So haben Keime, Amöben und Co. keine Chance
Keimzahlen im Betriebswasser zahnärztlicher Behandlungseinheiten sind in recht kurzer Zeit zu einem bewegenden Thema geworden. Nun gibt den Praxen ein neues Kombinationsverfahren mehr Sicherheit in Sachen Wasserhygiene.
Der Weg des Wassers von der Kläranlage bis in die Behandlungseinheit ist lang. Ab der Stelle des Eintritts in die Praxisräumlichkeiten ist der Praxisbetreiber für die Qualität und Wasserhygiene verantwortlich. Das betrifft unter anderem die Zuleitung zur Behandlungseinheit, aber auch die wasserführenden Leitungen in ihrem Inneren.
Da sich an den Wandungen Biofilme bilden können, die potenziell mit pathogenen Mikroorganismen kontaminiert sind, empfehlen sich Gegenmaßnahmen. Sonst könnten Krankheitserreger über Turbinen, Hand- und Winkelstücke etc. in den Mund des Patienten gelangen oder über Spraynebel noch in zwei bis vier Metern Abstand das zahnmedizinische Personal kontaminieren.
Wasserhygiene: Wendepunkt Jahrtausendwechsel
Ziemlich genau ab dem Jahr 2000 hat sich der Blick vieler Hygieneexperten gewandelt und geschärft. Denn moderne chemisch-biologische Analyseverfahren förderten damals harte Zahlen zutage. So veröffentlichten unter anderem James T. Walker et al. eine Untersuchung des Betriebswassers aus Dentaleinheiten in 55 Zahnarztpraxen Südwestenglands und fanden eine höhere mikrobiologische Belastung des bereitgestellten Betriebswassers als bei als unbedenklich geltendem Trinkwasser [1].
Andere Untersuchungen stützten diesen Befund. Fünf Jahre später führte eine systematische Untersuchung in Südafrika zu dem Ergebnis, dass in drei Prozent der genommenen Luftproben die Endotoxinbelastung von Aerosolen höher als die DECOS-Empfehlungen lagen (Dutch Expert Committee on Occupational Standards). Dies legte eine Gefährdung des Teams nahe. Das Ausmaß der gemessenen Endotoxinbelastung hing nicht zuletzt vom Typ der jeweiligen Dentaleinheit ab [2].
Im selben Jahr ergaben Untersuchungen in thailändischen Militärzahnkliniken: In 77 Prozent der entnommenen Wasserproben wurden die Vorgaben der ADA (American Dental Association) verfehlt und mehr als 200 (heute sind es 500 kbe/ml nach ADA) koloniebildende Einheiten pro Milliliter nachgewiesen. Die Autoren kamen unter anderem zu dem Schluss, dass es schwierig bis unmöglich sei, eine Biofilmbildung an den Wandungen der Leitungen innerhalb der Dentaleinheiten komplett zu verhindern. Bei dieser Untersuchung wurden aber zumindest, wie die Autoren betonen, keine der gefürchteten (und lebensbedrohlichen) Legionellen detektiert [3].
Amöbenbefall und Todesgefahr
Hinzu kamen aufsehenerregende Einzelfälle – wie etwa derjenige eines kanadischen Zahnarztes von 2007: Eine Patientin bekam Sehprobleme, nachdem sie ein Wasserstrahl aus einem dentalen Handstück im Auge getroffen hatte. Festgestellt wurde schließlich zwei Monate später ein Amöbenbefall, jedoch kein Kausalzusammenhang zu dem „Unfall“ während der zahnärztlichen Behandlung. Als Tipp lässt sich aus dieser Begebenheit ableiten: zur Sicherheit den Patienten eine Schutzbrille tragen lassen und das Wasser aus der Behandlungseinheit nach jeder Patientensitzung ablaufen lassen [4].
2017 schließlich berichtete eine Fachzeitschrift über einen niedergelassenen dänischen Zahnarzt in Viby – ein Extremfall: Vermutlich infizierte er sich über Aerosole aus einer Dentaleinheit mit der Legionärskrankheit. Er empfand die Zeit danach als ein Schweben zwischen Leben und Tod [5].
