Gap füllen: Ja oder nein?
Die Diskussion um das Für und Wider des Füllens der sogenannten Jumping distance nach der Sofortimplantation reißt nicht ab. In der Vergangenheit hat man den Spalt zwischen Implantat und Alveolenwand grundsätzlich mit autologem Knochen oder Knochenersatzmaterialien aufgefüllt. Inzwischen gibt es „Auffüller“ und überzeugte „Nicht-Auffüller“.
Dr. Kauffmann, am Füllen der so genannten „Jumping distance“ scheiden sich die Geister. Die Literatur unterminiert beides, das Füllen und das Nicht-Füllen des Spalts zwischen Alveolenwand und Implantat. Was ist der richtige Weg?
Kauffmann: Das Füllen der Jumping distance, speziell in der ästhetischen Zone, steht für mich außer Frage. Das Hart- und Weichgewebe profitieren von dieser Maßnahme gleichermaßen. Natürlich gibt es Grenzfälle.
Welche sind das genau? Im Prämolarenbereich behaupten die „Nicht-Füller“, nach der Sofortimplantation sei bei einem starken bukkalen Knochen kein Knochenersatzmaterial notwendig, auch dann nicht, wenn die Distanz sehr groß ist. Sie lassen einbluten …
Kauffmann: Zwei entscheidende Punkte sind ausschlaggebend:
- die Distanz zwischen Implantat und Knochen sowie
- die Versorgung des Implantats
Bei Verwendung von individuellen Healing Abutments oder direkter Versorgung kann auf ein Füllen des Gaps verzichtet werden. Mein Gefühl ist jedoch, dass das Füllen des Gaps ein tendenziell besseres Outcome hat. Daher fülle ich auch kleine Distanzen (<1 mm) auf.
Noch relevanter als die Frage, ob man füllt oder nicht, ist die Frage, womit man füllt. Wann favorisieren Sie nach einer Sofortimplantation welches Knochenersatzmaterial?
Kauffmann: In Situationen mit sehr dünnem bukkalen Knochen greife ich auf ein eher langsam resorbierbares Knochenersatzmaterial zurück. Ist die bukkale Lamelle eher dick, kommt ein eher schnell resorbierbares Material zur Anwendung.
Warum?
Kauffmann: Das langsam resorbierbare Knochenersatzmaterial soll auch dann noch an Ort und Stelle sein, wenn die bukkale Lamelle resorbiert ist. Finde ich eine dicke bukkale Lamelle vor, stabilisiere ich lieber das Blutkoagel und unterstütze so die Knochenneubildung. In diesen Situationen bevorzuge ich ein eher schnell resorbierendes Material.
Sind „Nichtfüller“ oder „Füller“ in der Minderheit?
Kauffmann: Das Interessante ist, dass die „Füller“ bei Implantaten in der Mehrheit sind, nach Zahnentfernung jedoch in der Minderheit.
Wie erklären Sie sich das?
Kauffmann: Es scheint, als sollten Implantate stets die „ideale“ Behandlung erhalten. Nach Zahnextraktion ist das Konzept für mich etwas anders aufgebaut. Kann durch das Auffüllen nach Zahnentfernung eine Folgeaugmentation mit großer Sicherheit vermieden werden, wird die Alveole aufgefüllt. In der ästhetischen Zone fülle ich die Alveolen immer auf, allein um die Weichgewebe zu stützen. Genauso verhält es sich für mich für die Implantation und den Gap.
Viele Kollegen setzen auf das „Einbluten“ statt auf das Füllen mit Knochenersatzmaterial nach Sofortimplantation. Was spricht dafür, was dagegen?
Kauffmann: Gegen das Einbluten lässt sich, sofern eine individuelle Versorgung direkt nach Implantation gewählt wird, nichts sagen. Ist der ideale Verschluss jedoch nicht gewährleistet, kommt es zu einem Tiefenwachstum des Weichgewebes.
Wer wird sich letztlich durchsetzen?
Kauffmann: Das lässt sich nicht sagen. Es besteht jedenfalls weiterer Forschungsbedarf bei dem auch neuere Knochenersatzmaterialien sowie Membranen berücksichtigt werden. Nur so können beide Seiten auf Augenhöhe diskutieren.
Der Experte
Dr. Frederic Kauffmann
studierte Zahnmedizin in Würzburg, war anschließend dort in der Abteilung für Parodontologie tätig, 2018 bis 2020 University of Michigan, School of Dentistry, ab April 2020 Uniklinikum Freiburg.