Praxisübergabe von langer Hand Planen
Die Übernahmephase einer Zahnarztpraxis ist eine schwierige Zeit. Sowohl für den bisherigen als auch für den künftigen Inhaber: Denn beide müssen in dieser Zeit ihre Rolle in der Praxis neu definieren, auf einmal gemeinsam viele Entscheidungen treffen. Das ist neu und ungewohnt. Konflikte bleiben häufig nicht aus. Spätestens, wenn die Krise da ist, müssen externe Berater her.
In der Übergabephase von Zahnarztpraxen sieht man viele Träume und Wunschvorstellungen platzen, sowohl beim bisherigen Inhaber als auch beim künftigen Inhaber, der den Betrieb oder Betriebsanteile übernimmt. Wer aber das Thema Nachfolgeregelung rechtzeitig anpackt, ist gewappnet. In Unternehmerkreisen hat sich in den vergangenen Jahren die Erkenntnis durchgesetzt: Dieser Schritt muss von langer Hand geplant werden. Insbesondere dann, wenn der Nachfolger nicht der eigene Sohn oder die eigene Tochter, sondern ein „Fremder“ ist und die Praxis nicht „verschenkt“, sondern zu einem guten Preis verkauft werden soll.
Wer könnte der Nachfolger sein?
Deshalb machen sich viele Zahnärzte zeitig Gedanken: Was passiert mit meiner Praxis, wenn ich in absehbarer Zeit ausscheiden möchte? Und: Wer könnte dann mein Nachfolger werden? Dies gilt insbesondere für die Inhaber von Unternehmen, die außer von ihrer fachlichen Expertise primär von der Vertrauensbeziehung leben, die sie über viele Jahre zu ihren Kunden und Patienten aufgebaut haben. Zahnarztpraxen gehören dazu, aber auch viele Industriezulieferer und -dienstleister, und auch Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzleien. Ein Zahnarzt kann seinen Patienten nicht heute verkünden, dass sie morgen einen neuen Zahnarzt haben werden. Der Nachfolger muss vielmehr in einem längeren Prozess eingebunden werden. In dieser Zeit muss er zunächst mit dem Geschäft der Praxis und den Besonderheiten seiner Klientel vertraut gemacht sowie bei den Kunden eingeführt werden. Sonst ist die Gefahr groß, dass flugs das verloren geht, was weitgehend den Wert der Zahnarztpraxis ausmacht: die gewachsenen Beziehungen zu den Patienten.
Zwei Positionen, zwei Meinungen
Deshalb ist es meist nötig, dass der bisherige und der künftige Inhaber nach der vertraglich geregelten Unternehmensübergabe noch eine längere Zeit zusammenarbeiten und gemeinsam die Praxis führen. Dieser Übergabeprozess erstreckt sich oft über zwei, drei Jahre und ist in der Regel für alle Beteiligten keine leichte Zeit. Denn es prallen meist nicht nur zwei Generationen, sondern auch zwei unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Während der scheidende Inhaber primär daran denkt, wie der Übergabeprozess – also die nächsten zwei, drei Jahre – gestaltet wird, stehen für den künftigen (alleinigen) Inhaber andere Fragen ganz oben auf der Agenda: Wohin soll sich die Praxis mittel- und langfristig entwickeln? Und: Was ist nötig, damit das Unternehmen auch nach dem Ausscheiden des bisherigen Inhabers erfolgreich im Markt bleibt?
Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen resultieren unterschiedliche Prioritätensetzungen im Arbeitsalltag. In der Zusammenarbeit ergeben sich dann häufig Konflikte. Hinzu kommt: Alle Beteiligten müssen, wenn der Übergabeprozess eingeläutet wird, sich selbst und ihre Rolle neu definieren. So ist es zum Beispiel der bisherige Inhaber gewohnt, Entscheidungen allein zu treffen. Auf einmal muss er nun den neuen Mitinhaber und künftigen alleinigen Inhaber nicht nur in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen, sondern diesem auch nach und nach die (alleinigen) Entscheidungsbefugnisse übertragen.
Loslassen ist nicht einfach
Das fällt vielen gestandenen Zahnärzten schwer – selbst wenn sie guten Willens sind. Denn sie sind mit der Zahnarztpraxis, die sie oft über Jahrzehnte aufgebaut haben, emotional verbunden. Außerdem haben sie im Laufe der Jahre ihren eigenen Stil entwickelt, Probleme und Herausforderungen anzugehen und zu lösen. Zudem haben sie aufgrund ihrer Erfahrungen meist eine sehr dezidierte Meinung darüber, was etwa beim Führen der Praxis oder beim Umgang mit den Patienten zu beachten ist. Der künftige Inhaber hingegen ist – sofern er nicht zuvor bereits Unternehmer war – in ihren Augen noch ein unternehmerisches Greenhorn. Denn er kennt weder die Zahnarztpraxis, seinen Markt noch die Patienten. Zudem muss er sich in die Rolle des Praxisinhabers erst noch einfinden und lernen, was geht und was nicht geht.
