Prophylaxe

Allround-Zement

Durch die simple Auswahl eines entsprechenden Flüssigkeitskolbens deckt ein neuer Zement viele Indikationen ab, von der (Aufbau-)Füllung über Unterfüllungen und Stumpfaufbau bis hin zum Befestigen von Restaurationen. Über die Qual der Wahl bei der Auswahl des richtigen Zements sprach das DENTAL MAGAZIN mit Klaus Peter Hoffmann. Der Zahnarzt und Zahntechniker ist Leiter der Wissenskommunikation bei VOCO, Cuxhaven.



Maximales Ergebnis mit geringem Aufwand − so lautet die Devise der Praktiker. Inwieweit hilft hier der richtige Zement?
Hoffmann:
Zahnärzte verwenden seit Jahrzehnten sehr unterschiedliche Zemente für die verschiedensten Indikationen. Die Weiterentwicklung bestehender Materialien und die Einführung völlig neuer Produkte auf Kompositbasis bieten dem Praktiker heute eine große Auswahl. Weiterentwicklungen aus der Glas­ionomerforschung und moderne Kapselsysteme ermöglichen das Abdecken gleich mehrerer Indikationen. IonoSelect deckt durch die simple Auswahl des entsprechenden Flüssigkeitskolbens nicht nur (Aufbau-)Füllungsindikationen ab, sondern auch das Zementieren von Restaurationen.

Welche Rolle spielen die Langzeitergebnisse bei der Produktauswahl?
Hoffmann:
Neben positiven Erfahrungswerten sicherlich die größte. Zahnersatz muss nicht zwingend adhäsiv befestigt werden. Glas­ionomerzemente und deren Weiterentwicklung, die kompositverstärkten Glasionomerzemente (RMGIC), sind erprobt und über viele Jahre bewährt. Die kompositbasierten Zemente, die bei der sogenannten adhäsiven Befestigung zum Einsatz kommen, überzeugen allerdings mit einer deutlich erhöhten Haftkraft gegenüber den vorgenannten Produkten. Bei allen Restaurationen, die hochbelastet sind und eine kleine Klebefläche aufweisen, ist die adhäsive Befestigung die absolut richtige Wahl. Weiterhin gibt es Keramikrestaurationen, die ausschließlich adhäsiv befestigt werden dürfen.

Kommen wir zu den Füllungen …
Hoffmann:
Indirekte Füllungen wie Inlays und Onlays zeigen eine deutlich kleinere Klebefläche auf als z. B. Kronen. Auch fehlt die sogenannte Bandhaft. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Forderung nach substanzschonender Präparation und minimal­invasiver Therapie erfüllt wurde. Dann werden Zemente benötigt, die auch auf kleinster Klebefläche eine zuverlässige Verbindung zwischen der Restauration und der Zahnhartsubstanz gewährleisten. Daher ist dann die adhäsive Befestigung die richtige Methode für langlebiges und zuverlässiges Zementieren.

… und Unterfüllungen
Hoffmann:
Unterfüllungen, der Name ist Programm, werden immer überschichtet. Sie brauchen daher keine hohe mechanische Festigkeit, sondern müssen zuverlässig am Dentin haften. Glasionomerprodukte mit ihrer Eigenhaftung am Zahn, sind dafür perfekt geeignet, aber auch Flow-Komposite oder Hybridprodukte aus Komposit und Calciumhydroxyd zeigen ausgezeichnete Ergebnisse. Da bestimmen die Vorliebe des Anwenders und die Indikation die Produktauswahl. Phosphatzemente sollten für diese Aufgabe, insbesondere bei tiefen Kavitäten, allerdings nicht mehr zur Anwendung kommen. Der initiale Säurestoß ist, insbesondere pulpanah, als kritisch zu betrachten.

Stumpfaufbauten werden nach dem Aushärten des Aufbaumaterials präpariert. Worauf muss man achten?
Hoffmann:
Der Aufbau muss sich unbedingt wie Dentin beschleifen lassen, sonst werden sich regelmäßig an den Stoßstellen zwischen Aufbau und Zahnhartsubstanz Ein- bzw. Auslaufränder zeigen, die durch den Übergang des Präparationsdiamanten vom weicheren zum härteren Material bzw. umgekehrt hervorgerufen werden.

In welchen Fällen zieht man konventionelle Zemente Kompositen und adhäsiven Befestigungsmaterialien vor?
Hoffmann:
Das richtet sich nach den persönlichen Vorlieben und dem jeweiligen Praxiskonzept. Generell lässt sich heute jede Restauration adhäsiv befestigen und somit kann die Zahl der vorzuhaltenden Produkte gegenüber einem Konzept, das mehrere Produktklassen vorsieht, deutlich reduziert werden. Zu den eindeutigen Vorteilen von Glasionomerzementen zählt allerdings der seit Langem bewährte Einsatz in der Kinderzahnheilkunde mit kurzen Anwendungszeiten und generell bei Patienten mit geringer Compliance, allein schon deshalb, weil im Vergleich zu Adhäsivzementen Schritte entfallen, wie das Konditionieren, Ätzen und Bonden. Das sind Eigenschaften, die von Kompositen, allerdings produktabhängig, so nicht mitgebracht werden können.

