Praxisportrait: Digitalisierung einer Praxis

Digitalisieren Schritt für Schritt



Seit fast 100 Jahren besteht die Praxis am Kaiserdamm 21 in Berlin-Charlottenburg. Während dieser Zeit wurde sie zirka alle 30 Jahre an einen jüngeren Zahnarzt übergeben. Nun ist es wieder soweit. Zahnärztin Maria Athanasiadou-Alevizacos gibt ihr Lebenswerk an ihren Sohn Ass.-Prof. Dr. Vasilios Alevizakos MSc. weiter. Beide arbeiten in der Übergabephase zusammen und nutzen die Zeit, um digitale Workflows zu implementieren und die Praxis zukunftssicher zu gestalten.

Vor fast 30 Jahren übernahm die Zahnärztin Maria Athanasiadou-Alevizacos die Praxis am Kaiserdamm. Als engagierte Generalistin führte sie die Praxis eigenständig und deckte alle Bereiche der Zahnheilkunde ab. Als ihr Sohn, Ass.-Prof. Dr. Vasilios Alevizakos MSc., sein Zahnmedizinstudium an der Danube Private University (Österreich) im Jahr 2018 erfolgreich abschloss, trat er in die Praxis ein. Seitdem hat sich Vieles verändert.

Mit seiner Faszination für diesen Beruf, vor allem für die orale Chirurgie und Implantologie, verlagerte sich der Fokus der Praxis auf diese Bereiche. Zudem modernisierten Mutter und Sohn die Praxisstruktur und richteten sie neu als Mehrbehandlerpraxis aus. Zwei angestellte Zahnärztinnen ergänzen nun das Behandlerteam und konzentrieren sich auf die konservierende Zahnheilkunde und Prothetik. Maria Athanasiadou-Alevizacos widmet sich überwiegend dem Controlling und Praxismanagement. Mit der nächsten Zahnarztgeneration ziehen zunehmend digitale Technologien in die Praxis ein. Schritt für Schritt werden digitale Workflows implementiert.

Herr Dr. Alevizakos, worin liegt aktuell Ihre Herausforderung?
Ass.-Prof. Dr. Vasilios Alevizakos MSc.: Momentan überwiegen die unternehmerischen Herausforderungen. Wir stehen vor erheblichen Schwierigkeiten wie Zeit- und Fachkräftemangel, während die Arbeitsbelastung stetig zunimmt. Glücklicherweise haben wir Dank unserer familiären Struktur und unserem modernen Führungsstil ein harmonisches und motiviertes Team aufgebaut. Dieser Führungsstil fördert eine positive Arbeitsatmosphäre und eine starke Unternehmenskultur, die spürbar ist. Weitere Aspekte, die unsere tägliche Arbeit beeinflussen, sind die steigenden Patientenansprüche. Durch die breite Aufklärung über zahnmedizinische Behandlungsmöglichkeiten in den Medien sind Patienten heute besser informiert und äußern ihre Wünsche konkreter. Dies stellt uns vor neue Herausforderungen, denen wir jedoch mit Professionalität und Empathie begegnen.

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen der rein zahnärztlichen Tätigkeit und dem Betrieb einer eigenen Praxis. Als Praxisinhaber trage ich nicht nur die Verantwortung für die zahnmedizinische Versorgung, sondern auch für das Management, die Motivation meines Teams und die Schaffung einer angenehmen Praxisatmosphäre. Diese Aufgabenkombination erfordert einen modernen Führungsstil, der Flexibilität, Kommunikation und Wertschätzung in den Mittelpunkt stellt.

Bitte beschreiben Sie kurz Ihr Behandlungskonzept.
Dr. Alevizakos: Unser Behandlungsansatz basiert auf dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Wir sind also stets bestrebt, die optimalen Ergebnisse mit minimalen Eingriffen zu erzielen. Dabei setzen wir auf das Prinzip des Backward-Planning. Ausgehend von der bestmöglichen Prothetik, die wir für jeden Patienten individuell definieren, planen wir die Behandlungen gezielt. Mithilfe eines Digital Smile Designs und eines Wax-ups zeigen wir dem Patienten das mögliche neue Lächeln und präsentieren anschließend die erforderlichen Schritte, um dieses Lächeln zu erreichen. Dabei berücksichtigen wir Implantate, Weichgewebechirurgie, kieferorthopädische und ästhetische Behandlungen – immer mit dem Ziel, die bestmögliche Lösung für den Patienten zu finden und alle notwendigen Schritte darauf auszurichten.