Diese Grundeinstellung prägt oft unbewusst ihre Kommunikation mit dem künftigen Inhaber, was unweigerlich zu Konflikten führt. Insbesondere dann, wenn der bisherige Inhaber tatsächlich oder in der subjektiven Wahrnehmung des künftigen Inhabers dessen Autorität untergräbt. Zum Beispiel indem er sich entsprechend gegenüber Mitarbeitern und Patienten äußert. Schleichen sich solche Kommunikationsmuster ein, dann ist der Übergabeprozess meist nicht mehr zu steuern – womöglich mit fatalen Folgen. Entweder scheitert die geplante Übergabe ganz oder im Verlauf dieses Prozesses wird ein großer Teil des Unternehmenswerts vernichtet.
Externer Berater als Wegbegleiter
Deshalb empfiehlt es sich, zu diesem Prozess einen neutralen, externen Berater hinzuzuziehen. Dieser begleitet dann den Übergabeprozess und arbeitet mit den Beteiligten die verschiedenen Aspekte heraus, die mit jedem Nachfolgeprozess verbunden sind. Dazu zählen unter anderem:
- psychologische Aspekte – zum Beispiel: Welche Erwartungen hat der neue beziehungsweise scheidende Zahnarzt an das Verhalten des jeweils anderen? Was ist jedem der beiden in dem Übergabeprozess wichtig?
- unternehmerische Aspekte – zum Beispiel: Inwieweit ändern sich durch die (beabsichtigte) Übergabe die Kultur der Praxis und ihre Marktposition? Was ist dem neuen beziehungsweise scheidenden Gesellschafter für eine erfolgreiche Praxisübergabe wichtig?
- kommunikative Aspekte – zum Beispiel: Wie kommunizieren der neue und der scheidende Zahnarzt im Übergabeprozess miteinander? Wie treffen sie Entscheidungen und kommunizieren miteinander? Wie und wann erfahren die Mitarbeiter und Patienten von der geplanten Übergabe?
Leider kommen viele der oben genannten Fragen in den geplanten Übergabeprozessen gar nicht auf den Tisch. Vielmehr wursteln die Beteiligten – auch weil die Übergabe für sie Neuland ist – gemäß der Devise „Irgendwie wird es schon klappen“ vor sich hin. Bis sich die Lage zuspitzt und verhärtet: Auf beiden Seiten entstehen emotionale Wunden, die ein zielorientiertes Zusammenarbeiten erschweren. Erst wenn die Krise nicht mehr zu umschiffen ist, suchen sie oft in letzter Sekunde externe Unterstützung, um den Übergabeprozess wieder in die richtige Spur zu bringen. Dies ist in der Regel auch möglich. Denn der externe Berater strukturiert mit den Beteiligten den Übergabeprozess und definiert „Spielregeln“ für die Zusammenarbeit. Mindestens genauso wichtig ist, dass er ein verständnisvolles Klima schafft. Eines, in dem es möglich ist, auch heikle, emotional aufgeladene Themen zu besprechen. Und zwar so, dass am Ende für beide Seiten akzeptable Lösungen stehen.
Frühzeitig Profis ins Haus holen
Ein solches Krisenmanagement ist gut. Aber viel sinnvoller wäre es, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Dazu könnte vor oder unmittelbar nach der vertraglich geregelten Zahnarztpraxisübergabe ein Nachfolgeberater engagiert werden. Denn im Übergabeprozess müssen der bisherige und der künftige Inhaber gemeinsam viele Herausforderungen meistern. Dass dabei unterschiedliche Einschätzungen, Erwartungen und Bedürfnisse aufeinanderprallen, ist kein Wunder. Denn aufgrund ihrer unterschiedlichen Biografien und Lebensphasen schweben beiden Seiten womöglich unterschiedliche Lösungswege vor. Deshalb sind Interessengegensätze, aus denen Konflikte resultieren, nahezu unumgänglich. Eine professionelle Prozessbegleitung ist daher fast unverzichtbar, wenn der Übergabeprozess ohne emotionale Wunden und Vernichtung des Praxiswerts gemeistert werden soll.
Klaus Kissel
ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales & Managementberatung, Urbar bei Koblenz, das Unternehmen im Prozess der Nachfolgeregelung unterstützt.
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