Implantologie im Dreieck Prothetiker, Zahntechniker und Chirurg

Erfolgsfaktor Schnittstelle

Neben dem Chirurgen und Zahntechniker ist an der implantologischen Behandlung auch der Prothetiker beteiligt. In dieser Dreier-Konstellation sind vor allem funktionierende Schnittstellen der Erfolg für die implantologische Teamarbeit. Wie man diese Kollaboration erfolgreich gestalten kann und wie digitale Tools die Kommunikation untereinander unterstützen, berichtet Dr. Monika Bjelopavlovic, Master of Science in Zahnärztlicher Prothetik. Sie ist Oberärztin an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde an der Universität Mainz.



Steigen wir gleich bei der optimalen Situation ein: Wie sieht das optimale Teamwork im Dreieck Prothetiker, Chirurg und Zahntechniker aus?
Dr. Monika Bjelopavlovic: Am besten treffen sich alle drei Parteien zur selben Zeit am selben Ort, um sich ein umfassendes Bild von dem Patienten zu machen. Das kann entweder direkt vor Ort am Behandlungsstuhl sein oder auch virtuell. Als Grundlage für die weitere Planung benötigen alle drei die vollständigen Patientenunterlagen, das heißt: die gesamte Diagnostik mit 2D-Röntgenbildern oder DVT beziehungsweise CT und einem Modell, alternativ einem Intraoralscan. Auch der Patientenwunsch sollte dem Behandlerteam klar sein.

Daraus ergeben sich dann die Ausgangsfragen: Wo kommen wir her? Und: Wo wollen wir hin? Diese zentralen Fragen gilt es gemeinsam zu diskutieren, um zu einer patienten­individuellen Behandlungslösung zu finden.

Welche Schnittstellen werden in diesem Dreieck wann wichtig?
Dr. Bjelopavlovic: Die Schnittstellen entscheiden über den Erfolg der Behandlung. So sollte der Chirurg, wenn er die Implantatposition plant, gleich den Prothetiker und das Labor als Schnittstelle mit einbeziehen. Denn in dieser Phase geht es bereits um wichtige prothetische Fragen, zum Beispiel:

  • Wie sieht die Suprakonstruktion im Hinblick auf die Implantat­position aus?
  • Arbeiten wir mit Bohrscha­blone?
  • Wird verschraubt beziehungsweise können wir überhaupt verschrauben?
  • Welche prothetischen Teile stehen zur Verfügung?
  • Und an welcher Stelle kommt das Labor ins Spiel?

Je komplexer die implantologische Rehabilitation ist, beispielsweise ein festsitzender Zahnersatz im zahnlosen Kiefer, desto intensiver sollte die Planungsphase mit den Schnittstellen vom Chirurg zum Prothetiker und zum Labor sein. Bei hochkomplexen Versorgungen sind die Schnittstellen besonders stabil zu halten.

Wenn es um die Definition des prothetischen Ziels geht, welche Aspekte sind zu berücksichtigen?
Dr. Bjelopavlovic: Am Anfang steht das ausführliche Patientengespräch, das gegebenenfalls auch interdisziplinär mit Kollegen geführt werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt machen wir uns ein Bild davon, was in dem konkreten Fall medizinisch indiziert ist. Welche anatomische Ausgangssituation bringt der Patient mit, ist er möglicherweise ein Risikopatient, welchen Wunsch an den implantatgetragenen Zahnersatz hat er und wir müssen fragen, ob beziehungsweise wie passt alles zusammen?

Welche Befunde beziehungsweise ­Daten werden erhoben?
Dr. Bjelopavlovic: Wir arbeiten mittlerweile gerne mit Intraoralscans von Unter- und Oberkiefer sowie der Bisslage. Dann benötigen wir natürlich ein Röntgenbild, je nach Fall 2D oder ein DVT. Optional ist ein Facescan, mit dem wir automatisch eine Profilanalyse erhalten. Und ganz konventionell ist bei uns die Fotodokumentation obligatorisch.

