Implantate: Einteilig versus zweiteilig (Teil 3)
Die Implantologie wird einen strukturellen und verfahrenstechnischen Wandel erfahren. Grund sind neue Aspekte des Gewebemanagements, die Optionen der Stammzelltherapie, des Tissue Engineerings und neuer biologischer Oberflächendotierungen.
Einteilige und zweiteilige Implantate weisen trotz aller „ideologischen“ Gegensätze viele Gemeinsamkeiten auf. Diese sind z. B. das Implantatmaterial, die Formgebung und Oberflächenprofilierung des intraossären Bereichs, die langfristige Belastungsproblematik und die Notwendigkeit einer periimplantären Nachsorge. Sie unterscheiden sich aber auch ganz wesentlich durch:
- das konstruktive Charakteristikum eines Interface mit weitreichenden biologischen Konsequenzen und
- das chirurgische und prothetische Prozedere.
Analysiert man vor diesem Hintergrund die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der oralen Implantologie, wird ein klar definiertes, zeitliches „Follow-up“ in dieser noch immer jungen Sparte der Zahnmedizin deutlich. Denn es traten nach Klärung der grundlegenden Fragen der Osseointegration von Titan durch Per-Ingvar Brånemark zunächst die Aspekte der Verfahrenstechnik in den Vordergrund. Im Anschluss daran wurde nach einer Optimierung der Osseointegration via Implantatoberfläche gesucht, um unter anderem die Einheilzeit zu verkürzen.
Die Untersuchungsergebnisse von Dr. Dietmar Weng (Starnberg) und Dipl.-Ing. Holger Zipprich (Frankfurt a. M.) haben aber auch noch einen anderen Stein ins Rollen gebracht: Denn die Verbundproblematik von mechanischen Komponenten wird nicht nur durch die Größe der einwirkenden Kraft und den Winkel der Krafteinleitung bestimmt, sondern maßgeblich auch durch die Verbund-Philosophie der Komponenten. So zeigen generell alle parallelwandigen Konstruktionen eine größere mechanische Instabilität als ein konusförmiger Verbund. Unter biologischen Gesichtspunkten bedeutet eine Instabilität aber auch die Ausbildung von Spalt‧räumen und damit die Gefahr einer Besiedlung mit pathogenen Erregern.
Vor diesem Hintergrund wird sich die Implantologie mit einer suffizienten Beseitigung der Spalträume befassen müssen, um das Prinzip der Zweiteilung aufrechterhalten zu können. Gleichzeitig sollte auch die Verfahrenstechnik im Hinblick auf eine prospektive und/oder Backward-Strategie verbessert werden. In diesem Zusammenhang wird sich dann auch die Zahl der Behandlungsschritte minimieren lassen.
Es stellt sich dabei die Frage, ob die Vorteile von einteiligen Implantaten im Hinblick auf die Gewebereaktionen durch eine modifizierte Verfahrenstechnik stärker in den Vordergrund gebracht werden können. Eine Analyse macht hier deutlich, dass damit dem koronalen Retentionskopf die entscheidende Bedeutung zukommt. Er muss hochbelastbar sein und bei geringer Bauhöhe einen ausreichend hohen Verbund mit den Aufbauelementen gewährleisten können. Da sich die Verbundproblematik bei diesem Implantattyp nicht im Bereich des Knochen-Bindegewebe-Interface abspielt, sind gewisse verfahrenstechnische Vorteile nicht zu übersehen. Vor allen Dingen lässt sich die Behebung der Spaltproblematik etwas einfacher gestalten.
Problemstellung
Nicht nur die Fortentwicklung des Implantatkörpers, sondern vor allem die Erfolge auf dem Gebiet des Gewebemanagements bestimmen die Weiterentwicklung der Implantologie. Die Ansätze können dabei ganz unterschiedlich sein. Durchsetzen werden sich unserer Ansicht nach aber prospektive minimalinvasive Verfahren. Denn sie führen patientenschonend und minimalinvasiv zu vorhersagbaren Ergebnissen. Der Erhalt der vorhandenen alveolären Strukturen wird dabei immer im Vordergrund stehen, augmentative Maßnahmen werden erst im zweiten Schritt erwogen. Wenn notwendig, kommen neue Augmentationsmaterialien zum Einsatz, die eine primärstabile Implantatinsertion früher als heute erlauben werden. Der minimalinvasive Aspekt wird generell auch bei den invasiven Strategien mehr und mehr Bedeutung erhalten, da dadurch Gewebestrukturen in ihrer Form und Funktion erhalten werden können. Dies vor allem auch mit dem Ziel, die postoperativen Struktur- und Volumenveränderungen so weit wie nur möglich minimieren zu können. Inwieweit und wann in diesem Zusammenhang neue Philosophien wie z. B. der Einsatz von Stammzellen zum Tragen kommen, ist derzeit noch nicht ganz abzusehen, aber mit Sicherheit in näherer Zukunft denkbar. Andere Zukunftsvisionen wie die Dotierung der Implantatoberfläche mit parodontalem Gewebe mögen viele Probleme lösen können, dürften aber dennoch in relativ weiter Ferne sein.
Klinische Konsequenzen
Die klinischen Konsequenzen, die sich aus diesen neuen Verfahrenstechniken ergeben, sind sehr vielfältig und werden mit Sicherheit enorme Auswirkungen auf die Implantologie haben. So wird das Streben nach größerer Perfektion, kürzeren Behandlungszeiten und einfacheren, eleganten Strategien die Indikation der unterschiedlichen Implantattypen neu ordnen und definieren.