Wie garantiere ich bei Glasionomer-Zementen das richtige Mischungsverhältnis für die richtige Indikation? Braucht es nach wie vor spezielle Mischkanülen dafür?
Hoffmann:
Glasionomerzemente reagieren sehr empfindlich auf sogenannte pulverarme Mischungen. Die Haftkräfte werden bei solchen Mischungen z. T. drastisch reduziert! Mischsysteme haben gegenüber der Handmischvariante den unbestreitbaren Vorteil, dass das richtige Verhältnis von Pulver zu Flüssigkeit quasi automatisch korrekt eingestellt wird.

Voco bietet seit Langem alle seine Glas­ionomerprodukte in Applikationskapseln an. In jeder Kapsel ist das Verhältnis von Pulver zu Flüssigkeit äußerst exakt eingestellt. Nur so ist es auch möglich, ein Produkt anzubieten wie IonoStar Plus, das initial fließfähig ist, sich deshalb sehr einfach in die Kavität einbringen lässt, um dann für die Weiterverarbeitung stopfbar zu werden. Ohne Wartezeit und zusätzliche Schritte.

Konventionelle Zemente neigen zu Verfärbungen, wie löst man das Problem?
Hoffmann:
Verfärbungen haben zwei Ursachen: Eine (zu) große Klebefuge; dort lagern sich Farbstoffe aus der Nahrung zwischen Zahnhartsubstanz und Restauration auf dem verwendeten Zement an; die andere Ursache liegt in der Wasseraufnahme des verwendeten Zements. Daher sind präzises Arbeiten und der oft erwähnte gute Randschluss Grundvoraussetzung für eine möglichst kleine Klebefuge. Das peinlich genaue Beachten des Mischungsverhältnisses bei der Anwendung des jeweiligen Zements ist der zweite Baustein für den Erfolg. Auch gibt es Qualitätsunterschiede der verfügbaren Produkte am Markt, insbesondere was den kritischen Faktor der Wasseraufnahme angeht.

Voco forscht und entwickelt seit Jahrzehnten auch im Bereich der Glasionomerprodukte. Indikationsgerechte Anwendung vorausgesetzt und bei Beachtung der Gebrauchsinforma­tion kommen Verfärbungen unserer Produkte nicht vor.

Wie sieht es mit der Haftkraft aus? Sind Kompositzemente da den konventionellen Zementen überlegen?
Hoffmann:
Ja, unbedingt. Kompositzemente nutzen, wie konventionelle Zemente auch, die mechanische Verriegelung zwischen der Zahnhartsubstanz und der Restauration. Zusätzlich aber findet eine chemische Verbindung zu der Zahnhartsubstanz statt. Diese funktioniert auf demselben Wege wie bei der Anwendung eines Adhäsivs, indem das Kollagenfasergeflecht durch spezielle Haftmonomere penetriert und so eine enge Verbindung mit der Zahnhartsubstanz eingegangen wird.

Stichwort Fluoridfreisetzung – ist das nur bei Glasionomerzementen gegeben?
Hoffmann:
Das Freisetzen von Fluoriden ist eine Domäne der Glasionomermaterialien. Das Fluorid ist in einem Rohstoff zur Herstellung des Produkts bereits enthalten, den Fluorsilikatgläsern.

Stichwort absolute Trockenlegung: Bei der adhäsiven Befestigung das A und O, bei der konventionellen Befestigung egal?
Hoffmann:
Alle Zemente kleben schlechter bei nassen Oberflächen, daher sind die Regeln der jeweiligen Gebrauchsinformationen bezüglich der Feuchtigkeit strikt einzuhalten. Ich bin kein Freund der dogmatischen Regelung der absoluten Trockenlegung und würde diesen Begriff gerne durch Kontaminationskontrolle ersetzen. Schließlich ist beim Zementieren einer Kombinationsarbeit die absolute Trockenlegung auch nicht möglich, eine Kontaminationskontrolle aber dennoch unabdingbar.

Welche Rolle spielt die mechanische Retention?
Hoffmann:
Die mechanische Retention ist bei der Befestigung unverzichtbar, sowohl bei herkömmlichen Zementen als auch bei Adhäsivzementen.

Führen auch moderne Glasionomerzemente zu der gefürchteten Zementitis?
Hoffmann:
Jeder nicht erkannte Zementrest führt zu einer entsprechenden Reaktion im Gewebe der biologischen Breite. Dabei ist es für das Auslösen einer Zementitis unerheblich, ob es sich um einen Glasionomerzement oder einen Kompositzement handelt. Seit einiger Zeit geht der Trend aber wieder zum Verschrauben der Suprakonstruktionen, was insbesondere für die Zugänglichkeit zum Abutment ein großer Vorteil ist, da dieses somit relativ einfach durch die Abnahme der verschraubten Suprakonstruktion erreichbar bleibt.

Klaus Peter Hoffmann
Zahnarzt und Zahntechniker, seit 2008 bei VOCO, bis 2011 Leiter des Produktmanagements, seit 2011 Leiter der Abteilung Wissenskommunikation
k-p.hoffmann@voco.de