Welche digitalen Technologien kommen dafür zum Einsatz?
Dr. Alevizakos: Wir verwenden bei allen Patienten einen Intraoralscanner. Für Implantat-Patienten fertigen wir zusätzlich ein DVT an. Diese hochinformativen Bildgebungen ermöglichen es uns, den Patienten den Zustand ihrer Zähne anschaulich zu erläutern. Vor allem bei einem Total-Makeover erweist sich dies als äußerst sinnvoll. Die Visualisierung hilft den Patienten, besser zu verstehen, warum bestimmte Maßnahmen erforderlich sind, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.

Die Planung von Implantaten erfolgt grundsätzlich nach dem Guided Surgery Workflow. Mithilfe unseres 3D-Druckers fertigen wir Bohrschablonen für Fully-Guided-Implantatinsertionen an. Um unseren Patienten eine angenehme implantologische Behandlungserfahrung zu bieten, haben wir unsere Praxis in diesem Bereich soweit digitalisiert, dass wir – sofern es die Anatomie zulässt – eine Sofortimplantation mit unmittelbarer Sofortversorgung anbieten können.

Haben Sie Ihr digitales Equipment rund um die Implantologie aufgebaut oder ging es grundsätzlich um die Digitalisierung der Praxis?
Dr. Alevizakos: Die Grundidee ist, die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Wir nutzen die Digitalisierung zur Vereinfachung des Praxisalltags und natürlich auch, um unsere Arbeit zu präzisieren. Mit dem Intraoralscanner gebe ich die digitale Abformung und auch einfache Planungsarbeiten an bestimmte Mitarbeiter ab. Und dadurch, dass wir die IOS-Daten jetzt an unser Labor senden, sind wir nicht mehr an Abholzeiten gebunden und haben weniger Zeitdruck.

Außerdem erwarten wir in den kommenden Jahren mit der demografischen Entwicklung mehr ältere Patienten, die häufiger den Wunsch nach festen Zähnen äußern. Die implantologischen Versorgungen werden also komplexer. Das bedeutet, dass wir uns als Team dieser Herausforderung gemeinsam stellen und uns noch weiter spezialisieren müssen.

Haben Sie sich für einen offenen oder geschlossenen digitalen Work­flow entschieden?
Dr. Alevizakos: Wir arbeiten mit offenen Systemen. So haben wir die Freiheit, genau die Hardware zu wählen, die zu uns passt. Wir können den digitalen Workflow genau an unser Behandlungskonzept anpassen und dieses dann auch umsetzen. Wer mehr im digitalen Workflow arbeiten will, hat mit offenen Schnittstellen mehr Möglichkeiten. Ein geschlossenes System kann für diejenigen sinnvoll sein, die von vorneherein wissen, dass sie nur begrenzt digital arbeiten möchten. Dann kann man in einem geschlossenen System nicht viel falsch machen.

Aller Anfang ist oft schwer. Wie lief es bei Ihnen?
Dr. Alevizakos: Wenn man sich für die Freiheit eines offenen Systems entscheidet, hilft es, zuerst einmal die vielen Möglichkeiten auszublenden, die es bietet. Auch ich habe zunächst ganz einfach begonnen und zwar 2019 mit einem Intra­oral­scanner. Unser Team hat sich über diese Neuerungen gefreut, weil es eine Unterbrechung der Routine ist. Das Scannen kommt bei ihnen sehr gut an. Mit der Zeit und der ersten Routine bin ich mutiger und neugieriger geworden. Der Wunsch, mehr auszuprobieren war da und so kam rund drei Jahre später der 3D-Drucker dazu.

Sobald ich mich intensiv mit den Gerätschaften vertraut gemacht habe, also die Anwendung umfassend verstanden und sie vollständig in den Praxisalltag integriert habe, steige ich auf die nächste Stufe und optimiere unseren digitalen Workflow. Es wäre doch schade, wenn ich Hardware anschaffe, die ich dann nicht einmal vollständig verstanden habe und nutzen kann.

