Der Weg zur Begeisterung
Patienten können die beste Werbung für eine Praxis sein. Um aus seinen Kunden „Weiterempfehler“ zu machen, gilt es zunächst, Enttäuschungsfaktoren auszusieben und versprochene Leistungen auch zu erbringen. Doch das schafft „nur“ zufriedene Patienten. Für begeisterte Patienten braucht es noch ein bisschen mehr ...
Ob Prophylaxe oder Implantat – bei einer zahnmedizinischen Dienstleistung handelt es sich zunächst um ein Gut, das der Patient im Vorfeld in seinem Mund weder sehen noch anfassen kann. Daher sollten Zahnarztpraxen vorab ein überzeugendes Leistungsversprechen vermitteln, das ihre Patienten von der gebotenen Qualität überzeugt. Dazu gehören verschiedene Aspekte. Unentbehrlich sind unter anderem professionelle Kommunikation sowie ein Praxiserscheinungsbild, das Kompetenz ausstrahlt.
So sollten Zahnärzte beziehungsweise Praxisinhaber die vorgeschlagenen Lösungen und Therapien anschaulich darstellen. Zudem sind Verweise auf die Unternehmenshistorie hilfreich, zum Beispiel wenn die Praxis schon viele Jahre am Markt ist. Empfehlenswert ist ferner, auf Referenzen hinzuweisen, beispielsweise auf besonders treue Patienten. Visuell kann man das Image der Praxis außerdem ideal im besten Licht präsentieren, indem Urkunden oder Weiterbildungszertifikate – auch von den Mitarbeitern – im Blickfeld der Patienten an den Wänden aufgehängt werden. Die ISO-Zertifizierung sollte ebenfalls gut sichtbar platziert werden.
Motiviertes Personal
Im Bereich der Dienstleistung ist vor allem gut ausgebildetes und hochmotiviertes Personal ein Schlüssel zum Erfolg. Denn in der Zahnarztpraxis hat der Dienstleister in der Regel persönlich mit dem Abnehmer zu tun. Gerade im Hinblick auf die Qualität stellt dies ganz besondere Anforderungen und Herausforderungen. So sollte das äußere Erscheinungsbild des Dienstleisters in Verhalten, Körpersprache und Kleidung, Kompetenz und Sympathie ausstrahlen. Auch die Atmosphäre sowie die Ausstattung der Räumlichkeiten sollten hochwertig und zugleich möglichst einladend wirken.
Folgende Checkliste gibt einen guten Überblick, auf welchem Level sich eine Praxis im Bereich der Dienstleistung befindet:
Dienstleistung: | ☹ | ☺ | ☺☺ |
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Patientenbetreuung am Telefon | |||
Patientenbetreuung in der Praxis | |||
Versorgung mit Informationen | |||
Versorgung mit Getränken | |||
Einhaltung der Termine | |||
Umgang mit Beschwerden | |||
Freundlichkeit der Arzthelferinnen/des Verwaltungspersonals | |||
Freundlichkeit des Arztes | |||
Freundlichkeit der Stuhlassistentin | |||
Platz für Ideen: |
Die Lückentheorie
Darüber hinaus sind Zahnärzte gut beraten, folgende Faktoren in ihrem eigenen Praxisalltag zu identifizieren. Zu den Basisanforderungen gehören Erwartungen, die von den Patienten als selbstverständlich vorausgesetzt und insofern auch nicht geäußert werden, sowie die Annahme, dass nicht Schwerwiegendes schiefläuft. Werden diese Muss-Faktoren nicht erfüllt, ist der Patient massiv unzufrieden und erwägt einen Wechsel zur Konkurrenz, den er im schlimmsten Fall auch vollzieht. Leistungsanforderungen wiederum sind explizit geäußerte Patientenwünsche respektive (vertraglich) vereinbarte Leistungen, wie Qualität, Einhalten von Terminen und Garantieleistungen.
Die Zufriedenheit des Patienten steigt parallel mit der Steigerung der Leistungsqualität. Begeisterungseigenschaften sind außergewöhnliche, vom Patienten oft nicht erwartete Leistungen, die zu Begeisterung und schließlich zur Treue und Weiterempfehlung führen. Das systematische Generieren dieser Plus-Faktoren verschafft einen echten Konkurrenzvorteil (USPs = Alleinstellungsmerkmale).
Falsche Erwartungen
Zusätzlich sollten sich Zahnärzte die Zeit nehmen, zu überlegen, wann und warum ihre Patienten vielleicht nicht so zufrieden sind. Ein maßgeblicher Faktor für Unzufriedenheit ist, wenn ein Patient andere Erwartungen hat, als die Praxis und das Team annehmen. Ein weiterer Faktor ist, dass man die Erwartungen seiner Patienten zwar kennt, sie aber aufgrund interner Ressourcen oder Prozesse nicht erfüllen kann. Ein dritter Faktor ist: Die tatsächliche Leistung ist zwar fehlerfrei, entspricht aber nicht dem, was dem Patienten versprochen wurde. Auch das führt zu Unmut.
