Kompositblöcke im Trend?
Hochleistungskomposite lassen sich heute auch für die CAD/CAM-Technologie nutzen. Worauf es beim Setzen von Inlays, Onlays, vollanatomischen Kronen und Veneers aus Komposit ankommt, erklärt Dr. Sylvia Rahm. Ein Abrasionsproblem gebe es mit Hochleistungskompositen jedenfalls nicht, betont sie im Gespräch mit dem DENTAL MAGAZIN.
In welchen Fällen setzen Sie auf Inlays, Onlays, vollanatomische Kronen und Veneers aus Komposit?
Rahm: Man sollte grundsätzlich abwägen, ob sich eine direkt geschichtete Restauration aus Komposit weniger invasiv gestalten lässt als das gefräste Werkstück. Im Vordergrund steht für mich die substanzschonende Auswahl der Versorgungsmöglichkeit. Erst dann wähle ich eine Präparationsform, bei der Parallelität oder zumindest ein geringer Öffnungswinkel erforderlich ist, um die Abformung digital zu nehmen und das Werkstück einzusetzen. Unter sich gehende Stellen müssen ausgeblockt oder eröffnet werden. Restaurationen, die mit CAD/CAM-gefrästen Kompositblöcken (BRILLIANT Crios, COLTENE) angefertigt wurden, sind prinzipiell universell einsetzbar. Bei einer Zweitversorgung ist häufig ein Inlay, Onlay, eine Teil- bzw. Vollkrone indiziert. Ein enormer Vorteil ist, dass gefräste Kompositrestaurationen eine exzellente Dentinhaftung erreichen, so dass sich auch tief approximale Defekte gut versorgen lassen. Im ästhetischen Bereich besteht die Möglichkeit, das Veneer oder die Krone in einer ausgewählten Farbe zu fräsen und dann mit der Einsetzfarbe Akzente zu setzen. Auch Malfarben lassen sich nutzen. Bei höheren ästhetischen Ansprüchen empfehle ich, eine Veneerschale oder Krone im „Cut-back-Design“ zu fräsen. In Kombination mit einem Universalbond erreicht man so einen Verbund zur individuellen Verblendschichtung und inseriert danach das Veneer bzw. die Krone. Diese Technik ermöglicht unterschiedliche Stumpfkolorationen für ein harmonisches Ergebnis.
Bei einer Kompositrestauration ist im Fall einer Sekundärkaries zudem eine praktische Reparaturmöglichkeit in situ gegeben. Sofern die vorangegangene Restauration intakt ist, ist eine Zweitversorgung möglich, ohne die Restauration komplett zu entfernen. Dies geschieht über Sandstrahlen der alten Restauration im Mund mit Aluminiumoxid und das entsprechende Adhäsivprotokoll. Ein Hochleistungskomposit, auch als Flow-Variante eingesetzt, passt in seinen Farben optimal dazu und verfügt über vergleichbare Materialeigenschaften.
Was funktioniert mit Komposit besser als mit Keramik?
Rahm: Beim Chairside-Arbeiten mit CAD/CAM-Kompositblöcken entfällt natürlich der Brennvorgang. Die Verarbeitungszeit reduziert sich damit auf ein Minimum. Ein weiterer Pluspunkt: Der Verbund schließt nicht drei Materialien – Zahn, Kunststoff und Keramik – ein, sondern nur zwei, den Zahn und Komposit zum Einsetzen sowie als Werkstück. Der Verbund zum Kompositwerkstück ist sicher. Wenn ich sehe, wie abrasionsstabil die industriell vorgefertigten COMPONEER-Kompositschalen sind, habe ich keine Bedenken, die in der Weiterentwicklung individuell gefrästen Kompositveneers zu inserieren.
Gab es schon einmal Frakturen in Ihrer Praxis?
Rahm: Zweimal gab es Probleme mit einer Kompositschale, aber nicht aufgrund von Mängeln der Verbundschicht, ein Stein im Brötchen war der Grund des Übels. Der Schaden ließ sich direkt beheben.
