Ebenfalls kontrovers diskutiert wird, ob einteilige Zirkonimplantate bei Patienten mit ausgesprochen hohem Periimplantitisrisiko eine Behandlungsalternative zur Minimierung von lokalen Reizfaktoren durch die Abutmentankopplung bieten.

Und, sind sie das aus Ihrer Sicht?

Moergel: Bei individueller Indikationsstellung durchaus. Allerdings bergen sie Nachteile wie geringere Flexibilität und fehlende Entlastung während der Einheilphase. Absolut sichere Planungs- und Umsetzungsphasen bei gut ausgebildetem Weichgewebs- und Knochenangebot sind bei diesen Systemen deshalb ein absolutes Muss. Denn einteilige Implantate lassen sich nur bedingt in der Achse durch Einschleifen korrigieren.

Also nichts für den Praxisalltag?

Moergel: Nein, mit Sicherheit nichts für die alltägliche Regelversorgung.

Zurück zur „Verbindungsfrage“: Sind selbsthemmende konische Verbindungen in der prothetischen Handhabung schwieriger? Praktiker beklagen jedenfalls, dass kleinste Abweichungen bei der Positionierung des Konus zu Übertragungsproblemen führen und das Entkoppeln des Abutments kaum möglich ist.

Moergel: Die Art der konischen Innenankopplung und der Konuswinkel hat in der Tat große Auswirkungen auf die Kräfte, die notwendig sind, um die Aufbauten zu entfernen. Bei nichtindexierten Systemen können selbst minimale Abweichungen zu einer Passungenauigkeit in der Fertigungskette führen, die klinisch bedeutsame Höhenveränderungen in der prothetischen Arbeit nach sich zieht. Die hohen Abzugskräfte machen in einigen Systemen sogar den Einsatz spezieller Instrumente notwendig, um das Einsetzen und Entfernen überhaupt erst zu ermög‧lichen. Da hat die klassische Tube-in-Tube-Verbindung, ja selbst der klassische Außenhex, im klinischen Handling sicherlich Vorteile. Ich gebe natürlich zu, dass für mich als Chirurg die biologischen Vorteile der konischen Verbindung in Bezug auf das Knochenniveau wichtig sind.

In welchen Fällen entscheiden Sie sich für eine Sofortversorgung und -belastung und welche Verbindungsvariante favorisieren Sie dann?

Moergel: Eine Sofortversorgung – ohne oder mit sehr reduzierter kaufunktioneller Belastung – ist bei ausreichender Implantatstabilität immer sinnvoll. So lassen sich die periimplantären Weichgewebe kondititionieren und ein herausnehmbares Provisorium vermeiden. Eine Sofortbelastung erscheint allerdings nur gerechtfertigt, wenn durch Verblockung mehrerer Implantate eine Überbelastung in der Einheilphase ausgeschlossen wird, wie es schon Ledermann Ende der 70er Jahre empfohlen hat.

Und wie es jetzt im All-on-Four-Konzept klinisch regelhaft angewandt wird?

Moergel: Richtig, allerdings sind bei verblockten Konstruktionen alle Innenstrukturen schwierig, so dass meist auf Abutment-Niveau erneut abgeformt wird. Weiterhin werden Sofortversorgungen an unserer Klinik im Frontzahngebiet z. B. nach Sofortimplantation sowie im zahnlosen Kiefer durchgeführt. Dabei spielt die Primärstabilität eine zentrale Rolle.

Und die Art der Implantat-Abutment-Verbindung?

Moergel: Die spielt bei Sofortversorgungen eine untergeordnete Rolle. Welche Variante wir wählen, hängt für uns Chirurgen letztlich auch mit den Vorlieben des versorgenden Zahnarztes zusammen, der oft langfristige Erfahrungen mit einem bestimmten Implantattyp hat. Grundsätzlich scheinen sich konische Ankopplungen aber im ästhetisch kritischen Bereich klar etabliert zu haben.

Seit geraumer Zeit plädieren viele Zahnärzte mit Blick auf die zementinduzierte Periimplantitis fürs Verschrauben statt fürs Zementieren. Ist Zementieren damit mehr „out“ denn je? Wie gehen Sie in Ihrer Klinik vor?

