Bestandsaufnahme

Analoger Gedankenaustausch zur digitalen Zahnheilkunde

Digitale Technologien zwingen zur Zusammenarbeit, und das ist gut so. Denn niemand überblickt in diesem Bereich wirklich alles. Darum bündeln Zahnärzteschaft, Industrie und Handel ihre Kräfte und Kompetenzen – und zwar idealerweise in einem persönlichen Gedankenaustausch.



Die digitale Zahnmedizin manifestiert sich in etablierten Verfahren, was sich allein schon darin zeigt, dass Experten harte ethische Fragen diskutieren. Denn dies ist bei disruptiven Technologien stets erst ab einem gewissen Stadium der Reife möglich. Renommierte Medizinethiker drücken es folgendermaßen aus [1]: „Die Ethik bleibt meist einen Schritt hinter der technologischen Entwicklung zurück. Dies gilt umso mehr für Innovationen, die sich nicht langsam entwickeln, sondern – wie die Digitalisierung – rasant und zugleich revolutionär und multidimensional sind.“

Prägnante Fortschritte in der Implantologie …

Die Implantologie stellt in vielerlei Hinsicht die Paradedisziplin für digitale Verfahren dar. Das Backward Planning auf der Grundlage von 2D- oder 3D-Röntgenaufnahmen, der individuelle Zuschnitt von Knochenblöcken, die Abformung mit dem Intraoralscanner und die CAD/CAM-gestützte Herstellung implantatprothetischer Arbeiten haben viele Behandlungen in diesem Bereich deutlich beschleunigt.

Auch sind die Vorgaben der Natur besser in das Behandlungsprotokoll zu integrieren. Mit digitaler Hilfe lassen sich heute zum Beispiel das biomechanische Verhalten eines Implantats im Gegensatz zu einem Zahn und die schlechtere Widerstandsfähigkeit der Mukosa bei Implantaten im Vergleich zum parodontalen Gewebe in besonderer Weise berücksichtigen [2]. Unter anderem wird ein möglichst seltenes Ein- und Ausschrauben von Implantataufbaukomponenten während der Behandlung angestrebt. Dazu haben sich individuelle, mit digitaler Unterstützung per CAD/CAM hergestellte anatomische Abutments bewährt. Denn sie lassen sich unkompliziert einsetzen und sind bereits in der ersten prothetischen Sitzung verfügbar.

… und in allen anderen Segmenten der Zahnheilkunde

Auch in anderen Teildisziplinen sorgen digitale Technologien für sicherere und/oder schnellere Behandlungen. Man denke nur an das Backward Planning in der Endodontie. Es funktioniert grundsätzlich ähnlich wie in der Implantologie. Hier wie dort können zum Beispiel Bohrschablonen gefertigt werden, damit der Operateur den Idealwinkel trifft. Darüber hinaus kann ein stärker arbeitsteiliges Vorgehen sinnvoll sein, zum Beispiel: Planung vom Endo-Spezialisten auf der Basis eines digitalen Volumentomogramms, Therapiedurchführung gemäß dieser Planung durch den Hauszahnarzt. Der Patient kann in „seiner“ Praxis bleiben.

Oder man denke an die Verbesserung der individuellen häuslichen Prophylaxe durch digitale Feedback-Systeme. Dadurch werden zum Beispiel „vernachlässigte“ Zähne aufgespürt, und der Patient wird sie anschließend nicht mehr zu putzen „vergessen“. In der Prothetik haben digitalgestützte Verfahren vollkeramische Restaurationen seit Mitte der 1980er Jahre überhaupt erst ermöglicht. Heute macht der (ebenfalls digitalgestützte) 3D-Druck bekannte Werkstoffe neuerlich attraktiv (so etwa Kobalt-Chrom-Legierungen) oder erstmals interessant (z.B. Erweiterungen im Bereich der Dental-Kunststoffe). Um das Potenzial der digitalen Zahnheilkunde optimal ausschöpfen zu können, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu zählt insbesondere die sorgfältige Einarbeitung von Praxis- und Laborteams und des zahnärztlich-zahntechnischen Teams als Ganzes. Darüber hinaus ist der Patient umfassend zu informieren, damit er seine Einwilligung in die jeweils gewählte Therapieoption auf einer fundierten Grundlage geben kann. Dabei helfen anschauliche digitale Darstellungen. Sie lassen sich mit aktuellen Software-Paketen oft direkt aus dem Dental Imaging herleiten, das ohnehin diagnostisch notwendig ist.