Viel komplizierter gestaltet sich das bei Keramikrestaurationen, auch wenn immer neue Keramikprimer und Reparatursets auf den Markt kommen.
Patienten mit CMD und Kiefergelenkproblemen
Funktionieren die nicht? Was ist der Haken?
Rahm: Sie müssen sich erst noch beweisen. Zudem funktionieren auch Keramik-reparaturen nur mit Komposit.
Absolut genial ist der Einsatz von Komposit übrigens bei Patienten mit CMD und Kiefergelenkproblemen in der Testphase der Okklusionsfindung. Ich kann Overlays für eine Bisshebung herstellen und jederzeit etwas daran verändern. Besonders bei komplexen Fällen unter Einbeziehung der Gesamtkörperstatik, Kopfschmerzen oder MRT-kontrollierter Einstellung der Kondylen brauche ich diese Flexibilität plus die Abrasionsstabilität des Materials. Ein nicht zu vernachlässigendes Argument ist auch die gute Polierbarkeit der BRILLIANT-Crios-Restauration, sollte ein Einschleifen der Okklusion nach dem Inserieren notwendig sein. Meist erhält man mit Polieren nicht den Glanz einer Keramik zurück, wie er nach dem Glanzbrand war.
Stichwort Befestigung
Stichwort Befestigung: Von Dezementierungsproblemen ist im Zusammenhang mit Kompositblöcken häufig die Rede. Was ist da dran?
Rahm: Ich denke, die heutigen Adhäsivsysteme wie ONE COAT 7 UNIVERSAL sind sehr gut aufeinander abgestimmt und verlässlich. Natürlich sollten eine gewisse Makroretention bzw. Parallelität der Präparation sowie die Einhaltung eines Ferrule-Effektes gegeben sein. Wir müssen uns streng an das Protokoll des adhäsiven „Zementierens“ halten, das Kofferdam, Speichelfreiheit und Blutungsfreiheit zwingend erfordert.
Worauf kommt es an?
Rahm: Wichtig ist das erneute Anrauen bzw. Schaffen einer Mikroretention durch Aluminiumoxidstrahlen (Rondoflex, Rocatec) des Werkstücks nach der Anprobe, sowie das Beachten eines Katalysators im Bonding bei Restaurationen mit größerer Schichtdicke – insbesondere Teilkronen – und eines dualhärtenden Befestigungszements. Das Einsetzen mit rein lichthärtenden Flowables oder Kompositmaterialien ist bei großer Werkstückdicke kontraindiziert. Restaurationen mit dünneren Schichtdicken von bis zu drei Millimetern wie Inlays oder Veneers können dagegen direkt mit einem Universalkomposit eingesetzt werden wie BRILLIANT EverGlow: Das Material ist weich genug, um das Werkstück mit etwas Druck einzufügen, und perfekt fest, um Überschüsse zu entfernen, ohne dass sich dünne Fahnen in den Approximalraum ziehen. Das Versäubern ist ein Kinderspiel im Vergleich zu Flowables. Auch lassen sich kleine Farbkorrekturen mit dem Einsetzmaterial vornehmen, die bei High-Transparency-Blöcken beispielsweise durchschimmern können.
CAD/CAM-Komposite werden häufig auch als Hybridmaterialien bezeichnet. Was ist der Unterschied zu Hybridkeramiken?
Rahm: Anders als die Keramikblöcke, die aus Leuzitkeramik (IPS Empress CAD) oder Lithiumdisilikatkeramik (IPS e.max CAD) bestehen, sind Hybridkeramiken aus einer Harzmatrix (Methacrylate) gefertigt, in die Bariumglas, Zirkoniumsilikat, Zirkonoxid oder Silica in unterschiedlichen Mischungen eingefügt wird. Dadurch entsteht die Härte des Materials, es behält jedoch seine Elastizität im Gegensatz zur Sprödigkeit von Keramik. Der E-Modul nähert sich somit eher an die natürliche Zahnsubstanz an. Aufgrund der offenen Bindungen in den Methacrylaten ist ein Adhäsivverbund ohne Silanisierung möglich. Die im Universalbond ONE COAT 7 UNIVERSAL enthaltenen Phosphorsäure-/Carbonsäuregruppen wie MDP(P/C) erzeugen einen guten Verbund zu den Füllern über ionische Wechselwirkungen. Zusätzliche bifunktionale Monomere im Bonding generieren einen guten Verbund zu der Harzmatrix der Restauration. Auf ein Silan wird wegen der schlechteren Haftung an der Harzmatrix bewusst verzichtet.
