Die Zukunft des 3D-Drucks


3D-Druck

Konstruktion eines Kinns mittels 3D-Druck © Deutscher Ärzteverlag/Barfuß


Seit mehr als einem Jahr sind Sie Präsident der Fachgesellschaft für 3D-Druck in der Medizin. Wie schätzen Sie die Relevanz des 3D-Drucks in der Zahnmedizin ein?
Al-Nawas: Der 3D-Druck ist ein großes Thema in der Kieferorthopädie für Schienen sowie in der Implantologie und Endodontie für die geführte Schablonentechnik. Es ist überraschend zu sehen, wie viele neue Entwicklungen es in diesem Bereich gibt. Allein die Übersicht der Drucker und dass sie in den meisten zahntechnischen Laboren schon Einzug erhalten haben, ist beeindruckend.

Welche zahnmedizinischen Bereiche sind besonders prädestiniert für den 3D-Druck?
Al-Nawas: In der Kieferorthopädie wird der 3D-Druck sich vermehrt durchsetzen; der Druck von Schienen ist heute schon quasi Standard. Und der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg wird seine Schablonen künftig in der eigenen Praxis drucken und die Herstellung nicht mehr außer Haus geben. Davon bin ich überzeugt.
Goetze: In größeren niedergelassenen Zahnarztpraxen mit implantologischem Schwerpunkt wird der 3D-Druck auch bereits breit eingesetzt. Denn die Inhousefertigung von Schablonen und Co. rechnet sich. Wurden solche Arbeiten in der Vergangenheit outgesourct, lassen sie sich bereits heute mit geringem Aufwand und geringen Kosten in der Praxis durchführen. Das gilt auch für Provisorien und Brücken. Weitere Einsatzgebiete sind Knirscher- und Aufbissschienen sowie Modelle für den OP-Bereich. Für die kleinere niedergelassene Praxis ist der 3D-Druck aus meiner Sicht momentan aber noch zu teuer.

Stichwort „gedruckte Provisorien“: Könnte das bald Standard sein?
Al-Nawas: Das wird kommen. Aber ich bin mir sicher, dass die Frage nach Provisorien- und Chairside-Drucken noch ein bisschen Zeit hat. Vielleicht wird das zunächst in Labors realisiert.
Schon auf der IDS 2017 wurde der 3D-Druck von Onlays und Totalprothesen angekündigt. Was sind die Vorteile und wo hapert es noch?
Goetze: Gedruckte Totalprothesen sind zwar schon zu haben, aber derzeit noch nicht so funktional wie klassisch hergestellte. Der Grund: Eine Funktionsabformung oder die Registrierung von Kieferbewegungen im Gesicht ist noch nicht digital möglich. Die Genauigkeit ist aber gegeben und vergleichbar mit laborgefertigtem Zahnersatz. Auflösungen bis in den niedrigen Mikrometer‧bereich lassen sich gut drucken. Die Vorteile des Druckens zahntechnischer Arbeiten liegen vor allem im Einsparen der Laborarbeit und der Vereinfachung in der Materialhandhabung.

Was wird am häufigsten gedruckt?
Goetze: Modelle, zum Beispiel von geplanten Zähnen. Der Vorteil: Wenn kein klassisches, sondern ein digitales Wax-up erstellt wird, kann man das Modell einfach ausdrucken.

Welche Entwicklungen gibt es bei den Materialien?
Al-Nawas: Da tun wir uns derzeit noch schwer. Dr. Marcus Seiler, Filderstadt, hat in seinem Vortrag „Titangitter und die Zukunft“, auf dem 3D-Kongress in Mainz gezeigt, dass sich irgendwann Titan durch Magnesium ersetzen lässt. Natürlich ist das noch mit einem großen Fragezeichen versehen, aber dadurch kann das Material resorbierbar werden.
Goetze: In der Implantologie werden derzeit vor allem Kunststoff, aber auch biokompatible Materialien verwendet. Beim Druck von Provisorien oder Brücken dominiert Kunststoff. Es gibt auch schon Fertigungsverfahren für Metalle, die in der Haltung und Pflege jedoch sehr zeit- und geldaufwendig sind. In der Niederlassung finden sie daher keine Anwendung.

Bioprinting ist ein besonders spannendes Thema …
Al-Nawas: … auf jeden Fall! Mediziner und Biologen denken mit Blick auf den 3D-Druck sofort an Bioprinting. Das Prinzip: Man nimmt eine Spritze mit einem Hydrogel, in dem sich Zellen befinden, und druckt Gewebe in situ, also in den Körper, oder druckt ein Objekt. Im Tiermodell lassen sich Gefäße bereits drucken.

Welche Bedeutung hat Bioprinting in der Zahnmedizin?
Al-Nawas: In der Zahnmedizin können wir uns gut vorstellen, Knochen oder Weichgewebe irgendwann am 3D-Drucker herzustellen. Aber wir wollen keine falschen Versprechungen machen. Wenn das in zehn Jahren möglich sein sollte, wären wir alle glücklich.

Den richtigen Drucker zu finden, ist nicht einfach. Wie soll ein niedergelassener Zahnarzt vorgehen?
Al-Nawas: Jeder Zahnarzt muss entscheiden, welche Anwendungen er in seiner Praxis nutzen möchte, und sich entsprechend informieren. Viele Hersteller bieten Gesamtpakete an – vom Scanner bis zum Drucker. Die Anschaffung eines 3D-Druckers sollte stets an ein Konzept geknüpft sein. Der Zahnarzt in der Praxis wird meist der Einzelanfertigung unterliegen. Spannender ist es, wenn er größere Teile herstellt und sie an seine Kollegen weitergibt. Auch für technische Labors wird es spannend: Werden diese jetzt zum Hersteller?
Goetze: Wichtig bei der Druckerauswahl ist auch das Kriterium der Biokompatibilität in Kombination mit der Anwendbarkeit. Möchte man ein Modell eines ganzen Schädels drucken, reicht ein kleiner Drucker mit einem Bauraum von zirka 15 cm nicht aus. Für den Bereich der Zahnmedizin hingegen genügt ein solcher Drucker in den meisten Fällen.

Ist der Besitz eines 3D-Druckers die Zukunft für den niedergelassenen Zahnarzt?
Al-Nawas: Ich bin mir sicher, dass die Praxis der Zukunft einen 3D-Drucker besitzen wird. Aber wir loten heute erst die Indikationen aus. Zunächst wird es aber ein Teil von Praxen, die Spaß an der Technik haben und an der Weiterentwicklung teilhaben möchten.

Zurück zum Material. Kann Ihrer Meinung nach Magnesium eine Option sein?
Al-Nawas: Die Frage ist: Wie kontrolliert man das Material? Was passiert beim 3D-Druck? Wie funktioniert die Lagerung? Es stellt sich auch die Frage nach der Zertifizierung oder nach dem biologischen Hintergrund, da beim Abbau Wasserstoff entsteht. Die ersten Titanlegierungen hingegen sind bereits zugelassen und werden für Schrauben genutzt. Ich glaube, da brauchen wir noch ein bisschen Zeit.

 

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