Moergel: Verschrauben versus Zementieren ist ein komplexes Thema, das viele Teilbereiche dentaler Implantate tangiert. Dass überschüssige Zementreste zu einer Periimplantitis mit Knochenabbau führen können, ist gut dokumentiert. Zudem zeigen sich einige Zementtypen als kritischer bzw. sicherer als andere. An unserer Klinik kommt in der Regel der klassische Zinkoxid-Eugenol-Zement wie zum Beispiel Temp Bond zum Einsatz, der sich im Alltag im Vergleich zu den methacrylatbasierten Zementen besser entfernen lässt und nach aktueller Studienlage auch weniger häufig zu Periimplantitis führt. Aber auch zementierte Systeme haben ihren Langzeitstabilität bewiesen und bieten Vorteile bei nicht exakter Implantatposition und im Bereich der Ästhetik. Der ohne Frage biologische Vorteil der Verschraubung ist mit anderen und vor allem mechanischen Risiken verbunden, also der Schraubenlockerung und Schraubenfraktur. Und: Nicht immer können die Schraubenzu‧gänge ästhetisch einwandfrei positioniert werden. Daher ist die Frage zementiert vs. Schraube auch eine Frage der Implantatposition und Positionierung.

Was bevorzugen Sie in Ihrer Klinik?

Moergel: Wenn es ohne ästhetische Kompromisse möglich ist, ziehen wir tendenziell die Verschraubung der prothetischen Konstruktion vor.

„In“ sind zurzeit auch ultrakurze Implantate. Aufwendige Augmentationen erübrigen sich damit. Wann setzen Sie auf die „Shorties“?

Moergel: Im Oberkiefer können im Seitenzahnbereich ultrakurze Implantate zu einer Pfeilervermehrung führen und helfen, einen Sinuslift zu vermeiden. Gerade bei Patienten mit allergischer Prädisposition und rezidivierenden Sinusitiden oder hoher Multimorbidität – Stichwort: Gerinnungshemmer – lässt sich damit eine implantatgetragene prothetische Rehabilitation mit deutlich reduziertem operativem Aufwand erreichen. Zunehmend werden Erfolge auch für die Versorgung einer atrophen posterioren Mandibula berichtet, da die vertikale Augmentation im Unterkiefer trotz aller Fortschritte immer noch ein anspruchsvolles und aufwendiges Vorgehen darstellt. Es müssen aber bei diesen Atrophieformen die mobilen Weichteile des Mundbodens und der Wange in den Therapieüberlegungen mit berücksichtigt werden. Ebenso erfordert auch die Versorgung von Tumorpatienten nach Kontinuitätsresektion und autologen Knochentransplantaten zum Beispiel der Fibula beim Unterkieferersatz den Einsatz kürzerer Implantattypen. Ultrakurze Implantate haben übrigens auch zur sicheren Fixierung von Epithesen bei Gesichtsversehrten extraoral einen Stellenwert.

Sie nehmen an einer Multicenterstudie teil, in der die Knochenniveauveränderungen um CONELOG-Implantate untersucht werden. Gibt es erste Zwischenergebnisse?

Moergel: Zuletzt haben wir die Dreijahresdaten der prospektiven Multicenterstudie auf der EAO in Stockholm präsentiert. Teilgenommen haben zwei Kliniken aus Deutschland (Mainz) und Portugal (Coimbra). Patienten mit einer Freiendsituation im Unterkiefer distal des Eckzahns und fester Gegenbezahnung wurden ohne Augmenta‧tionsverfahren nach Ausheilung der Extrak‧tionsalveolen mit Camlog Conelog Implantaten versorgt. Untersucht wurde anschließend mittels standardisierter Röntgenuntersuchungen die Veränderung des crestalen Knochens im Verlauf der Belastungsperiode am Übergang von Implantat zu Abutment. Neben einem guten Implantatüberleben von 98 Prozent und einer hohen Behandler- und Patientenzufriedenheit zeigt sich der Knochenerhalt am Implantat-Abutment-Übergang über die dreijährige Beobachtungsperiode stabil und dokumentiert dadurch einen positiven Einfluss durch das Platform Switching. (ab)

PD Dr. Dr. Maximilian Moergel © Privat

PD Dr. Dr. Maximilian Moergel
ist Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen an der Universitätsmedizin Mainz.
Maximilian.Moergel@unimedizin-mainz.de