Botox bei Bruxismus
Traditionelle Behandlungsmethoden bei Patienten mit Bruxismus umfassen Okklusionsschienen, physiotherapeutische Maßnahmen und medikamentöse Therapie. Seit einigen Jahren wird auch Botulinumtoxin Typ A (Botox) als mögliche alternative Behandlungsoption in bestimmten Fällen genutzt. Die Zahnärzte Silvia und Daniel Klering aus Bielefeld wenden diese Therapieoption bei gegebener Indikation an. Sie erläutern in diesem Artikel ihre Erfahrung mit der Wirksamkeit und Sicherheit von Botox in der Behandlung von Bruxismus, gestützt auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse.
Bruxismus ist weit verbreitet, kann sowohl tagsüber (Wachbruxismus) als auch nachts (Schlafbruxismus) auftreten und zu signifikanten Zahn- und Kieferproblemen führen sowie Zahnabrasionen, Kiefergelenksschmerzen und muskuläre Verspannungen verursachen.
Die genaue Ursache von Bruxismus ist nicht vollständig geklärt, jedoch spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zu diesen gehören psychologische Faktoren wie Stress und Angst, sowie anatomische und genetische Prädispositionen. Der Mechanismus involviert eine Überaktivität der Kaumuskulatur, insbesondere des Musculus masseter und des Musculus temporalis. Diese übermäßige Muskelaktivität führt zu den typischen Symptomen des Bruxismus.
Botox reduziert Muskelaktivität
Botulinumtoxin Typ A, ein Neurotoxin produziert von Clostridium botulinum, wirkt durch die Blockade der Freisetzung von Acetylcholin an der neuromuskulären Endplatte, was zu einer temporären Lähmung des behandelten Muskels führt. Bei der Behandlung von Bruxismus wird Botox in den Masseter- und/oder Temporalis-Muskel injiziert, um die Muskelaktivität zu reduzieren.
Studien und Wirksamkeit
Mehrere Studien haben die Wirksamkeit von Botox bei der Behandlung von Bruxismus untersucht. Eine randomisierte kontrollierte Studie von Guarda-Nardini et al. (2008) [1] zeigte, dass Patienten, die mit Botox behandelt wurden, eine signifikante Reduktion der Muskelaktivität und der mit Bruxismus assoziierten Schmerzen im Vergleich zur Kontrollgruppe aufwiesen.
Weitere Studien von Lee et al. (2010) [2] und Long et al. (2012) [3] fanden heraus, dass Botox-Injektionen die Häufigkeit und Intensität des Zähneknirschens sowie die damit verbundenen Kieferbeschwerden signifikant verringerten.
Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) hat umfassende Leitlinien [4] zur Diagnose und Behandlung von Bruxismus veröffentlicht. Diese betonen die Notwendigkeit einer gründlichen Diagnose und die Abwägung verschiedener Therapieoptionen. Sie empfehlen einen multimodalen Ansatz, der verschiedene Therapieformen kombinieren kann, einschließlich Okklusionsschienen, Verhaltensinterventionen und medikamentöser Therapie. Botulinumtoxin A wird in den Leitlinien als eine mögliche Behandlungsoption bei therapierefraktären Fällen von Bruxismus aufgeführt.
Sicherheit und Nebenwirkungen
In den Händen von erfahrenen Behandlern und bei einer strengen Indikationsstellung gilt die Anwendung von Botox zur Behandlung von Bruxismus allgemein als sicher.
Mögliche Nebenwirkungen sind eine vorübergehende Schwäche der Kaumuskulatur, was zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung beim Kauen führen kann. Eine falsche Injektionstechnik kann dazu führen, dass benachbarte Muskelstrukturen ungewollt in die Wirkung von Botulinumtoxin A mit einbezogen werden. Langfristige Nebenwirkungen sind selten, aber es gibt Berichte über Veränderungen in der Gesichtsmuskulatur bei wiederholter Anwendung über längere Zeiträume.
Botox und traditionelle Behandlungsmethoden
Im Vergleich zu traditionellen Behandlungsmethoden wie Okklusionsschienen hat Botox den Vorteil, dass es direkt die Muskelaktivität reduziert, anstatt nur die Symptome zu behandeln. Während Okklusionsschienen die Zähne schützen, adressieren sie nicht die zugrunde liegende muskuläre Überaktivität. Physiotherapie und medikamentöse Therapien können ebenfalls effektiv sein, jedoch bieten sie oft keine sofortige Linderung und erfordern eine längere Behandlungsdauer.
Klinische Anwendung
Die klinische Anwendung von Botox zur Behandlung von Bruxismus erfordert spezifisches Fachwissen und Erfahrung. Die genaue Dosierung und Injektionspunkte müssen sorgfältig ausgewählt werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren. Typischerweise werden Injektionen alle drei bis sechs Monate wiederholt, da die Wirkung von Botox temporär ist.
