Hybridkeramik für Gewichtheber
Werden die Zähne zusammengebissen, wirken Kräfte von bis zu 800 Newton; vor allem bei Menschen, die hohem Stress ausgesetzt sind oder intensiv körperlich trainieren, kann dies der Fall sein. Ein Patientenfall mit Fraktur an einer Vollkeramikkrone zeigt, welche Vorteile eine neue Hybridkeramik hier bietet.
Stress und hohe Anforderungen bringen uns unwillkürlich dazu, buchstäblich die Zähne zusammenzubeißen. „Mit den Zähnen können wir Kraft wie ein Gewichtheber entfalten“, ist auf der Internetseite eines Kollegen zum Thema Zähneknirschen und Bruxismus zu lesen. Kräfte von bis zu 800 Newton können beim Zähnepressen auf das Kauorgan wirken. Der normale Kaudruck beträgt in der Regel nur etwa 20 bis 30 Newton.
Betroffen sind häufig bestimmte Berufsgruppen wie jene, die viel am Computer arbeiten, und auch Menschen, die intensiv körperlich trainieren – Jogger, Biker, Bodybuilder und eben auch Gewichtheber selbst. Das physiologische Maß wird beim unbewussten Pressen mit den Oberkiefer- und Unterkieferzähnen bei Weitem überschritten. Aber nicht nur natürliche Zahnsubstanz, auch Restaurationsmaterialien kommen bei mechanischer Überbelastung an ihre Grenzen. Bei dem hier vorgestellten klinischen Fallbeispiel führte dies zur Fraktur einer Vollkeramikkrone.
Bei dem Patienten handelt es sich um einen Gewichtheber. Er stellte sich in der Praxis wegen einer Fraktur an der vestibulären Wand seiner vollkeramischen Kronenversorgung in regio 25 vor (Abb. 1). Er wünschte sich eine metallfreie Neuversorgung. Um besonders zeiteffizient zu einem Resultat zu gelangen, wurde geplant, die Behandlung chairside mit dem CEREC-System durchzuführen.
Bei der Materialauswahl empfahl sich das neue VITA Enamic, das hinsichtlich der werkstoffkundlichen Zusammensetzung sowie seiner mechanisch-physikalischen Eigenschaften – vereinfacht ausgedrückt – eine Kombination aus Keramik und Komposit ist. Die Hybridkeramik stellt eine neue Werkstoffgeneration dar. Die duale Netzwerkstruktur besteht aus einem dominierenden keramischen Netzwerk, das zusätzlich durch ein Polymernetzwerk verstärkt wird. Hierbei wird das Prinzip von Verbundwerkstoffen verfolgt, das heißt, beide Netzwerke durchdringen sich gegenseitig. Hierdurch ist neben hoher Belastbarkeit auch eine besondere Elastizität gewährleistet.
Minimalinvasive Versorgungen
Das Indikationsspektrum von VITA Enamic umfasst daher nicht nur klassische Einzelzahnrestaurationen (Inlays, Onlays, Veneers und Kronen), sondern auch minimalinvasive Versorgungen und Versorgungen in Bereichen mit hoher Kaukraftbelastung. VITA Enamic wird in der Geometrie EM-14 (12 × 14 × 18 mm) angeboten und ist in den Transluzenzstufen HT (High Translucent) und T (Translucent) sowie jeweils in den fünf VITA System 3D-Master-Farben 0M1, 1M1, 1M2, 2M2 und 3M2 erhältlich. VITA Enamic kann mit dem CEREC- beziehungsweise inLab-MC XL-System von Sirona ab der Softwareversion 4.0 verarbeitet werden.
Nach Entfernen der frakturierten Krone erfolgte eine keramikgerechte Nachpräparation des Pfeilerzahns in regio 25 (Abb. 2). Der digitale Abdruck (Abb. 3) erfolgte mit der CEREC AC Aufnahmeeinheit und der Bluecam. Zur Konstruktion der Krone (Abb. 4) wurde die Funktion „Biogenerik“ in der CEREC 3D-Software benutzt. Es wurde hier ein Okklusionsregistrat benutzt.
