Digitalisierung in der Endodontie

KI für mehr Sicherheit im Wurzelkanal

Bei vielen Behandlungen werden digitale Technologien ganz selbstverständlich eingesetzt – sei es bei der Bildgebung, bei der Abformung oder auch der Behandlungsplanung. Ein Bereich in der Zahnheilkunde steht dabei noch nicht so sehr im Fokus: die Endodontie. Warum eigentlich? Dieser und weiteren Fragen gehen Prof. Simone Grandini, Dekan der Fakultät für Zahnmedizin der Universität Siena/Italien, und Dr. Marco Martignoni, Inhaber einer Privatklinik in Rom sowie Gastprofessor an der Universität Siena, im Gespräch nach.



In der Zahnmedizin wird derzeit viel über die Digitalisierung gesprochen. Welche Rolle spielt sie denn in der Endodontie?
Prof. Grandini: Eine sehr große Rolle. Wir haben in der Endodontie zwar später als andere angefangen, aber wir holen schnell auf. Und gehen noch einen Schritt weiter, wenn ich sage, dass wir auf dem Weg sind, Künstliche Intelligenz für uns zu entdecken. Es geht darum, Instrumente und Geräte zu haben, die uns eine Art Rückmeldung geben und uns somit dabei unterstützen, noch besser behandeln zu können. Digitalisierung ist zum Beispiel wichtig bei der Auswertung von Daten: Wir können ein dreidimensionales Röntgenbild mit einer digitalen Abformung matchen und daraus eine Schablone für die Behandlung entwickeln.
Dr. Martignoni: Röntgenbilder lassen sich mit entsprechender Software auf verschiedene Weise analysieren. Unter Nutzung von künstlicher Intelligenz können wir Hinweise auf mögliche Diagnosen erhalten – die Software erkennt Dinge, die wir mit bloßem Auge so schnell eben nicht erkennen. Doch das ist erst der Anfang. Ich denke, dass digitale Tools uns dabei unterstützen werden, die richtige Instrumentierung für den jeweiligen Endo-Fall zu wählen und die Kanäle noch genauer zu lokalisieren. Software, die KI nutzt, wird uns außerdem Hinweise für die Diagnosen geben. Und schließlich bedeuten Motoren mit digitaler Technologie, dass wir uns noch sicherer fühlen können, weil sie auf die Handhabung reagieren.

Das führt mich zur nächsten Frage: Geben digitale Tools Ihnen tatsächlich Sicherheit?
Dr. Martignoni: Ich denke schon, dass es vor allem für junge und weniger erfahrene Zahnärzte hilfreich sein kann, die Behandlung vorher am Computer durchzugehen. Sie können sich einfach den Fall anschauen, bevor sie ihn behandeln, die Instrumente auswählen und prüfen, welche am besten passen. Vor der Behandlung einen Plan zu haben, ist sicherlich eine gute Sache.

Welchen Einfluss können gut koordinierte Workflows darauf haben, diesen Plan mit gutem klinischen Ergebnis auch umzusetzen?
Prof. Grandini: Einen signifikanten Einfluss. Als Hochschullehrer habe ich es mit jungen Leuten zu tun, die gerade anfangen, Erfahrungen zu sammeln. Wenn sie vor der endodontischen Behandlung eine Vorstellung davon ­bekommen, wie die endgültige Restau­ration aussehen wird, hilft ihnen das in vielerlei Hinsicht: Sie haben den Endpunkt vor Augen und können Schritt für Schritt vorgehen, um diesen Punkt zu erreichen. Ich denke, je weniger Erfahrung man hat, desto mehr hilft es, ein Protokoll zu ­haben.

Spielt es dabei eine Rolle, ob das Instrumentarium komplett von einem Hersteller kommt?
Dr. Martignoni: Durchaus. Ich muss als Behandler nicht lange nachdenken, die einzelnen Komponenten und Instrumente sind aufeinander so abgestimmt, dass sie zuverlässig funktionieren.

Verlassen wir ein wenig die Gegenwart und schauen in die Zukunft. Welche Trends sehen Sie in der Endodontie in den nächsten fünf Jahren? Worauf sollten sich Zahnärzte einstellen?
Prof. Grandini: Wir sprachen schon zu Beginn kurz darüber: Für mich ist das Thema der Zukunft die Künstliche Intelligenz. Ich bin mit einer Professorin für Radiologie befreundet, und sie sagte mir, dass sie anfangs Angst vor Künstlicher Intelligenz hatte. Doch inzwischen sei ihr klar, dass Künstliche Intelligenz sie selbst niemals würde ersetzen können. Künstliche Intelligenz hat sicherlich viel Potenzial, um in der Diagnostik zu unterstützen, aber man braucht immer noch einen Menschen, der das steuert. Vielleicht gibt es eine Idee, über die man selbst noch nicht nachgedacht hat, und die KI wird sagen, dass dies eine der Möglichkeiten ist. Doch letztlich bleibt die Entscheidung bei uns, den Menschen.
Dr. Martignoni: Ich sehe noch viel Potenzial darin, die Leistungsfähigkeit der Instrumente zu steigern, etwa um die Präparation des Gleitpfads zu vereinfachen, die Anzahl der Feilen zu reduzieren oder auch das System der Spülung noch zu verbessern. Und klar: Künstliche Intelligenz wird bei der Diagnosestellung eine immer größere Rolle spielen, da stimme ich Prof. Grandini zu.
Herzlichen Dank für das informative Gespräch.

Prof. Dr. Simone Grandini 

ist Dekan der Fakultät für Zahnmedizin der Universität Siena/Italien.
Foto: Dentsply Sirona

Dr. Marco Martignoni 

ist Inhaber einer Privatklinik in Rom und
Gastprofessor an der Universität Siena/Italien.
Foto: Dentsply Sirona