Wie bereits von Zeller et al. (2022) [5] beschrieben, gehört die CMD-Therapie mit Botulinumtoxin zur Ausübung der Zahnheilkunde. Laut der zahnärztlichen Approbation § 1 Abs. 3 ZHG (Zahnheilkundegesetz) heißt es: „Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.“
Fall aus der Praxis
Diese Methode hat sich als effektive und gut verträgliche Option erwiesen, insbesondere für Patienten, die auf traditionelle Behandlungsmethoden wie Okklusionsschienen oder Physiotherapie nicht ausreichend ansprechen. Das zeigt der folgende Fall einer Patientin:
Eine 38-jährige Patientin stellte sich mit starken Schmerzen im Kieferbereich, morgendlichen Kopfschmerzen und einem deutlichen Zähneknirschen vor, das ihr Ehemann nachts bemerkt hatte. Trotz der Verwendung einer Okklusionsschiene und regelmäßiger physiotherapeutischer Sitzungen war keine wesentliche Besserung eingetreten. Nach ausführlicher Anamnese und Beratung entschieden wir uns für eine Behandlung mit Botulinumtoxin A, da die Patientin auf eine regelmäßige Medikamenteneinnahme verzichten wollte.
Behandlungsverlauf zusammengefasst
Erstuntersuchung und Diagnose: Zunächst wurde eine gründliche klinische Untersuchung durchgeführt, um die Diagnose Bruxismus zu bestätigen. Wir führten eine Palpation der Kaumuskulatur durch, um die Muskelaktivität und Schmerzpunkte zu identifizieren, insbesondere im Masseter- und Temporalis-Bereich.
Patientenaufklärung: Die Patientin wurde ausführlich über den Mechanismus von Botulinumtoxin A und den Ablauf der Behandlung aufgeklärt. Wir besprachen mögliche Nebenwirkungen, z. B. eine vorübergehende Schwäche beim Kauen und lokale Schmerzen an den Injektionsstellen.
Injektionstechnik: Die Injektion wurde unter sterilen Bedingungen durchgeführt. Der Masseter-Muskel wurde beidseitig mit Botulinumtoxin A behandelt. Die genaue Injektionsstelle wurde durch Palpation bestimmt, um die Hauptmuskelmasse zu treffen und eine effektive Muskelentspannung zu gewährleisten (Abb. 1-4).
Nachsorge: Die Patientin wurde angewiesen, für die nächsten 24 Stunden körperliche Anstrengungen und Massagen im Gesichtsbereich zu vermeiden. Ein Kontrolltermin wurde nach zwei Wochen vereinbart, um den Behandlungserfolg zu evaluieren.
Ergebnis
Bereits zwei Wochen nach der Injektion berichtete die Patientin über eine deutliche Reduktion der Kieferschmerzen und weniger morgendliche Kopfschmerzen. Nach etwa vier Wochen zeigte sich eine weitere Verbesserung. Auch das nächtliche Zähneknirschen wurde deutlich reduziert. Die Wirkung hielt etwa fünf Monate an, woraufhin eine erneute Injektion auf Wunsch der Patientin durchgeführt wurde.
Zukünftige Forschung und Entwicklungen
Trotz der positiven Ergebnisse bedarf es weiterer Forschung, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Botox bei der Behandlung von Bruxismus vollständig zu verstehen. Zukünftige Studien könnten sich auf die Optimierung der Dosierung, die Identifizierung von Prädiktoren für den Behandlungserfolg und die Untersuchung der langfristigen Auswirkungen wiederholter Behandlungen konzentrieren.
Schlussfolgerung
Botulinumtoxin Typ A stellt bei strenger Indikationsstellung eine effektive
Behandlungsoption für Patienten mit
Bruxismus dar.
Die bisherigen Studienergebnisse sind ermutigend und deuten darauf hin, dass Botox nicht nur die Symptome des Zähneknirschens, sondern auch die damit verbundenen Schmerzen und Beschwerden signifikant reduzieren kann.
Dennoch ist eine sorgfältige Patientenaufklärung und -selektion, eine kontinuierliche wissenschaftliche Evaluation, sowie eine mögliche Kombination aus verschiedenen Therapieansätzen notwendig, um die bestmöglichen Behandlungsergebnisse zu gewährleisten.
Tipps zur Behandlung von Bruxismus mit Botox zusammengefasst :
Sorgfältige Diagnose: Eine genaue Diagnose ist entscheidend. Die klinische Untersuchung sollte eine Palpation der Kaumuskulatur und die Beurteilung der Zahnabnutzung umfassen.
Patientenselektion: Ideal sind Patienten, die auf andere Behandlungsmethoden nicht ansprechen und eine hohe Muskelaktivität im Masseter- und/oder Temporalis-Bereich aufweisen. Patienten mit chronischen Schmerzen und hoher Stressbelastung können ebenfalls von Botox profitieren.
Individuelle Dosierung: Die Dosierung sollte individuell angepasst werden. Die Effektivität der Dosierung kann im weiteren Behandlungsverlauf angepasst werden.
Aufklärung und Nachsorge: Eine gründliche Aufklärung über die Behandlung und mögliche Nebenwirkungen ist essenziell. Regelmäßige Nachsorgetermine helfen, den Behandlungserfolg zu überwachen und die Dosierung bei Bedarf anzupassen.
Daniel Klering
ist Zahnarzt mit den Behandlungsschwerpunkten Zahnersatz, Ästhetik und Parodontologie. Er ist niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau in Bielefeld.
www.thedentalcompany.de
Foto: privat
Silvia Klering
ist niedergelassene Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis
in Bielefeld. Ihre Behandlungsschwerpunkte sind Zahnersatz, Ästhetik und Parodontologie.
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