Nutzen Sie digitale Tools für die Beratung und Aufklärung der Patienten?
Dr. Bjelopavlovic: Ja, vor allem digitale, bildgebende Tools wie die Aufnahmen eines Intraoralscans, weil sie den Ist-Status gut sichtbar machen. So können wir den Patienten anhand der Bilder anschaulich erklären, ob zum Beispiel ein Zahn erhaltungswürdig ist oder ob eine Lücke breit genug für ein Implantat ist. Die Behandlungsplanung können die Patienten dank der Visualisierung viel besser nachvollziehen, auch in der Verlaufskontrolle. Folglich sind Intraoralscans bei Jahreskontrollen zum „Tracken“ ebenfalls sehr hilfreich und holen die Patienten ab. Die meisten sind ebenfalls von den realitätsnahen Simulationen des Endergebnisses geradezu geflasht, die durch digitale Tools ermöglicht werden. Diese digitalen Tools haben die Kommunikation mit den Patienten deutlich vereinfacht.

Wie gehen Sie danach an die Implantatplanung heran?
Dr. Bjelopavlovic: Hier in Mainz kommt tatsächlich das gesamte Team, das an einem Patientenfall zusammenarbeitet, persönlich zu einer Implantatsprechstunde an einem realen Tisch zusammen. Wir tauschen uns über die Implantatplanung aus und diskutieren die möglichen Behandlungsoptionen aus den unterschiedlichen Perspektiven. Die gemeinsame Planung ist tatsächlich der Hauptzeitfaktor für uns.

Kann eine Partei nicht an dieser Implantatsprechstunde teilnehmen, wird die Planung digital festgehalten oder ausgedruckt und der abwesenden Partei zur Verfügung gestellt. Die digitale Planung kann jeder ändern und nachjustieren.

Stichwort Backward Planning, wie kann eine Art Masterplan für die implantologische Behandlung im Dreieck aussehen?
Dr. Bjelopavlovic: Das kann man nicht pauschal beantworten, weil jede Behandlungslösung patientenindividuell erarbeitet wird. Wir haben also immer unterschiedliche Patientenwünsche, Ausgangssituationen und entsprechend unterschiedliche Therapieoptima zu bewerten, jedoch ist auch hier ein jeweiliges Verständnis für alle Disziplinen erforderlich.

Dann nehmen wir als Beispielfall eine Explantation mit Sofortimplantation und -versorgung ohne Entzündung.
Dr. Bjelopavlovic: Haben wir alle notwendigen Daten erhoben, kommen wir – also Chirurg, Zahntechniker und Prothetiker – an unserem runden Tisch für die Planung der Implantatpositionen, der Versorgung und des gesamten Workflows zusammen. Das Ziel lautet in diesem Fall: Zum Tag der Extraktion und Implantation müssen die Bohrschablone für eine Fully-Guided-Implantation und ein präoperativ gefertigtes Provisorium für die Sofortversorgung griffbereit vorliegen. Also muss vorab auf Basis der Implantatplanung eine OP-Bohrschablone designt und anschließend gedruckt werden. Das Bohrprotokoll wird vorab festgelegt. Im Labor wird anhand der Implantatplanung das Provisorium für die Sofortversorgung designt und hergestellt, sodass alles zum OP-Tag fertig ist.

Liegen entzündungsfreie Verhältnisse vor, können wir mit einem Sofortversorgungskonzept in einem digitalen Workflow die Behandlungszeit deutlich verkürzen. Liegen alle Daten und die Patientenentscheidung vor, können wir mit Planung, Bohrschablone und Provisorium in der Regel innerhalb einer Woche an den operativen Eingriff herangehen. Für die Patienten ist das komfortabler als die implantologische Versorgung in einem analogen Arbeitsablauf.