Biologische Verfahrenstechniken wie das TMC-Konzept, die MIX und die Socket Shield Technik präsentieren sich als sogenannte „Flapless-Strategien“ und bedürfen keiner Augmentation. Diese biologisch orientierten zahnmedizinischen Strategien sind durch einen elementaren, funktionellen Zusammenhang charakterisiert. Es ist die Erhaltung der strukturellen Information im System von supraalveolärem Faserapparat, parodontalem Ligament und bukkaler Lamelle bzw. Faserbündelknochen.
Da es auf diese Weise möglich wird, die natürliche Struktur und das alveoläre Volumen fast vollständig und langzeitstabil zu erhalten, zeigen implantatprothetische Rekonstruktionen ein ganz natürliches Erscheinungsbild.
Diese Strategien sind aber auch mit der Tatsache verknüpft, dass bei natürlicher biologischer Breite keine Weichgewebeabdeckung der Alveole vorliegt. Somit muss das Implantat nach Insertion unmittelbar versorgt werden.
Unter klinischen Gesichtspunkten wird deutlich, dass einteilige Implantate in diesen Fällen große Vorteile aufweisen, da das empfindliche Interface von alveolärem Knochen und Bindegewebe bis zur vollständigen Heilung nur einmal tangiert wird. Damit kommen alle bekannten Vorteile dieses Implantattyps, einschließlich der sofortigen Wiederherstellung der körper‧lichen Unversehrtheit der Patienten zum Tragen.
Backward-Planning
Selbstverständlich können in solchen Fällen auch zweiteilige Implantate zur Anwendung kommen. Vor allem dann, wenn im Sinne einer Backward-Planung das zweiteilige Implantat über einen Konusverbund irreversibel mit einem individuell gefertigten prothetischen Basis-/Aufbauteil versorgt wird. Damit unterscheidet sich diese Versorgungsmethodik prinzipiell nicht wesentlich von einer Sofortversorgung auf einem einteiligen Implantat. Denn eine Individualisierung ist auch bei einem einteiligen Implantat jederzeit möglich. Dabei kommt das prothetische Interface aber in der epithelialen Weichgewebemanschette und nicht im Bereich von Knochen und Bindegewebe zu liegen.
Die klinische Konsequenz kann somit in Verbindung mit einem veränderten Weichgewebemanagement in einer Indikationsausweitung von einteiligen Implantaten liegen.
Kommen augmentative Maßnahmen zum Einsatz, so wird hier immer mehr den Aspekten Minimalinvasivität, Ergebnisvorhersage, optimierte Implantatbettvorbereitung sowie Einfachheit, Eleganz und Effizienz Rechnung getragen werden. Bei Augmentationen kleineren Umfangs können auch einteilige Implantate zur Anwendung kommen. Größere Augmentationen werden jedoch die Domäne von zweiteiligen Implantaten bleiben. Die Gründe hierfür sind Sicherheitsaspekte und die Möglichkeit, komplexe prothetische Rekonstruktionen etwas leichter variieren zu können. Außerdem können die zu erwartenden postoperativen Veränderungen besser korrigiert werden.
Da bei zweiteiligen Implantaten das Interface eine tragende Rolle im Hinblick auf den Langzeiterfolg spielt, ist die Beherrschung der Spaltproblematik immer von elementarer Bedeutung. Erfolgreiche Ansätze konnten dazu von Weng und Zipprich sowie auch von Prof. Dr. Dr. Claus Udo Fritzemeier (Düsseldorf) aufgezeigt werden. In Verbindung mit den CAD/CAM-Technologien kann auf der Basis korrigierbarer Backward-Konzepte ein sehr individueller Zahnersatz hergestellt werden. Damit wird es auch möglich, strukturelle und volumenmäßige Veränderungen der oralen Gewebe und eine damit verbundene reduzierte Langzeitprognose besser managen zu können. Der Preis dafür ist ein signifikant höherer Aufwand, als er bei der Verwendung von einteiligen Implantaten in ihrem Indikationsgebiet notwendig ist.
Ausblick
Analysiert man die Indikationsbreite von ein- und zweiteiligen Implantaten vor dem Hintergrund der zu erwartenden Veränderungen, werden in relativ naher Zukunft neue Gewebemanagementkonzepte eine entscheidende Rolle spielen. Dabei wird sich der bereits jetzt erkennbare Trend zu biologisch orientierten Konzepten durchsetzen. Ein optimal vorbereitetes Implantatbett bietet die Grundlage für ein langzeitstabiles und innovatives implantatprothetisches Konzept.
Die Qualität der so erhaltenen und regenerierten alveolären Strukturen wird unserer Ansicht nach zu einer Indikationsausweitung für kleinere brückenprothetische Rekonstruktionen führen.
Augmentative Strategien werden aus mannigfachen Gründen die Domäne der zweiteiligen Implantate bleiben. Besonders dann, wenn strukturelle Veränderungen die Langzeitprognose beeinträchtigen oder komplexere prothetische Versorgungen notwendig sind.
Inwieweit innovative Aspekte für die Zukunft, wie z. B. die Stammzelltherapie, diese Prognose beeinflussen werden, ist derzeit nicht vorhersehbar.
Dr. Stefan Neumeyer
ist seit 1981 niedergelassen in eigener Praxis in Eschlkam und seit mehr als 25 Jahren implantologisch tätig, hat eine eigene Implantatlinie entwickelt und war Fortbildungsreferent des ZBV Oberpfalz.
praxis@dres-neumeyer.de
Dr. Sabine Hopmann
ist seit 1996 niedergelassen in der Gemeinschaftspraxis Dr. Hopmann/Dr. Maak in Lemförde.
hopmann@hopmann-maak.de