Hans Geiselhöringer, Präsident von Nobel Biocare "Patientenbedürfnisse im Fokus"
Seit dem 1. Januar 2016 ist Hans Geiselhöringer Präsident von Nobel Biocare. Das DENTAL MAGAZIN sprach mit ihm auf dem Global Symposium in New York über die Auswirkungen der Fusion mit Danaher, aktuelle Trends in der Zahnmedizin und die Bedeutung der Antikorruptionsgesetzgebung für die Studienfinanzierung.
Nobel Biocare ist seit mehr als einem Jahr Teil der Danaher Corporation. Was hat sich seit der Fusion für Nobel Biocare verändert?
Geiselhöringer: Danaher hat unglaublich gute Tools entwickelt − das Danaher Business System, welches vom Projektmanagement übers Launch Management bis hin zu Lean Manufacturing alles anbietet − das hätten wir ohne diese Expertise niemals leisten können. Als Teil einer größeren Familie mit zahlreichen führenden Marken werden wir noch besser in der Lage sein, hochwertige Lösungen anzubieten, damit noch mehr Kunden viel mehr Patienten noch besser behandeln können. Wir können nun ganz anders über Innovationen für den optimalen Treatment-Workflow von morgen und übermorgen nachdenken. Das zeigt zum Beispiel unser Produktionswerk in Mahwah, New Jersey, das wir der Fachpresse im Rahmen des Global Symposiums vorgestellt haben. Last but not least: Ein 60.000-Mann-Unternehmen bietet unseren eigenen Experten enorme Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.
Nobel Biocare bleibt aber definitiv auch weiterhin als Firma bestehen?
Geiselhöringer: Ja, Nobel Biocare bleibt auch weiterhin als Firma bestehen. Ich bin hoch beeindruckt, wie professionell Danaher Businesssysteme entwickelt und strukturiert und damit die Möglichkeit schafft, Innovationen und Wachstum voranzutreiben.
Sie haben hier in New York eine ganze Reihe an Neuprodukten vorgestellt, vom On1-Konzept über ein Multi-unit Abutment Plus bis hin zu neuen Zygoma-Implantaten. All das gibt es seit Ende Juni auch in Deutschland, bis auf das spannende „Trefoil Concept“ für den zahnlosen Unterkiefer. Der Clou: Ein standardisiertes Gerüst wird präfabriziert mit drei festgelegten Implantatpositionen. Das soll die Kosten deutlich reduzieren, wie der Erfinder Dr. Kenji Higuchi in New York hervorhob. Wann startet die Markteinführung in Deutschland?
Geiselhöringer: Ende 2017 oder Mitte 2018, das können wir noch nicht genau sagen.
Also zur IDS nicht?
Geiselhöringer: Zur IDS werden wir mehr dazu berichten. Dann beginnen wir sukzessive mit den weiteren Schritten. Es handelt sich um ein neues Konzept, das ein klares Verständnis braucht. Wir müssen schauen, was wie am besten trainiert werden soll − das braucht seine Zeit.
Sie haben auch im Deutschen Pre-Symposium vor allem die Sofortimplantation und die Augmentationsvermeidung in den Fokus gerückt. Was sind dabei die Schwerpunkte?
Geiselhöringer: Im Fokus stehen die Patientenbedürfnisse, denen wir mit unseren Konzepten gerecht werden wollen. Mit Blick auf die Sofortimplantation/Sofortversorgung bedeutet das: Ein Implantat muss die dafür nötige Primärstabilität erzielen können. Und genau das können andere Implantate nicht in dem Maße leisten. Das ist auf die Mikrostruktur ebenso zurückzuführen wie auf die Oberflächenbeschaffenheit. Denn die Primärstabilität muss nicht nur im Moment des Eindrehens gegeben sein, sondern auch, wenn das Remodelling einsetzt, also das Einheilen. Dreh- und Angelpunkt ist: Bleibt das Implantat stabil genug, weil es schnell genug osseointegriert? Oder dauert es länger, und „die Schraube schlackert im Bohrloch“.
Zudem spielt die Prothetik bei der Sofortversorgung eine große Rolle. Dazu kommen Lösungen für den stark atrophierten Kiefer, dafür haben wir das Zygoma-Treatment. Sofort versorgen lässt sich hier auch, aber nicht in allen Fällen. Deshalb haben wir die Creos-Familie zu unserem Portfolio hinzugefügt. Denn bei 40 bis 50 Prozent der Fälle sind Augmentationen einfach notwendig. Da existieren Präferenzen des Behandlers und klinische Notwendigkeiten, diese Balance muss austariert werden. Der Behandler kann ein Implantat konventionell einheilen lassen oder es sofort belasten, was − wie wir heute wissen − oft mit besseren Ergebnissen einhergeht. Es gibt niemals die „One-fits-it-all“-Lösung. Jeder Patient ist anders. Egal, wie viele gute Produkte und Konzepte zur Sofortbelastung wir entwickeln, es wird immer wieder Situationen und Patienten geben, wo das nicht möglich ist.
Auch Keramikimplantate entsprechen dem Patientenbedürfnis. Viele Hersteller setzen nun auf zweiteilige Zirkonoxid-Implantate. Wie weit ist Nobel Biocare in diesem Segment?
Geiselhöringer: Wir haben sehr früh begonnen, in diesem Bereich zu forschen. Wir hatten sogar bereits ein Implantat, das im Grunde reif war für die Markteinführung. Das war weit vor meiner Nobel-Biocare-Zeit. Doch ich kenne die Zahlen. Sie haben uns nicht ausreichend überzeugt, so dass wir das Produkt nicht gelauncht haben. Und das finde ich gut. Wir als Nobel Biocare wägen noch ab, welchen Aufwand wir in solche Nischenbereiche investieren wollen oder ob wir nicht viel mehr Patienten helfen können, indem wir uns auf die Behandlung zahnloser Patienten und Sofortbelastungskonzepte konzentrieren.
Sie forschen aber noch in diesem Bereich …
Geiselhörigner: Selbstverständlich, es gibt kaum Bereiche, in denen wir nicht forschen. Aber alles ist eine Frage der Prioritätensetzung.
Apropos Forschung: Tangiert die Antikorruptionsgesetzgebung die Forschungsbereiche der Hersteller, etwa in puncto Studienfinanzierung? Wird es für die Hersteller schwieriger?
Geiselhöringer: Gar nicht. Die Transparenz wird steigen. Im Hause Nobel Biocare sind seit Jahren klare ethische Standards etabliert.
Dass Hersteller Studien in Auftrag geben und bezahlen, funktioniert also nach wie vor problemlos?
Geiselhöringer: Richtig, denn das ist völlig in Ordnung, sofern das Prozedere – das Okay der Ethikkommission, Ausschalten von Interessenkonflikten etc. – eingehalten wird. Es muss sichergestellt werden, dass die Studie zu den höchsten Standards, die vorgeschrieben sind, ausgeführt wird. Nobel Biocare geht sogar in einigen Bereichen deutlich über diese Standards hinaus. Wir wollen, dass wir absolut sichere und transparente Daten bekommen. Ich habe in unserem Kundenkreis und mit den Universitäten, mit denen wir zusammenarbeiten, nur die besten Erfahrungen damit gemacht. Antikorruptionsgesetze sind in den USA, Frankreich und nun auch in Deutschland etabliert. Das begrüßen wir. Ethische Verantwortung für den Patienten verlangt schließlich, dass Produkte der Patienten wegen eingesetzt werden.