Wenn es bei der Planung um die Entscheidung geführte Implantation oder nicht geht – welche Aspekte berücksichtigen Sie?
Dr. Bjelopavlovic: Eine pauschale Antwort gibt es auch hier nicht. Wenn es aber um eine Sofortversorgung geht, dann benötigen wir digitale Datensätze für die virtuelle Planung der Implantatpositionen, der Bohrschablone und des Provisoriums. Nur so lässt sich ein effizienter Behandlungsablauf durchziehen. Ein präoperativ gefertigtes Provisorium muss sich passgenau einsetzen lassen. Es kann also nur die geringstmögliche Abweichung toleriert werden. Daher ist die Implantation nur geführt durchzuführen.

Soll das beziehungsweise die Implantate hingegen konventionell einheilen und geht es bei der virtuellen Planung nur darum, intraoperativ mehr Sicherheit zu gewinnen, muss die Implantation in letzter Konsequenz nicht geführt erfolgen.

Gibt eine geführte Implantation grundsätzlich mehr Sicherheit?
Dr. Bjelopavlovic: Durch die Auseinandersetzung mit dem Fall, beispielsweise durch die virtuelle Implantatplanung oder auch der Herstellung einer konventionellen Orientierungsschablone, kommt es für jeden Behandler zu mehr Sicherheit. Bei einer geführten Implantation wird das Implantat präzise an die geplante Position gesetzt. Das bedeutet Vorhersagbarkeit, Genauigkeit und Sicherheit. Der Aspekt Vorhersagbarkeit ist auch für die Patienten sehr wichtig, weil jeder Patient am Ende seiner Behandlung enttäuscht ist, wenn das Ergebnis nicht wie kommuniziert funktioniert hat. Fehlerquellen lassen sich durch suffiziente Vorplanung, sowie digitales Arbeiten reduzieren.

Dennoch, der Chirurg sollte routiniert seine chirurgischen Skills abrufen können. Eine intensive Planung bedeutet nicht, dass sich alle Fehlerquellen vermeiden lassen. Es kann immer intraoperativ der Fall eintreten, ohne Bohrschablone arbeiten zu müssen, oder nicht sofort versorgen zu können. Daher ist das intraoperative Komplikationsmanagement zu beherrschen.

Was hat der digitale Workflow Ihnen persönlich für die Kollaboration mit dem Labor und dem Chirurg gebracht?
Dr. Bjelopavlovic: Erst mit dem digitalen Workflow habe ich das richtige Verständnis für die Perspektive der jeweils anderen Partner im Behandlungsteam erhalten. Als reine Prothetikerin habe ich über den digitalen Workflow einen tiefen Einblick in die Arbeit meiner Zahntechnikermeisterin und des Chirurgen erhalten. So konnten wir als Team unsere Kommunikation verbessern – es ist einfacher geworden.

Dennoch: Trotz der Vorteile der digitalen Bildgebungstools können diese nicht die Klinik ersetzen. Und: Kein 3D-Programm kann den Behandler ersetzen. Ich halte es für wichtig, dass das gesamte Behandlungsteam auch weiterhin seine Patienten persönlich sieht und kennenlernt.
Die Klinik kann nicht durch digitale Technologien ersetzt werden, aber digitale Technologien können die Klinik extrem unterstützen.

Herzlichen Dank für das informative Gespräch, Frau Dr. Bjelopavlovic.

Dr. Monika Bjelopavlovic

ist als Oberärztin an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde an der Universitätsmedizin Mainz tätig. Sie ist spezialisierte Forensische Odonto-Stomatologin und leitet in Zusammenarbeit mit dem Rechtsmedizinischen Institut Mainz die forensische Sprechstunde der Zahnklinik. Sie hat einen Master of Science in Zahnärztlicher Prothetik und engagiert sich als Referentin im ITI Curriculum und der Deutschen Gesellschaft für Implantologie. Sie ist Vorstandsmitglied des Women Implantology Network Germany.
Foto: privat