Materialien auswählen: Was hilft durch den Materialdschungel?
Ende November 2022 fand der 36. DGI-Kongress mit dem Leitthema „Biologie - unser Kompass in der Implantologie statt. In dem Plenum prothetischen Workflow wurden unterschiedliche Materialien, die heute zur Wahl stehen, diskutiert. Metallkeramik, monolithische vollkeramische Restaurationen, Polyaryletherketone - wie ist der Stand der Dinge und wie findet man in seiner Praxis das richtige Material? Prof. Dr. Stefan Wolfart, Aachen, und PD Dr. Peter Gehrke, Ludwigshafen, geben eine Orientierung.
Eine Präsentation in der von Ihnen moderierten Sitzung trug den Titel „Oldies but Goldies“. Darin ging es um die Metallkeramik. Wie ist da der Stand?
Prof. Wolfart: Metallkeramik stellt immer noch die Materialklasse mit den längsten Beobachtungszeiten dar. Hier liegen die Überlebensraten bei kurzspannigen Brücken nach zehn Jahren bei 89 Prozent. Der Schwachpunkt der Metallkeramik ist die schwache Verblendkeramik, was zu Abplatzungen im Bereich von fünf Prozent innerhalb von fünf Jahren führt. Die ästhetisch ansprechenderen vollkeramischen Restaurationen weisen ebenfalls im Falle von verblendeten Zirkonoxidgerüsten Verblendabplatzungen nach fünf Jahren von sechs Prozent bei Brücken auf.
Wie beurteilen Sie aus wissenschaftlicher Sicht die monolithischen vollkeramischen Restaurationen?
Prof. Wolfart: Hier fehlen zum Teil Langzeituntersuchungen. Für Einzelkronen sind aktuell sehr vielversprechende 3-Jahres Ergebnisse veröffentlicht worden. Diese zeigen, dass die monolithischen Restaurationen weniger Keramikabplatzungen (nur 1,2 Prozent) aufweisen als verblendete Restaurationen (drei bis fünf Prozent). Dies gilt sowohl für Zirkonoxidrestaurationen als auch für verstärkte Glaskeramiken, wie zum Beispiel Lithiumdisilikatkeramik.
Für monolithische Zirkonoxidbrücken fehlen diese Langzeitergebnisse jedoch aktuell noch. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung der Zirkonoxidkeramiken ist außerdem, dass dort in den letzten Jahren fünf unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichen Zugaben von Aluminiumoxid und Yttriumoxid vorliegen. Dies verändert die optischen sowie die Festigkeitseigenschaften der Keramiken. Das wiederum hat den Nachteil, dass die aktuell vorliegenden Daten, nicht zu den heute verwendeten Systemen (4 und 5. Generation) passen, sondern hauptsächlich der 2. und 3. Generation zuzuordnen sind.
Diskutiert wurden auf diesem Kongress auch die Polyaryletherketone mit der Frage: Gehört ihnen die Zukunft oder sind es Nischenprodukte?
Prof. Wolfart: Bei den Polyaryletherketonen (PAEK) gibt es keine ausreichenden klinischen Studien, die eine wissenschaftliche Einstufung dieser Werkstoffe bezüglich ihrer klinischen Anwendung zulassen. Grundsätzlich unterscheiden lassen sich verschiedene Materialien auf PAEK-Basis (PEEK, PEKK, AKP). Aus dem Hochleistungspolymer PAEK können implantat- sowie zahngestützte Restaurationen hergestellt werden. In der Prothetik werden unterschiedliche Modifikationen als herausnehmbares Restaurationsmaterial (Klammer-, Teleskopprothetik, Stegarbeiten, Tertiärkonstruktionen etc.) sowie als festsitzendes Restaurationsmaterial (Kronen, Brücken) eingesetzt. Zudem wird PAEK in der dentalen Implantologie angewandt und hier insbesondere für Implantataufbauten und Gingivaformer verwendet. […] (Dental Digital 4/2020).
Wie ist die Sichtweise des Praktikers? Welche Möglichkeiten gibt es, sich im Materialdschungel zu orientieren?
PD Dr. Gehrke: Aufgrund ihrer guten Biokompatibilität und ihres ästhetischen Potentials werden in Praxis und Klinik vermehrt vollkeramische Werkstoffe in der Implantatprothetik verwendet. Die scheinbar grenzenlose Vielfalt keramischer Materialien ist eindrucksvoll, macht es für das Behandlungsteam jedoch zunehmend schwerer einen verlässlichen Überblick zu behalten.
Zu beachten ist, dass sich vollkeramische Werkstoffe innerhalb einer Werkstoffklasse unterscheiden können und daher herstellerabhängig klinisch relevante Auswirkungen in der Ergebnisqualität zeigen. Aufgrund der Unterschiede zwischen den vollkeramischen Werkstoffklassen ist der klinische Langzeiterfolg eng mit der korrekten Indikationsstellung, dem Grad der Kenntnisse und der Erfahrung des restaurativen Teams sowie auch mit dem adäquaten Bearbeitungs-, Befestigungs- und Okklusionskonzept verknüpft.
Gibt es in der täglichen Praxis aufgrund Ihrer Erfahrung Veränderungen bei der Materialwahl ?
PD Dr. Gehrke: Aufgrund der besseren Ästhetik und der ausreichend mechanischen Eigenschaften werden im Frontzahnbereich Implantatkronen aus Lithiumdisilikatkeramik bevorzugt. Gleichzeitig ist ein zunehmender Trend zu monolithischen Werkstoffen in CAD/CAM Technologie zu beobachten. Diese Werkstoffklasse liefert die notwendige Stabilität und kann gleichzeitig durch Multilayer-Rohlinge, voreingefärbte monochrome Rohlinge oder individuellen Einfärbmöglichkeiten mittels Tauch- bzw. Applikationstechnik immer höheren ästhetischen Ansprüchen genügen. Hierfür liegen klinisch günstige Kurzeitprognosen über drei Jahre vor.
Herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch Herr Dr. Gehrke und Herr Prof. Wolfart.