Einfacher und schneller
„Schneller, höher, stärker“ – dieser Leitsatz gilt schon lange nicht mehr nur bei den Olympischen Spielen. Auch bei der Wurzelkanalaufbereitung geht es darum, bestimmte Aufgaben noch präziser, besser und reibungsloser zu erledigen. Wo können kostbare Minuten eingespart werden? Assist. Prof. Dr. Dr. Andreea Oana Cristescu Rosu aus Bukarest, Rumänien, berichtet über die Rolle neuer Technologien – im EDM-Verfahren hergestellte Feilen – bei der Wurzelkanalbehandlung und wie diese die Endo vereinfachen, verbessern und beschleunigen können.
In manchen Punkten sind sich die Zahnmedizin und die Formel 1 tatsächlich gar nicht so unähnlich: Wenn man bei einer Behandlung nicht damit rechnet, dass sich der Wurzelkanal abrupt in eine Kurve legt, kann man auch hier schnell in der „Bande“ landen. So kann selbst ein scheinbar leichter Fall zu Komplikationen führen – von gebrochenen Instrumenten über Kanten und Absätze im Wurzelkanal bis hin zum Zahnverlust, den man vor allem in der Endodontie ja gerade vermeiden möchte.
Hier helfen mit dem Electrical Discharge Machining (EDM)-Verfahren hergestellte Feilen weiter. Die mit einer speziellen Funkenerosionstechnik produzierten HyFlex EDM Feilen unterscheiden sich von herkömmlichen Feilen insbesondere dadurch, dass sie sehr flexibel und außergewöhnlich bruchsicher sind. Wie die bewährten HyFlex CM Feilen ist auch das EDM-System mit dem „Controlled Memory“ (CM)-Effekt ausgestattet. Deshalb können HyFlex NiTi-Feilen der Anatomie des Wurzelkanals sehr genau folgen und so das Risiko von Stufenbildung, einer „via falsa“ oder auch von Perforation verringern. Außerdem lassen sich die Feilen vorbiegen. Besonders in Wurzelkanälen mit abrupten Krümmungen ist dies von Vorteil.
Aufgrund der besonderen Anatomie des Wurzelkanals im folgenden Patientenfall waren flexible, vorbiegbare und bruchsichere Feilen sowie die entsprechende Technik sehr wichtig. Deshalb fiel meine Entscheidung für die Aufbereitung auf das modular aufgebaute HyFlex NiTi-Feilensystem von Coltene.
Der Patientenfall: Vertucci Typ V
Als im Frühjahr 2018 ein Patient mit anhaltenden Beschwerden an einem zweiten unteren Prämolaren (Zahn 35) an unsere Praxis überwiesen worden war, war er bereits ziemlich frustriert. Der vierzigjährige Mann hatte sich zuvor mehreren endodontischen Behandlungen in einer anderen Praxis unterzogen, leider aber ohne Erfolg. Er hatte einen akuten apikalen Abszess und nach wie vor starke Schmerzen.
Verantwortlich dafür war eine zunächst unerkannt gebliebene, besondere Zahnanatomie. Kurz vor dem Apex teilte sich der Wurzelkanal in zwei unterschiedliche Kanäle auf (Vertucci Typ V/„Deep Split“). Auf einem ersten Panoramaröntgenbild (Abb. 1) war dies leicht festzustellen. Deshalb entschied ich mich dafür, die Kanäle mit Controlled Memory HyFlex CM- bzw. EDM-Feilen und unter Vergrößerung aufzubereiten. Auf diese Weise konnte ich den jeweiligen Kanalverläufen folgen und durch die optimale Aufbereitung im Kanalzentrum die Wurzelkanäle bestmöglich erhalten. Im Gegensatz zu anderen flexiblen Endo-Feilen haben HyFlex Feilen eine kontrollierte Rückstellkraft, was im vorliegenden Fall besonders wichtig war.