Abrasionsprobleme
Kommen wir zu den häufig beklagten Abrasionsproblemen bei monolithischen Kompositkronen. Wie ist Ihre Erfahrung?
Rahm: Seit ich moderne Hochleistungskomposite verwende, habe ich keine Füllung mehr wegen Abrasion oder okklusalen Höhenverlusts austauschen müssen. Das bezieht sich nicht nur auf kleine grazile ein- oder zweiflächige Füllungen, sondern auch auf größere Okklusalflächenfüllungen. Von den Vorteilen flexibler Komposite in Bezug auf Biegefestigkeit, dentinähnlichen E-Modul und geringere Sprödigkeit im Vergleich zur Keramik profitieren wir täglich in der Praxis. Selbst aus der Endodontie ist der Kompositaufbau nicht mehr wegzudenken. Metallstifte und zu harte Keramikstifte werden eher obsolet, stattdessen suchen wir immer mehr nach biomimetischen Materialien, die die Ästhetik einbinden. Für mich ist Abrasion immer eine Frage von Funktion.
Nicht des Materials? Bitte erläutern Sie das.
Rahm: Bei einer gut eingestellten Okklusion halten CAD/CAM-Kompositblöcke der Abrasion stand. Wir stellten fest, dass einige Patienten mit Teleskoparbeiten und Totalprothesen massive Abrasionen an den Kunststoffzähnen aufweisen, andere dagegen nicht.
Worauf führen Sie das zurück?
Rahm: Wie gesagt, nicht auf das Material. Das A und O ist eine stabile Okklusion ohne Frühkontakte und Balancen. Eine gute und gleichmäßige Fronteckzahnführung ist ein Muss. Bei Habits, Schnarchen, Bruxismus oder CMD braucht es Schienen – genau wie beim natürlichen Gebiss. Denn auch der natürliche Zahnschmelz hält dem nicht stand. Belastungsstudien bei verschiedenen Werkstoffen zeigen, dass BRILLIANT Crios im Vergleich zu (Hybrid-)Keramiken ein optimales Verhältnis von Abrasion und antagonistenschonendem Verhalten aufweisen.
Reduktion des Chippingproblems
Reduzieren Kompositblöcke das Chippingproblem?
Rahm: Definitiv. Studien belegen, dass Kompositblöcke deutlich schärfer und präziser insbesondere in dünn auslaufenden Rändern zu fräsen sind als Keramikblöcke. Beim Vergleich sollte jedoch beachtet werden, dass auch gefräste keramische monolithische Kronen kaum noch Chippingprobleme aufweisen. Eine Fraktur entsteht eher bei Überbelastung oder ungenauer Bearbeitung und Überhitzung des Materials. Die Ästhetik wird dann durch Malfarben erreicht.
Dennoch empfinde ich insbesondere eine monolithische Zirkonkrone als zu hart und fest für einen Antagonisten. Kann ein Patient sich keine Keramikversorgung leisten, plädiere ich eher für eine Kompositlösung. Chipping haben wir nur noch wenig bei Zirkonkronen oder Metallkronen, die keramisch verblendet werden, wenn das anatomische Fräskäppchen nicht ganz kongruent verläuft oder die Verarbeitung nicht präzise genug war. Dies ist aber kein Grund, diesen Kronen den Rücken zu kehren. Ganz im Gegenteil: Keramische Verblendmassen sind dem Zahn in seiner Härte und dem Abrieb deutlich näher als Zirkon allein.