Haben Sie aus Ihren Erfahrungen den einen oder anderen Tipp für Kollegen?
Dr. Alevizakos: Die Ausgangsfrage lautet: Was brauche ich für mein Behandlungskonzept? Zu Beginn ist diese Frage oft schwer zu beantworten. Daher empfehle ich, zunächst ein ausführliches Kollegengespräch zu führen, um wertvolle Einblicke und Empfehlungen zu erhalten. Danach ist es sinnvoll, Testberichte zu lesen und in kleinen Schritten zu starten. Ich habe mich entschieden, mit einem Intraoralscanner zu beginnen. Wir nutzen ihn täglich für die Diagnostik und Abformung. Zudem ist ein Intraoralscanner unkompliziert, benötigt keine speziellen Anschlüsse oder besondere Wartung und ist mittlerweile auch preislich erschwinglich.

Es gibt immer eine Anfangsphase, in der das gesamte Team seine Lernkurve durchläuft. Wer sich dann mit Hard- und Software wohlfühlt, kann sich digital weiterentwickeln. Mit jedem neuen digitalen Equipment kann man wachsen, ohne sich überfordert zu fühlen. Auch aus unternehmerischer Sicht ist es sinnvoll, digitale Technologien schrittweise einzuführen, um finanziellen Druck zu vermeiden – von einer sofortigen Investition in ein umfassendes CAD/CAM-System würde ich persönlich abraten.

Nutzen Sie bereits Künstliche Intelligenz (KI)?
Dr. Alevizakos: Ja, wir setzen KI gezielt in unserem Praxisalltag ein. Wir arbeiten mit digitalen Assistenten zur Befundung von Röntgenbildern und bei der Implantatplanung übernimmt eine KI die Segmentierung von Kieferknochen und Zähnen. Die aktuelle Literatur zeigt, dass KI sowohl die Zeiteffizienz als auch die Genauigkeit verbessert und sie klinisch anwendbar ist. Dennoch muss, wie bei allen neuen Technologien, zunächst die Evidenzhürde überwunden werden.

Wie gestalten Sie Ihren digitalen Workflow, welche Schritte realisieren Sie in der Praxis, welche lagern Sie aus?
Dr. Alevizakos: Ich bin im engen Austausch mit meinem kooperierenden zahntechnischen Meisterlabor und analysiere jeden Fall sowohl aus medizinischer als auch aus technischer Sicht. Diese enge Zusammenarbeit ermöglichst uns, die Aufgaben effizient aufzuteilen. Ich schätze besonders die Teamarbeit im interdisziplinären Austausch und finde es bereichernd, Fälle aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Jeder trägt seinen Teil zur Umsetzung bei. So kann ich mich auf meine eigenen Schwerpunkte konzentrieren. Es ist entscheidend, dass jeder weiß, wer er ist, was er macht und welchen Beitrag er zur Gesundheitsversorgung leisten will. Aufgaben, die nicht in meinem Schwerpunkt liegen, aber dennoch notwendig sind, gebe ich an meine spezialisierten Kollegen weiter. Gemeinsam arbeiten wir dann im Behandlungsteam an Projekten wie ein „schönes Lächeln“ oder der „feste Biss“.

Sehen Sie auch Risiken eines digitalen Workflows?
Dr. Alevizakos: Moderne digitale Tools bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Diagnose und Therapie, aber sie können auch zu einer Überdiagnostik und Übertherapie führen. Entscheidend ist, sicherzustellen, dass der Patient eine indikationsgerechte Behandlung erhält. Dabei steht immer die Frage im Mittelpunkt: Was ist das Beste für den Patienten? Es geht nicht darum, die maximale Versorgung zu bieten, sondern nach dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ zu handeln. Das bedeutet, nur die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Überversorgung zu vermeiden.

Herzlichen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben.  
(emh)

 

Ass.-Prof. Dr. Vasilios Alevizakos MSc.

„Die Ausgangsfrage lautet: 
Was brauche ich für mein Behandlungskonzept?“
Ass.-Prof. Dr. Visilios Alevizacos, Berlin