Neue Therapieansätze

Alternativen zum Bindegewebetransplantat

Eine neue volumenstabile Weichgewebematrix ermöglicht eine Weichgewebeaugmentation ohne Verwendung von Transplantaten vom Gaumen. Ein Überblick über wissenschaftliche Daten und neue therapeutische Optionen.


Fibro-Gide

Fixierung des Geistlich Fibro-Gide mit dem Nahtmaterial © Thoma


Verfahren zur Weichgewebeaugmentation werden immer häufiger für eine Reihe von Indikationen in Verbindung mit zahnärztlicher Implantattherapie eingesetzt [1]. Zu den wichtigen klinischen Indikationen gehören Rezessionsdeckung, Zugewinn von keratinisiertem Gewebe und Augmentation von Weichgewebe [2–5]. Diese parodontalplastischen chirurgischen Verfahren wurden empfohlen, um kurz- und langfristig günstige biologische, funktionelle und ästhetische Ergebnisse um die Zähne herum sowie an Stellen mit Brückengliedern und Zahnimplantaten zu schaffen. An Implantationsstellen wird das Weichgewebevolumen meistens augmentiert, um den periimplantären marginalen Knochenverlust in der nichtästhetischen Zone zu begrenzen, dem Volumenverlust nach Zahnextraktion entgegenzuwirken und die bukkale Kontur zu regenerieren.

Derzeitige Konzepte zur Augmentation von Weichgewebevolumen in vertikaler und/oder bukkaler Richtung basieren auf der Verwendung von autologem Gewebe, das am häufigsten aus der Gaumenregion entnommen wird. Diese Transplantate haben eine lange Tradition in der Zahnheilkunde, und es wurden zahlreiche Artikel veröffentlicht, die ihre Effektivität, Sicherheit und langfristige Stabilität dokumentieren[6, 7]. Zu den Einschränkungen und Nachteilen von autologen Gewebetransplantaten gehören:

  • Höhe, Länge und Dicke des Spendergewebes variieren entsprechend den anatomischen Dimensionen des Gaumengewölbes [8].
  • Länge und Dicke des Gewebetransplantats sind begrenzt durch die Anatomie, wie etwa einen dicken Alveolarfortsatz, Exostosen sowie die palatinalen Nerven und Blutgefäße [9, 10].
  • Über mehrere Wochen nach der Operation klagen Patienten häufig über Schmerzen und Taubheitsgefühl, insbesondere an der Entnahmestelle [11, 12].

Um diese Probleme zu überwinden und die Morbidität aufgrund der Transplantatentnahme zu reduzieren, haben sich die Forschungsaktivitäten auf die Entwicklung von Ersatzprodukten für Weichgewebetransplantate aus verschiedenen Quellen und für eine Reihe von klinischen Indikationen konzentriert [13]. Ein geeignetes Biomaterial für die Augmentation von Weichgewebe muss Volumenstabilität über die Zeit sowie ein günstiges biologisches Verhalten bieten, das natürliche Modellierungs- und Remodellierungsprozesse ermöglicht.


3D-stabile Kollagen‧matrix

Das Biomaterial wurde über zehn Jahre in zahlreichen In-vitro-, präklinischen und klinischen Modellen getestet, die Folgendes zeigen:

  • vorteilhafte mechanische Eigenschaften und biologische Attribute, die das Einwachsen von menschlichen Fibroblasten fördern [14],
  • günstige Gewebeintegration und Förderung der Angiogenese [15],
  • vergleichbare Ergebnisse wie beim Golstandard autologes Transplantat in Bezug auf 2D- und 3D-lineare und volumetrische Zugewinne [16, 17].

Im Hinblick auf kritische Nachweise wurde Geistlich Fibro-Gide kürzlich in einer randomisierten, kontrollierten klinischen Studie auf mukosale Dickenzunahme um Zahnimplantate evaluiert [4] (Abb. 1). Ähnlich wie in früheren Studien resultierte die Verwendung von Geistlich Fibro-Gide in einer vergleichbaren Volumenzunahme und in einer relativen Stabilität über einen Zeitraum von drei Monaten wie bei autologen Transplantaten. Abgesehen von diesen günstigen mechanischen und biologischen Eigenschaften war die Patientenmorbidität, wichtig sowohl für Patienten als auch Zahnärzte, bei Geistlich Fibro-Gide im Vergleich zu traditionellen Bindegewebetransplantaten reduziert.