Kostengünstiger als Keramik
Sind Kompositkronen kostengünstiger als Keramik?
Rahm: Ja, auch wenn sich die Frage stellt, was genau verglichen wird, hochästhetische Keramikkronen, Zirkonvollkronen gefräst und bemalt, Kompositkronen oder Komposit-Cut-back-Käppchen gefräst mit nachfolgender individueller Kompositverblendung. Im Idealfall muss man immer individuell entscheiden, welche Lösung dem ästhetischen Anspruch des Patienten entspricht, welche Versorgung medizinisch sinnvoll ist und welche Kosten der Patient tragen kann. CAD/CAM-Kompositblöcke erweitern das Behandlungsspektrum und ersetzen nicht nur Materialien, die bereits erfolgreich im Einsatz sind. Der Zahnarzt kann dank BRILLIANT Crios chairside oder mittels Labor eine höherwertige Kompositrestauration ermöglichen als durch die direkte Technik. Der Trend geht sicherlich unter anderem auch dahin, neue Kronen im Sinne einer Erstversorgung durch minimalinvasive Techniken zu vermeiden. Gerade im Teilkronenbereich sehe ich hier deutliche Vorteile mit kompositbasierten Lösungen.
Die meisten Misserfolge sind der Adhäsivtechnik geschuldet. Worauf kommt es an? Was ist bei der Präparation zu beachten?
Rahm: Die Frage ist, wie schaffe ich ein trockenes und blutungsfreies Umfeld zum Einsetzen bei der Adhäsivtechnik. Wo lege ich meine Präparationsgrenze? Ideal wäre dies supragingival, aber habe ich immer die richtigen Voraussetzungen? Wichtig ist, eine übersichtliche Präparation zu haben, die gut digital oder herkömmlich abzuformen ist. Sollten gewisse kariöse Läsionen zu weit unter sich gehend sein oder zu tief liegen, sollte man die Margin-Elevation-Technik zu Hilfe nehmen.
Margin-Elevation-Technik
Wie funktioniert die Technik?
Rahm: Dabei füllt man tiefe Areale vorerst mit einem Universalkomposit und legt den Präparationsrand dann supragingival. Vor dem Einsetzen kann die Füllung erneut sandgestrahlt werden und mit einem Universalbond den Verbund zum Werkstück erhalten. Bei chemisch aufeinander abgestimmten Materialien wie etwa BRILLIANT Crios und dem entsprechenden Bondingsystem wird der Verbund auf mehrere Arten gesichert:
- Erstens entstehen Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den NH-/OH-Gruppen der Harzmatrix und des Bondings.
- Zweitens bilden sich durch die offenen Bindungsstellen des Komposits feste Verkettungen zwischen Bonding und Werkstück aus, die als Entanglements oder Verschlaufungen bezeichnet werden.
- Drittens kann das Adhäsiv in die aufgeraute Oberfläche der Restauration eindringen und sich mit den noch unpolymerisierten Doppelbindungen verbinden. Dadurch entsteht ein chemisch stabiler und fester Verbund.
Der Verbund ist jedoch nur möglich bei präziser Handhabung der Materialien, d. h., Einwirkzeiten sind unbedingt einzuhalten. Ein sauberes Arbeitsfeld unter Kofferdam ist ebenso unerlässlich. Generell sollte man bei der Präparation scharfe Kanten vermeiden, eine okklusale Mindesttiefe von 1,5 mm einhalten, einen Angulationswinkel von vier bis sechs Grad anstreben sowie so wenig invasiv wie möglich arbeiten.
Ihr Fazit?
Rahm: Ich ziehe bei Einzelzahnrestaurationen immer haufiger Komposit vor. Das gilt auch für Inlays, Onlays, Teilkronen und monolithische Arbeiten. Die Chairsideverarbeitung ist schnell, sauber und optimal.
Dr. Sylvia Rahm
ist seit 2001 niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis in Idstein. Ihre Spezialgebiete sind vor allem die Ästhetische Zahnheilkunde und die Funktionsanalyse und Therapie.
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