Die Behandlung wurde an zwei Terminen durchgeführt. Der erste Termin diente der Präparation, Reinigung und Zwischenmedikation mit Kalziumhydroxid. Nach dem Anlegen des Kofferdams zur Isolierung des Arbeitsfeldes kamen zur Eröffnung des Kanals und Erstellung des Gleitpfads zunächst der HyFlex EDM 25/.12 Orifice Opener und die 10/.05 Gleitpfadfeile zum Einsatz. Die eigentliche Aufbereitung erfolgte mit 15/.04 und 20.04 HyFlex CM Feilen, gefolgt von der 25/~ HyFlex EDM OneFile (Abb. 2a-c). Während der Behandlung wurden die Kanäle ausgiebig mit CanalPro NaOCI und EDTA gespült sowie vor der Applikation der Kalziumhydroxid-Einlage mit passenden HyFlex Papierspitzen und den praktischen flexiblen Surgitip endo Absaugkanülen getrocknet (Abb. 3).
Bei der zweiten Sitzung wurden die Obturation und abschließende Restauration mit Fiber Post durchgeführt. Das Röntgenbild zeigt, dass es gelang, beide Wurzelkanäle über die gesamte Zahnlänge hinweg (circa 23 mm) mit minimalem Verlust an Zahnhartsubstanz und auf eine möglichst konservative, zahnerhaltende Weise zu bearbeiten (Abb. 4).
Die Röntgenaufnahmen der Follow-up-Termine dokumentieren die vollständige Heilung des behandelten Zahns. Eine Krone war nicht erforderlich (Abb. 5a-d).
Einprägsame Sequenz
intuitiv abrufbar
Eine Wurzelkanalbehandlung an einem Prämolaren scheint auf den ersten Blick ein recht simpler Eingriff zu sein. Doch wie der vorliegende Fall zeigt, kann ohne sorgfältige Analyse der Zahnanatomie auch eine vermeintlich einfache Behandlung zu Komplikationen und anhaltenden Schmerzen führen. Deshalb ist es enorm wichtig, dem spezifischen Kanalverlauf von Anfang an die notwendige Beachtung zu schenken und geeignete Instrumente und Techniken für die weitere Behandlung einzusetzen. Im Falle eines „Deep Split“ oder anderer komplexer Anatomien sollten besonders flexible und bruchsichere Feilen verwendet werden. Meiner Erfahrung nach sind hier die Feilen mit kontrollierter Rückstellkraft aus dem modularen HyFlex Feilensystem (Coltene) sehr hilfreich.
Der dokumentierte Patientenfall zeigt zudem, dass die Behandlung niemals überstürzt und möglichst in zwei Sitzungen aufgeteilt werden sollte. Denn auch das trägt dazu bei, dass der Patient die Aufmerksamkeit bekommt, die für eine erfolgreiche Zahnbehandlung notwendig ist.
Neben der Wahl der richtigen Feilen vereinfacht der Einsatz neuester Technologie die Behandlung immens. So kann mit dem CanalPro Jeni Motor (Coltene) die Aufbereitung automatisiert erfolgen und sogar gleichzeitig die Arbeitslänge bestimmt werden. Der Motor führt wie ein Navi verlässlich durch die jeweils vorliegende Wurzelkanalanatomie, während am Touchscreen einfach eine vorprogrammierte Sequenz an Nickel-Titan-Feilen ausgewählt werden kann. Vor allem Neueinsteiger profitieren von der intuitiven Bedienbarkeit und der softwaregestützten Analyse des Kanalverlaufs durch den vollautomatischen Endomotor.
Mit der neuen HyFlex EDM OGSF-Sequenz (Coltene), die erstmals auf der IDS 2023 vorgestellt wurde, werden endodontische Eingriffe in Zukunft sogar noch ein Stückchen einfacher. Durch die festgelegte, einprägsame Reihenfolge – Opener, Glider, Shaper, Finisher (kurz: OGSF) – ist die Lernkurve für den Einsatz niedrig und bereits nach kurzer Zeit intuitiv abruf- und wiederholbar.
Fazit
Neue Technologien sorgen in der Endodontie dafür, den Praxisalltag kontinuierlich zu verbessern, einzelne Arbeitsschritte zu beschleunigen und die Behandlung für alle Beteiligten – die Zahnärzte, Fachassistenz wie auch die Patienten – angenehmer zu gestalten.
Assist. Prof. Dr. Dr. Andreea Oana Cristescu Rosu
ist selbstständig mit der Zahnklinik „Nord Vest Dental“ und als
Lehrbeauftragte an der Universität Titu Maiorescuin in Bukarest
tätig. Sie veröffentlicht Fachartikel, ist Mitglied des Berufsverbands
der Bukarester Zahnärzte und der Vereinigung der
rumänischen Endodontologen.
Foto: privat