Entwicklung des Konzepts

Patienten und Zahnärzte haben lange auf einen Weichgewebeersatz gewartet, der nicht nur klinische Leistungsfähigkeit bietet, sondern auch die wichtigen Probleme in Verbindung mit autologen Transplantaten angeht. Angesichts der Vorteile von Geistlich Fibro-Gide und basierend auf dem derzeitigen Wissens- und Erfahrungsstand werden Zahnärzte bald in der Lage sein, eine Wahlmöglichkeit anzubieten, wenn eine Zunahme der Mukosadicke gewünscht ist. Eine solche Wahlmöglichkeit wird mit Sicherheit die Nachfrage erhöhen und die klinischen Indikationen erweitern, wodurch Therapien mit Zahnimplantaten und festsitzenden zahngestützten Rekonstruktionen verbessert werden.

Geistlich Fibro-Gide eignet sich für die folgenden Indikationen:

  • verzögerte Implantate mit begleitender Weichgewebeaugmentation (simultaner Ansatz),
  • verzögerte Weichgewebeaugmentation an Implantatstellen in Verbindung mit oder vor dem Einsetzen des Abutments und
  • Weichgewebeaugmentation bei Brückengliedern.

Klinische Handhabung

Unter Berücksichtigung von aktuellem Wissestand, Lernkurve und Erfahrung (in Verbindung mit jeglichem innovativem Biomaterial) eignet sich Geistlich Fibro-Gide für verschiedene Indikationen und bietet eine vorteilhafte klinische Handhabung. Nach Ermessen des Zahnarztes kann Geistlich Fibro-Gide beschnitten und zur passenden Größe geformt werden. Dies kann in trockenem, feuchtem oder auch in einem dazwischenliegenden Zustand durch Vorbefeuchten und anschliessendes Trocknenlassen für 30–60 Sekunden erfolgen.

Nach Platzierung an der gewünschten Stelle saugt sich Geistlich Fibro-Gide schnell voll mit Blut, wodurch sich ihr Volumen um 20–30 % erhöht. Falls erforderlich, kann die Matrix mit resorbierbarem oder nicht resorbierbarem Nahtmaterial vernäht werden, um sie in der gewünschten Position zu fixieren. Zwischenzeitliches Feedback von Patienten, die eine Behandlung mit Geistlich Fibro-Gide erhalten, zeigt nur minimale Schmerzen. Die Mehrzahl der Patienten, die zuvor ein autologes Bindegewebetransplantat erhalten hatten, sind von Geistlich Fibro-Gide begeistert und insbesondere damit zufrieden, dass kein Entnahmeverfahren eines autologen Transplantats notwendig ist und die klinischen Resultate die höchsten Erwartungen erfüllen. Abgesehen von der Erfüllung der Patientenanforderungen zeigen histologische Daten drei und vier Monate nach dem Einbringen einen leicht abgebauten und dennoch voll integrierten Matrixkörper mit neuen Blutgefäßen und Bindegewebe. Als Zahnarzt und Forscher glaube ich, dass Geistlich Fibro-Gide ein Durchbruch bei der Weichgeweberegeneration ist, der unsere Behandlungsoptionen erweitert. Wir warten seit Jahren auf eine so bewährte Innovation, und weil ich von den klinischen Resultaten überzeugt bin, was mir meine Patienten bestätigen, bin ich sehr gespannt darauf, sie bei erweiterten Indikationen auszuprobieren.

 

Literatur:

  1. Thoma DS, et al.: J Clin Periodontol 2014; 41 Suppl 15: S77–91.
  2. Lorenzo R, et al.: Clin Oral Implants Res 2012; 23: 316–24.
  3. Basegmez C, et al.: Eur J Oral Implantol 2012; 5: 139–45.
  4. Thoma DS, et al.: J Clin Periodontol 2016; 43: 874–85.
  5. Roccuzzo M, et al.: Clin Oral Implants Res 2014; 25: 641–46.
  6. Bienz SP, et al.: Clin Oral Implants Res 2017a; 29. [Epub ahead of print]
  7. Bienz SP, et al.: J Clin Periodontol 2017b; 44: 178–84.
  8. Benninger B, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2012; 70: 149–53.
  9. Kim DH, et al.: Clin Anat 2014; 27: 578–84.
  10. Yu SK, et al.: J Clin Periodontol 2014; 41: 908–13.
  11. Zucchelli G, et al.: J Clin Periodontol 2010; 37: 728–38.
  12. Griffin TJ, et al.: J Periodontol 2006; 77: 2070–79.
  13. Zuhr O, et al.: J Clin Periodontol 2014; 41 Suppl 15: S123–42.
  14. Mathes SH, et al.: Biotechnol Bioeng 2010; 107: 1033–43.
  15. Thoma DS, et al.: Clin Oral Implants Res 2012; 23: 1333–39.
  16. Thoma DS, et al.: J Clin Periodontol 2011; 38: 1063–70.
  17. Thoma DS, et al.: J Clin Periodontol 2010; 37: 659–66.