Die hier zusammengestellten Erkenntnisse werden „Lückentheorie“ genannt – und dieser Begriff beschreibt den Sachverhalt recht gut. Denn es ist erfolgsentscheidend, dass Zahnärzte ihre Patienten gut kennen und im Team darüber sprechen, welche Ressourcen oder Freiräume geschaffen werden müssen, beispielsweise welche Regeln bei der Beschwerdebearbeitung gebraucht werden. Zu guter Letzt sollte man zudem durch gezielte Fragen herausfinden, was der Patient wirklich will.
Die tägliche Arbeit
Kundenzufriedenheit setzt sich aus folgenden zwei Aspekten zusammen: Was habe ich erwartet? Und was habe ich tatsächlich bekommen? Der Mensch – und jeder kennt sich selbst am besten – rechnet immer mit dem schlimmsten anzunehmenden Ergebnis. Wenn ein Patient in die Praxis kommt, befürchtet er daher ebenfalls das Schlimmste und hofft auf das Beste. Was passiert nun, wenn er als Privatpatient einen zugesagten Termin um 15 Uhr hat? Er geht davon aus, spätestens um 16 Uhr „dran“ zu sein. Nach Murphy’s Law rechnet er also mit dem Schlimmsten und wenn genau das passiert, geht er nach Hause und erzählt seinen Nachbarn, wie schlecht es ihm ergangen ist. Aus dieser Nachbarschaft wird wohl niemand mehr vorurteilsfrei diese Praxis besuchen …
Bedürfnisse durch Analysen ermitteln
Für Zahnärzte bedeutet das konkret: Bei dem nächsten Nachbarn dieses Patienten sind unbedingt die Basisanforderungen zu erfüllen, die Leistungsqualität zu steigern (bevorzugte Terminliste) und Begeisterungsfaktoren zu schüren, beispielsweise durch einen Überraschungskaffee im Untersuchungszimmer.
Im Rahmen des Qualitätsmanagements, zum Beispiel über die ISO 9001 in Arztpraxen, wird auch die Kundenzufriedenheit unter die Lupe genommen. Im ersten Schritt gilt es, die Zielgruppe, sprich die Menschen, mit denen man in der Praxis regelmäßig zu tun hat, in bestimmten Gruppen zusammenzufassen, die gruppenbedingt andere Erwartungen haben. Beispiele für diese Zielgruppen sind: Patienten, Angehörige, Kostenträger und Zuweiser.
Die jeweiligen Bedürfnisse der Gruppen lassen sich durch folgende Instrumente ermitteln: Marktanalyse, Patientenzufriedenheitsanalyse, Interviews, persönliche Kontakte oder Befragung. Patientenanforderungen, die man auf jeden Fall erhalten wird und die zum größten Teil noch in die Basisanforderungen und Leistungsanforderungen mit hineinspielen, können diese sein: Hygiene, Sauberkeit, Geräte- und Gebäudesicherheit, Patientenrechte sowie qualifiziertes Personal.
Patienten als „Weiterempfehler“
Enttäuschungsfaktoren in den Dienstleistungen tragen dazu bei, dass Ärzte es sich mit ihren Patienten so richtig verderben können. Wenn ein Patient zum Beispiel seit drei Monaten auf einen CT-Termin wartet und bei dem Besuch der Praxis erfährt, dass das Gerät kaputt ist, und er sich für diesen Tag sogar noch extra Urlaub genommen hat, ist diese Situation für ihn der Ausnahmezustand! Ein solches Vorgehen, bei dem der Patient noch nicht einmal vorab telefonisch informiert und ihm kurzfristig ein Ersatztermin zugesagt wird, darf nicht toleriert werden. So sollte kein Patient die Praxis verlassen.
Wer dagegen Patienten langfristig binden und zu „Weiterempfehlern“ machen möchte, bei dem dürfen diese Enttäuschungsfaktoren nicht vorkommen. Denn der Patient wird sein Netzwerk darüber informieren. Dabei gilt die Faustregel: Über einen solchen Vorfall wird der unzufriedene Patient mindestens 20 Personen in seinem Bekanntenkreis informieren, die das ebenfalls weitertragen.
„Muss-Faktoren“
Zahnärzte sollten daher mit dem ganzen Team überlegen, was für ihre Patienten absolute Notwendigkeiten sind, die bei ihrer Dienstleistung garantiert sein müssen. Zu den allgemeinen „Muss-Faktoren“ zählen beispielsweise Pünktlichkeit, Höflichkeit, Sauberkeit und Ehrlichkeit. Wer diese Notwendigkeiten nicht erfüllt, braucht sich auch keine Gedanken über zusätzlichen Service oder Begeisterungsfaktoren zu machen. Denn diese nimmt der erboste Patient dann ohnehin nicht mehr wahr. Daher sollten zunächst die Selbstverständlichkeiten erfüllt werden, bevor der nächste Schritt getan wird.