Automatische Rekonstruktion
Auf einen Scan des Gegenkiefers wurde verzichtet. Die biogenerische Rekonstruktion der Okklusalflächen basiert auf einem mathematischen Verfahren und erlaubt es, die individuelle Zahnmorphologie des Patienten, ausgehend von der Morphologie der noch vorhandenen natürlichen Restbezahnung, automatisch zu rekonstruieren.
Die Einstellung der Okklusion von Seitenzahnkronen mithilfe des zentrischen Okklusionsregistrats und die automatische Anpassung der Kronenokklusion an den Antagonisten durch die 3D-Software sind als sehr gut zu bewerten. Manuelle Korrekturen durch den Anwender sind aber in jedem Fall bei Bedarf möglich. Die Abbildungen 5a und 5b zeigen die fertig konstruierte Krone in der Schleifvorschau. Entsprechend den Farbnahme im Patientenmund (Stumpffarbe 4L2,5/Zahnfarbe 3M2) wurde ein Block der Farbe 3M2 für die Fertigung der Krone gewählt. Für die Nachbearbeitung bzw. Charakterisierung von Restaurationen aus VITA Enamic in der Zahnarztpraxis stehen das VITA Enamic Polishing Set clinical und das VITA Enamic Stains Kit zur Verfügung.
Das Polier-Set umfasst insgesamt acht Polierer für das Winkelstück, vier für die Vor- und vier für die Hochglanzpolitur. Darüber hinaus gibt es ein Malfarben-Set. Dazu gehört neben sechs Malfarben auch VITA Enamic Glaze für die Oberflächenversiegelung.
Die Malfarben und die Glasur sind lichthärtend und sehr leicht zu verarbeiten. Die definitive Befestigung der passgenau gefertigten Krone im Patientenmund (Abb. 6 und 7) erfolgte mit Multilink Automix (Ivoclar Vivadent), da VITA Enamic nach adhäsivem Verbund mit der Restzahnsubstanz hoch belastbar ist.
Erfahrungsgemäß lassen sich digitale Konstruktionen sehr schnell aus den neuen VITA Enamic-Blöcken ausschleifen. Dabei werden präzise, kantenstabile und damit detailgetreue Schleifergebnisse erzielt. Nach dem Schleifen liegt eine außergewöhnlich gute Oberflächenqualität vor, die die weitere manuelle Nachbearbeitung vereinfacht und verkürzt.
Politur, Bemalung und Glasur erfolgen mit den zugehörigen Sets besonders schnell und einfach. Jegliche Brandführung wie beispielsweise ein Glasurbrand entfällt. Von den Patienten geht, wie auch in dem hier vorgestellten Fall, ausschließlich positives Feedback ein. Neben einer natürlichen Ästhetik fällt die zungenglatte Oberflächengüte des Restaurationsmaterials auf, die zu einem hohen Tragekomfort beiträgt.
Aufgrund des speziellen Werkstoffkonzepts und der damit verbundenen physikalischen Kenndaten wie beispielsweise einem Elastizitätsmodul von 30 GPa und einem Weibull-Modul von 20 et cetera ist VITA Enamic gegenüber Scher- und Druckkräften des stomatognathen Systems viel unempfindlicher als viele traditionelle CAD/CAM-Keramiken. Damit bietet es – ungeachtet der offiziellen Herstellerfreigabe ausschließlich für Patienten mit Normofunktion – besonderes Potenzial für bestimmte Risikogruppen wie Patienten, die knirschen und pressen.
ZA Hermann Loos ist Zahnarzt und Facharzt für Stomatologie. Seit 1991 führt er als niedergelassener Zahnarzt seine eigene Praxis in Chemnitz. Seit mehr als zehn Jahren ist er CEREC- und inLab-Anwender. Er referiert im In- und Ausland zu CAD/CAM-Themen und veröffentlicht Artikel zu diesem Themenbereich.