Zahnseide zu aufwendig?
„Zahnseide ist mir zu aufwendig.“ Diesen Satz hören Deutschlands Zahnärzte sehr häufig, und zwar nicht nur von jungen Patienten. Doch Zähneputzen allein reicht nicht, nur 60 Prozent der Zahnoberfläche werden damit erreicht. Und selbst wenn ein Patient Zahnseide nutzt, bleibt das Ergebnis häufig mangelhaft. Welche Lösungen bieten sich an? Das DENTAL MAGAZIN fragte Prof. Dr. Michael Noack, Köln.
Angeblich werden die Zahnzwischenräume beim Zähneputzen sträflich vernachlässigt. Ist das den Menschen überhaupt bewusst? Was kann die Zahnarztpraxis tun?
Noack: Ich empfehle, vor einem Zahnreinigungstermin die Zähne so zu reinigen, wie man es 365 Tage im Jahr schafft. Der Zahnarzt prüft, ob dieses Niveau reicht, um gesund zu bleiben. Wer Zahnseide perfekt nutzt und ohne weitere Hilfsmittel die Zahnzwischenraumreinigung meistert, benötigt keine weiteren Hilfsmittel.
Angeblich schafft das nur jeder vierte Erwachsene …
Noack: Aus meiner klinischen Erfahrung gelingt es noch deutlich weniger Menschen, sich mit wirklich plaquefreiem Zahnzwischenraum zu präsentieren. Aber es gibt Lösungen. Den neuen Sonicare AirFloss Ultra (Philips) halte ich für eine interessante Alternative.
Die AirFloss-Methode ist ja nicht neu. Welche Daten belegen den Erfolg?
Noack: Daten haben wir nur vom neuen AirFloss Ultra gesammelt, nicht von dem Vorgängermodell. Aber die neuen Daten überzeugen. Und wir sind wirklich mit Skepsis an die Studie herangetreten.
Was hat Sie überzeugt?
Noack: Wir haben richtig sehen können, wie der AirFloss Ultra Plaque-Biofilm wegschießt. Und dieser Effekt lässt sich messen.
Was konkret haben Sie gemessen? Was war das Studienziel?
Noack: Es sollte herausgefunden werden, ob Philips Sonicare AirFloss Ultra im Vergleich zu Zahnseide
- erstens ebenso effektiv bei der Reduktion von Plaque-Biofilm im Approximalraum ist und
- weitens eine gleich hohe Effektivität bei der Reduktion klinischer Entzündungszeichen aufweist wie Zahnseide.
Und?
Noack: Die Plaque-Biofilm-Entfernung mit dem AirFloss Ultra erfolgt über einen Dreifach-Sprühstoß. Für diese Studie wurde der Flüssigkeitstank des Geräts mit Wasser befüllt. Die Kontrollgruppe verwendete Zahnseide. Insgesamt haben 32 Probanden an der randomisierten, einfach-verblindeten Pilotstudie teilgenommen. Alle Studienteilnehmer putzten sich hochmotiviert mit einer Zahnbürste die Zähne, schaffen es aber nicht, sich regelmäßig die Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Interdentalbürsten zu säubern. Und das ist genau die richtige Zielgruppe. Die Patienten wurden nach einer kurzen Einweisung gebeten, vier Wochen lang das ihnen zugeteilte Verfahren einmal täglich anzuwenden.
Zu welchen Studienergebnissen sind Sie gekommen?
Noack: Beide Verfahren, Zahnseide und AirFloss Ultra, entfernen Plaque-Biofilm gleich gut. Aber Zahnbelag ist keine Krankheit. Deshalb wurde am ersten Untersuchungstag ebenfalls der Papillen-Blutungs-Index (PBI) bestimmt. Nach einer vierwöchigen täglichen Anwendung wurden die Probanden wieder einbestellt und der Papillen-Blutungs-Index wurde erneut ermittelt. Jetzt waren praktisch alle Probanden unter AirFloss-Ultra-Anwendung entzündungsfrei. Somit war die präventive Wirkung, das primäre Studienziel Entzündungsfreiheit, erreicht, von AirFloss Ultra genauso gut wie bei Zahnseide – wenn beide Verfahren täglich angewendet werden.
Ohne Compliance werden Patienten auch Sonicare AirFloss Ultra nicht nutzen. Was meinen Sie?
Noack: Die Methode erleichtert die Zahnzwischenraumreinigung, und hier sehe ich einen enormen Bedarf. Sowohl bei Approximalkaries als auch bei Parodontitis besteht ein hoher Bedarf an Plaque-Biofilmkontrolle im Zahnzwischenraum. Und es ist die Aufgabe der Wissenschaft, Geräte und Technologien zu fördern, die dazu beitragen, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern.
Ist die nachweisliche Zunahme der Parodontitis auch auf mangelhafte Zahnzwischenraumreinigung zurückzuführen?
Noack: Nein, das wäre zu einfach. Das Thema ist komplexer. Ursachen der Parodontitis sind vielschichtig, viele Faktoren spielen eine Rolle, von der Genetik bis hin zu Systemerkrankungen.
Ist das neue Gerät speziell auch etwas für Ältere?
Noack: Ja, weniger das Alter der Patienten ist eine Begrenzung als die Zahnzwischenraumgröße. Wir haben im Rahmen der Studie die Approximalräume entsprechend den Vorgaben gemessen, die man zur Auswahl von Zahnzwischenraumbürsten benutzt. Ergebnis: Der AirFloss funktioniert in allen Bereichen, in denen sich Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten anwenden lassen, besonders gut in den kleinsten.
Wie kommen Bracketträger damit klar?
Noack:
Stichwort Mundduschen, was ist ähnlich, was ist anders?
Noack:
Das sehen die Mundduschenhersteller aber anders.
Noack:
Ist eine Mundspülung eine Alternative?
Noack:
Würden Sie Patienten mit aggressiver Parodontitis zum AirFloss und Verzicht auf Zahnseide raten?
Noack: Die Frage ist falsch formuliert, die meisten brauchen auf nichts zu verzichten, weil die meisten Menschen gar keine Zahnseide benutzen. Sie nutzen AirFloss, statt nichts zu nehmen. (ab)
Prof. Dr. Michael Noack ist Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsklinik Köln.
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