Endlich zufriedene Patienten
Es gilt: Der Patient ist zufrieden, wenn die wahrgenommene Leistung mindestens seinen Erwartungen entspricht. Das heißt, dass der Patient in einer geschäftlichen Situation (auch der Arzt kostet) zunächst eine bestimmte Leistung oder einen gewissen Servicestandard oder eine bestimmte Qualität erwartet. Diese Erwartung setzt den Maßstab.
Natürlich kann es vorkommen, dass ein Patient überzogene Erwartungen hat, die sich nicht erfüllen lassen und die eine Unzufriedenheit garantieren. Diese Situation ist jedoch die Ausnahme. Normalerweise orientiert sich der Patient an dem, was Mitbewerber bisher geboten haben oder was in anderen Branchen üblich ist. Das heißt für die eigene Praxis: Je besser man seinen „durchschnittlichen“ Patienten kennt und mit dem Leistungsniveau der Mitbewerber vertraut ist, desto eher können die Erwartungen, die von den Patienten gestellt werden, im Voraus abgeschätzt werden.
Zufriedene Patienten kommen wieder
Zunächst einmal: Zufriedene Patienten kommen wieder und nehmen die Dienstleistung erneut in Anspruch – und das ist längst nicht alles: Zufriedene Patienten setzen auch mehr um und nehmen beispielsweise Zusatzuntersuchungen wahr. Und: Zufriedene Patienten empfehlen die Praxis weiter – und zwar bis zu zwölf Mal.
Ein Leistungsfaktor, der in hohem Maße zur Zufriedenheit beiträgt, häufig jedoch nicht gegeben ist, ist das Thema „Freundlichkeit“. Wenn der Patient morgens um acht Uhr bereits mit einem freundlichen Lächeln und einer persönlichen namentlichen Begrüßung empfangen wird, fühlt er sich trotz seines möglichen elenden Zustands schon viel besser. Wenn man ihm dann noch ein erfrischendes oder wärmendes Getränk anbietet, ist der Patient vollends zufrieden und kommt bestimmt gern wieder.
Kleine Gesten, große Wirkung
Wer seine Patienten begeistern möchte, muss als Dienstleister noch einen Schritt weiter gehen. Begeisterungseigenschaften sind solche, die der Patient keinesfalls von der Dienstleistung erwartet und die ihn deshalb umso mehr überraschen. Dafür muss man den Patienten gut kennen und sich etwas einfallen lassen. Ein begeisterter Patient empfiehlt dann schon allein aus diesem Grund die Praxis weiter, denn er hat etwas Besonderes erlebt, über das er gerne spricht. Das ist menschlich.
Wenn ein Patient Angst vor dem Zahnarztbesuch hat und dann eine Praxis erlebt, deren Behandlungsräume völlig anders gestaltet sind als die üblichen Praxen, wenn leise Musik erklingt, der Raum vielleicht gut duftet und man vielleicht noch einen beruhigenden Tee anbietet, dann ist dieser Patient total verblüfft und vergisst vielleicht darüber seine Ängste. In jedem Fall wird er seinen Bekannten von diesem Besuch berichten. Allerdings ist auch das eigene Verhalten bei den Begeisterungsfaktoren ein wichtiger Bestandteil.
Gerade kleine Gesten überzeugen
Denn der Patient spürt, ob er nach Schema F abgewickelt wird oder ob er persönlich wirklich wichtig ist und ernst genommen wird. Dabei sind es gerade die kleinen Gesten, die überzeugen. Wenn man bedenkt, dass in der Kommunikation nur sieben Prozent des gesprochenen Wortes ankommen, 38 Prozent der Ton der Stimme ausmacht und 55 Prozent über die Körpersprache vermittelt werden, so ist es wichtig, nicht nur mit Worten zu kommunizieren, sondern authentisch zu lächeln und durch die Körpersprache Zuwendung zu zeigen.
Praxisinhaber sollten daher gemeinsam im Team überlegen, was ihre Patienten begeistert und was diese wohl ihren Bekannten erzählen. Welche Begeisterungseigenschaften hat die Dienstleistung heute? Wofür loben die Patienten Zahnärzte und das Team? Womit kann man Patienten überraschen? Das müssen nicht teure Geschenke sein – häufig sind es die kleinen Gesten, die zählen; wie die namentliche Ansprache, das Erkundigen nach den Neugeborenen und der persönliche Erfahrungsaustausch am Empfang.
Sibylle May
Moderatorin und systemischer Coach mit 18 Jahren Erfahrung in Marketing und Betrieb.
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