Implantologie

Implantatoberflächen: neuer Quantensprung?

Die Implantatoberflächen sind heute so gut, dass selbst im kritischen Knochenlager eine nahezu perfekte Einheilung erreicht wird. Doch der weichgewebliche Abschluss lässt sich verbessern. Und das Thema rückt die Wissenschaft derzeit in den Fokus. Was sich dort momentan tut, ist hoch spannend und betrifft auch die Abutments. Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bilal Al-Nawas, Mainz, skizziert die Implantatoberflächen von morgen. 


Prof. Bilal Al-Nawas, Leitender Oberarzt an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen, Universitätsmedizin der Universität Mainz Foto: privat


Herr Prof. Al-Nawas, was lässt sich an den heutigen Implantatoberflächen überhaupt noch optimieren? Was genau tut sich da?

Al-Nawas: Es gibt unterschiedliche Forschungsansätze. Ein Weg ist es, durch einen fein aufgerauten Implantathals (gelasert) eine Struktur zu schaffen, an der das Weichgewebe gut „andocken“ kann. Dazu gibt es erste vielversprechende Daten aus vergleichenden Studien, entsprechende Implantate werden bereits angeboten. Auch Abutments lassen sich mit einer besonderen Rauigkeit oder einer besonderen Struktur versehen. Dazu laufen präklinische Studien, klinische Daten stehen noch aus.

Was ist aktuell besonders spannend?

Al-Nawas: Antiinfektionsoberflächen – Ziel solcher Forschungsprojekte ist es, innovative nanostrukturierte Implantatoberflächen zu entwickeln, die eine verminderte Bakterienadhäsion aufweisen. Man könnte sich mittelfristig sogar Abutments vorstellen, die per Nanocarrier Medikamente oder aktive Substanzen tragen, die sich im Entzündungsfall − zum Beispiel aktiv mit einer UV-Lampe oder passiv über die Veränderung des pH-Werts − freisetzen lassen.

Zurück zur heutigen Praxis: Für welche Oberfläche entscheiden Sie sich bei periimplantitisgefährdeten Patienten? Sind raue Oberflächen hier kontraindiziert?

Al-Nawas: Nein, kontraindiziert sind sie nicht. Man sieht allerdings in den langfristigen retrospektiven Arbeiten bei Patienten mit hohem Periimplantitisrisiko, dass ein ganz diskreter Vorteil für die alten glatten maschinierten Brånemark-Implantate besteht. Es gibt dazu aber keine prospektiven Daten. Wir müssen uns in der Tat intensiv der Frage widmen, welche Oberfläche sich optimal für Patienten mit hohem Periimplantitisrisiko eignet. Interessant ist das auch für die Periimplantitistherapie.

Inwiefern?

Al-Nawas: Ist bei Periimplantitispatienten bereits Knochen abgebaut, therapieren wir chirurgisch offen. Liegt raue Implantatoberfläche zur Mundhöhle hin frei, haben wir diese bis vor zirka zwei Jahren mit einem Diamantbohrer glattgeschliffen. Das Verfahren ist schwierig und unangenehm, da viele Titanspäne in das OP-Feld gelangen.

Das Schleifen schafft quasi nachträglich eine maschinierte Schulter?

Al-Nawas: Ja, und das bringt natürlich Probleme mit sich. Schließlich verändert man radikal etwas an dem Implantat. Schleift man zu viel, ändern sich Festigkeit und Stabilität. Wir haben diesen Weg nahezu ganz verlassen. Statt mit dem Diamantbohrer zu schleifen, glätten wir mit Titanbürstchen. Damit können wir die Oberflächenrauigkeit mindern. Das funktioniert recht gut.

Setzt sich dieses weniger invasive Vorgehen in der Praxis durch?

Al-Nawas: Das ist zurzeit eine offene Diskussion. Wir setzen seit zirka zwei Jahren die Titanbürstchen ein.

Könnten Implantate mit maschinierter Schulter eine Alternative sein, vor allem für Risikopatienten?

Al-Nawas: Soft-Tissue-Level-Implantate, deren Ankopplungen weiter zur Mundhöhle liegen und die eine maschinierte Schulter haben, sind extrem gut zu reinigen und zeigen ein stabiles Knochenniveau. Das Konzept kommt für uns durchaus infrage. Insbesondere im Unterkieferseitenzahngebiet ist die maschinierte Schulter eine ganz elegante Variante. Inwieweit Patienten mit hohem Periimplantitisrisiko davon profitieren, ist nicht belegt. Aber auch in puncto Biomechanik ergeben sich Vorteile: Bei kurzen Implantaten verringert sich so die Kraft auf die Krone, also die technische Kronenlänge.