Die Erreger waren die bekannten Legionellen. Sie fühlen sich besonders in warmen und feuchten Umgebungen wohl und können daher zum Beispiel auch aus Duschköpfen strömen. Was tun?
Eine probate Möglichkeit stellen Mikrofilter dar; durch ihre kleinen Poren können Legionellen und andere Keime nicht hindurchdringen. Eine andere Option sind desinfizierende chemische Zusätze zum Betriebswasser. Allerdings sind die von den Herstellern der Behandlungseinheiten zugelassenen Substanzen allein offenbar „nicht in der Lage, für eine sichere Keimfreiheit zu sorgen“ [6].
Aufgrund eigener Untersuchungen in einer Universitätszahnklinik in Bologna plädierten italienische Wissenschaftler daher für Kombinationsverfahren:
- deionisiertes Wasser verwenden,
- kontinuierlich chemisch desinfizieren und
- zusätzlich mit anderen Wirkstoffen periodisch desinfizieren [7].
Erfolgreich gegen Keime in der Kombination
Bei einem neuen Verfahren kombinieren Dentalingenieure eine fortgeschrittene Filtertechnologie mit der Elektrolyse (Hygowater, Dürr Dental, Bietigheim-Bissingen). Herzstück des Systems ist eine patentierte Technik: Nach einer ersten Filtration wird das Wasser nach dem Prinzip der Elektrolyse durch eine hocheffektive Desinfektionskammer gepumpt. In der Desinfektionskammer werden einige der natürlich vorkommenden Salze in freies Chlor und hypochlorige Säure umgewandelt. Diese Säure desinfiziert 50- bis 100-mal effektiver als normales Chlor. Das ermöglicht eine hohe Desinfektionsrate bei sehr niedriger Konzentration von freiem Chlor [8]. Die Konzentration kann je nach Gegebenheiten in der Praxis vor Ort flexibel eingestellt werden.
Zu diesem Verfahren liegen bereits Untersuchungsergebnisse aus der Hochschule vor (Charité – Universitätszahnmedizin Berlin). Getestet hat man das neue System an zwei Dentaleinheiten mit bekanntermaßen häufig auftretenden hohen heterotrophen Koloniezahlen trotz Gegenmaßnahmen. Bei den Untersuchungen ersetzten die Forscher die bestehende kontinuierliche chemische Desinfektion unter Verwendung von Wasserstoffperoxid/Silberionen durch das neue Kombinationsserfahren. Aus ihren Messergebnissen leiteten die Wissenschaftler Folgendes ab: Während des Betriebs der Einheit mit dem Filter-Elektrolyse-Kombinationssystem stellte sich insgesamt über den Untersuchungszeitraum ein stabilerer mikrobiologischer Zustand ein [9].
Mehrere Varianten für mehr Wasserhygiene in der Praxis
„Mit dem Hygowater befindet sich das zahnärztliche Team in puncto Wasserhygiene und Infektionskontrolle auf der sicheren Seite und kommt damit einer Kernaufgabe der Praxis nach“, erklärt Marc Diederich, der als leitender Produktmanager bei Dürr Dental für die Wasseraufbereitung verantwortlich zeichnet. „Das System wirkt zuverlässig gegen Keime – und das ohne die Zugabe von Chemikalien. Damit wird das Team auch dem Minimierungsgebot gerecht, und es ist eine ausgesprochen grüne Technologie.“
Das Hygowater-System ist als Beistellvariante konzipiert, das heißt: Es wird in der Regel als dezentrales Versorgungssystem zur Behandlungseinheit dazugestellt. Daneben gibt es aber auch die Möglichkeit zur zentralen Wasseraufbereitung, zum Beispiel in den Kellerräumen. Von dort führen dann Betriebswasserleitungen zu den einzelnen Behandlungseinheiten. Für bis zu sechs eignet sich diese Variante, mit einem Zusatzmodul. Diese Variante empfiehlt sich unter anderem bei einer erheblichen Kapazitätserweiterung.
Der Experte
Marc Diederich
Produktmanager Wasseraufbereitung, Dürr Dental