Moderne Praxis

Digitale Implantologie sollte Standard sein

Der aufgeklärte Patient erwartet heute von einer modernen Praxis ein hohes Niveau in der Behandlung, eine gute Ausstattung und moderne Verfahren. Er will kein Implantat zwischen Tür und Angel, zwischen Füllung und Prothese. Deshalb sollte die digitale Implantologie heute Standard sein.


Osstell steril

Steril verpackt, unterstützt Implantmed von W&H samt Osstell-ISQ-Modul bei der Insertion der Implantate und der Messung der Implantatstabilität. © Grittner


In meiner alten Praxis hätte ich ihm das nicht bieten können. Zahnarztpraxen waren damals meist umgebaute Wohnungen. Ich hatte weder ein DVT-Gerät noch einen separaten Eingriffsraum. Heute ist das anders.

Mit der Eröffnung meiner neuen Praxis 2013 in Velbert hat sich vieles geändert. Eine Operation auf dem Behandlungsstuhl kommt für mich nicht mehr infrage. Moderne Implantologie heißt für mich, aus dem Vollen zu schöpfen, wenn es um digitale Möglichkeiten zur Planung, Durchführung und Dokumentation geht. Dank der digitalen Messung der Implantatstabilität kann ich nun auf ein lückenloses, nachverfolgbares Behandlungsprotokoll zugreifen.

Früher nicht alles besser

Doch einen Schritt zurück: Bevor ich mich 1992 mit eigener Praxis selbstständig gemacht habe, habe ich in Münster unter der Leitung von Dr. Dr. Rüdiger Becker (†), Münster, und Prof. Dr. Fouad Khoury, Olsberg, meine Facharztausbildung zur Oralchirurgin gemacht. Zuvor war ich drei Jahre in der Prothetischen Abteilung tätig. Da stieß ich auf erste Herausforderungen. Die Implantate standen oft dort, wo man sie prothetisch nicht gut versorgen konnte und waren oft auch nicht stabil. Deshalb stand ich Implantaten in den 80er-Jahren generell skeptisch gegenüber.

Ich habe dann aber in der Chirurgie die Erfahrung gemacht, dass des Pudels Kern in der Planung liegt. Früher hat man Implantate meist dort gesetzt, wo genügend Knochen vorhanden war, ohne dabei über die prothetische Versorgung nachzudenken. Schon damals war für mich klar, dass stattdessen eine Zusammenarbeit zwischen Implantologie und Prothetik nötig ist. Zu der Zeit habe ich noch konservativ operiert – so, wie es damals üblich war –, mit Bohrschienen und Planungen, die man selbst herstellte. Es war für mich immer ein Bestreben, die Behandlung noch genauer und noch perfekter zu gestalten. So bin ich irgendwann dazu gekommen, die Planung von hinten anzugehen (sogenanntes Backward Planning), das heißt, erst die Prothetik zu planen und dann zu schauen, ob ich mit den Implantaten dort überhaupt zurechtkomme.

Lücken geschlossen

In meiner neuen Praxis habe ich einen Eingriffsraum eingerichtet. Dort versuche ich eine komplett digitale Implantologie zu verwirklichen. Ich plane die Implantate mit DVT-Gerät. Zusätzlich mache ich eine Planung für die OP-Schiene, sodass ich ganz genau weiß, wo die Implantate gesetzt werden. Die Operation wird dokumentiert mit Intraoralkamera. Was mich zuletzt noch gestört hatte, war, dass ich während der Opera‧tion nicht wusste, wie stabil das Implantat ist. Ich habe immer nur – wie üblich – auf das Implantat geklopft und am Klopfschall abgeschätzt, ob und wie fest die Versorgung sitzt. Ich hatte aber nie etwas Belegbares in der Hand, was ich auch mit dem Patienten hätte besprechen können.

Das Implantmed von W&H mit dem Osstell-ISQ-Modul schließt nun genau diese Lücke. Wir vermessen nun inzwischen die Stabilität zweimal: einmal am OP-Tag mitsamt der kompletten Dokumentation und das zweite Mal vor der prothetischen Versorgung. So können wir die Werte vergleichen. Der Vorteil ist, dass diese Werte tatsächlich reproduzierbar sind: Wenn ich während der OP mehrmals messe, erhalte ich immer wieder denselben Wert. Wenn ich das Implantat freilege, bevor ich den Gingivaformer anbringe, vermessen wir die Stabilität dann noch einmal. In der Regel sind die Werte dann noch besser. Die Zeit spricht also für die Behandlung.

Was ich als großen Vorteil sehe: Anhand der Tabelle, in der die Werte für die Stabilität aufgelistet und farblich mit Rot und Grün markiert sind, kann ich dem Patienten vor dem Eingriff erklären, ab wann wir das Implantat belasten können. Ich hatte bereits Fälle, in denen das Implantat schon früher prothetisch versorgt werden konnte.