Darüber hinaus sollen innovative Verfahren sich auch finanziell für alle Seiten als attraktiv erweisen. So wird beispielsweise für das oben skizzierte implantologische Verfahren zur besseren Berücksichtigung des biomechanischen Verhaltens eines Implantats im Gegensatz zu einem Zahn und der schlechteren Widerstandsfähigkeit der Mukosa bei Implantaten im Vergleich zum parodontalen Gewebe eine Erhaltung der Kostenstrukturen hervorgehoben [2].


Auf die Messe, fertig, los

Das A und O jedoch stellt die Zusammenarbeit aller Beteiligten dar. Denn die digitale Zahnheilkunde entwickelt sich in immer schnelleren Entwicklungs- und Erneuerungszyklen fort [1]. Zu digitalen zwei- und dreidimensionalen Röntgenbildern kommt jetzt zum Beispiel durch Künstliche Intelligenz unterstützte Auswertungssoftware hinzu, die sich möglicherweise später auch in Backward-Planning-Verfahren integrieren lässt.
Den Überblick behält der Zahnarzt durch lebenslanges Lernen. Dazu gehört das Selbststudium ebenso wie der intensive persönliche Austausch mit dem eigenen Team, mit Kollegen und mit Zahntechnikern. Des Weiteren trägt der Besuch von Messen dazu bei, sich immer wieder upzudaten. Ein umfassendes Bild gibt im Besonderen die Internationale Dental-Schau. Hier präsentieren Industrie und Handel in einzigartiger Weise die Branchenneuheiten – Anlass für einen regen analogen Gedankenaustausch über digitale Innovationen.
„Mich beeindruckt es immer wieder, wie selbst anerkannte Behandlungsroutinen durch bahnbrechende Methoden nochmals deutlich verbessert werden – sei es durch Änderungen konventioneller Art oder durch digitale Verfahren“, sagt Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des VDDI (Verband der Deutschen Dental-Industrie). „Zum Beispiel lässt sich in der Implantologie durch die Verklebung der Sekundär- und Tertiärstrukturen von Teleskopbrücken im Mund des Patienten gegenüber dem definitiven Aufpassen auf dem Modell sowohl die Anzahl der nötigen Sitzungen reduzieren als auch die Präzision verbessern. Intraoralscanner haben die Abformung für den Patienten komfortabler gemacht und schaffen darüber hinaus, je nach der klinischen Situation, sogar noch einen Gewinn an Präzision. Das führt zu einer Versorgung, die sicherer sitzt, weniger stark verschleißt und letztlich länger getragen werden kann. Der professionelle Austausch über diese und andere Win-win-Situationen für Zahnarzt, Zahntechniker und Patient lässt sich besonders intensiv und erfolgsträchtig in einem persönlichen Gespräch auf einer Messe vornehmen. Am besten natürlich auf der Weltleitmesse der Dentalbranche, der Internationalen Dental-Schau – das nächste Mal zu ihrem 100-jährigen Bestehen vom 14. bis zum 18. März 2023 in Köln.“

Literatur
  1. Dominik Groß, Karin Groß: Ethische Herausforderungen des digitalen Wandels. ddm 2019; 6: 32–38.
  2. Friedemann Petschelt: Zeitgemäße Implantatprothetik. https://www.quintessence-publishing.com/deu/de/news/zahnmedizin/implantologie/zeitgemaesse-implantatprothetik