Patienten fühlen sich sicherer

Mit dem Patienten entsteht ein sehr interessantes Gespräch, weil er die Tabelle kennt und gern wissen möchte, wo seine Werte liegen. Diese möchte er meist direkt am OP-Tag haben. Am Anfang hatte ich Bedenken wegen der Kosten für die Messung, denn die Leistung wird nicht von der Kasse bezahlt. Aber diese Bedenken lösten sich schnell auf, denn meine Patienten sind so begeistert von der Genauigkeit der Messung und fühlen sich seitdem viel sicherer mit ihren Implantaten. Bis dato waren die Kosten noch nie Diskussionsthema.

Implantmed lässt sich ganz einfach mit dem bestehenden Patientendatenmanagement verknüpfen. Dazu muss man zunächst die Patientenakte im System aufrufen, kann dann das Gerät starten und die gemessenen Daten speichern. Diese festgelegte Reihenfolge dient der Sicherheit, dass keine Daten einem falschen Patienten zugeordnet werden. Meine OP-Schwestern sind geschult und starten das Programm, wenn sie den Eingriffsraum vorbereiten. Dort habe ich zwei Bildschirme, um die Röntgenbilder mit der Vermessung aufzurufen und gleichzeitig auf dem anderen Bildschirm mit der Intraoralkamera Fotos zu machen. Implantmed läuft komplett parallel und behindert mich nicht in meiner Sicht, sondern arbeitet im Hintergrund.

SmartPeg Implantologie

Das sogenannte SmartPeg zum Einmalgebrauch wird in das Implantat eingedreht. Dann kann mit der Sonde des Osstell-ISQ-Moduls die Stabilität des Implantats gemessen werden. © Grittner

Vor dem Eingriff stellen wir am Gerät den Patienten und die regio ein. Dann wählen wir den Implantattyp aus. Wenn das Implantat in situ ist, mache ich vor dem Einsetzen des SmartPeg-Metallstifts zur Messung des ISQ (Implantatstabilitätsquotient) ein Foto vom Knochen. Dann wird der Einmalstift eingeschraubt und mit der Sonde des Oss‧tell-‧ISQ-‧Mo‧duls werden die Schwingungen gemessen.

Wir weisen den Patienten darauf hin, dass wir die Messung vornehmen, und sagen die Daten laut an, denn der Patient ist genauso gespannt wie wir, wie gut die Werte sind. Dann machen wir noch ein abschließendes Foto für das OP-Protokoll, bevor wir alles ins Patientensystem einspielen. Das nimmt weniger Zeit in Anspruch, als ich ursprünglich gedacht habe. Schon bei der zweiten Anwendung wussten wir genau, was wir im System anwählen müssen, und seitdem funktioniert alles reibungslos.

Für die Insertion der Implantate selbst benutze ich verschiedene Handstücke von W&H, die mich vor allem durch das LED-Licht überzeugen. Damit kann ich um das Implantat herum alles sehen während der Behandlung. Mit anderen implantologischen Instrumenten arbeite ich fast gar nicht mehr, außer zum Beispiel bei Wurzelspitzenresektionen. Auch bei der Instrumentenaufbereitung arbeite ich mit W&H-Produkten (Assistina), seitdem ich diese Praxis habe.

Sterilität und Absicherung

Implantmed und das Osstell-ISQ-Modul samt Handstück haben wir über ein OP-Cart integriert, das steril abgedeckt ist. Der Wagen steht hinter dem Behandler in Griffnähe, die Tastatur wird mit einer sterilen Folie abgeklebt, die wir wie auch Kittel und Handschuhe unserem individuellem OP-Set entnehmen. Das ermöglicht mir als Chirurgin, das Modul während des Eingriffs selbst zu bedienen. Genauso verschweißen wir die Plastikkappe der Messsonde immer in einer Schale steril. So hat sie ihren festen Platz auf dem OP-Tisch und geht beim Setzen von mehreren Implantaten zwischendurch nicht verloren. Die Einmal-SmartPegs werden steril verpackt geliefert.

Vom DVT bis zur OP tun wir also alles, um das Risiko für den Patienten so gering wie möglich zu halten. Dank der verschiedenen Systeme können wir das auch dokumentieren und im Zweifelsfall vorlegen. Bisher fehlte nur die Messung der Implantatstabilität. Osstell und Implantmed schließen diese Lücke und geben mir als Behandlerin dementsprechend auch eine rechtliche Sicherheit.

Fazit

Zur digitalen Implantologie – die heute meiner Meinung nach Standard sein sollte – gehört ein Gerät zur Messung der Implantatstabilität einfach dazu. Es ist das i-Tüpfelchen für den Behandler, um die Schritte im Workflow abzudecken, die bisher noch offen waren. Der Klopftest am Implantat gibt einem erfahrenen Implantologen zwar auch Aufschluss über die Stabilität, ist aber keine fundierte Methode. So genau kann kein Ohr hören.

 

Dr. Kristina Grittner ist Zahnärztin und Fachzahnärztin für Oralchirurgie und ‧niedergelassen in zahnärztlich-oralchirurgischer Praxis in Velbert, NRW. Mail: praxis@dr-grittner.de