CGM zur Einführung der Telematikinfrastruktur

“Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht”

Sabine Zude, Geschäftsführerin Compu Group Medical Dentalsysteme, erklärt im Interview die Hintergründe zur Einführung der Telematikinfrastruktur (TI), welchen Mehrwert die TI zukünftig für die Zahnärzte bereit hält und warum das Ende des Supports für das Betriebssystem Windows 7 durch Microsoft eine Option für ihre Firma bietet, neue Kunden zu gewinnen.


© contrastwerkstatt/fotolia


Frau Zude, am 30. Juni endete die Frist, in der Arzt- und Zahnarztpraxen ohne Sanktionen auf einen Telematikinfrastruktur-Anschluss verzichten können. Ab diesem Zeitpunkt dürfen die zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ein Prozent des Umsatzes abziehen. Warum sind trotzdem 20 Prozent der Praxen noch nicht angeschlossen? Was meinen Sie?

Sabine Zude: Zunächst eine kleine Richtigstellung. Die verbindliche Frist zur Bestellung endete bereits am 31.03.2019. Bis zum 30.06.2019 mussten alle bis dahin bestellte Installationen vorgenommen worden sein.

Wie hoch der Anteil der nicht angeschlossenen Praxen aktuell ist, kann ich nicht sagen. Hierzu liegen uns keine verlässlichen Werte in Bezug auf den Gesamtmarkt vor. Die Gruppe der Nichtbesteller setzt sich nach meiner Ansicht aus drei Motivationstypen zusammen.

Da ist zum einen die immer noch uninformierte Praxis: Uns erreichen täglich Anrufe mit Fragen zu den Basics der TI. Dann gibt es die Praxen, die unmittelbar vor einer Praxisübergabe/-aufgabe stehen. Die Praxisinhaber, die nur noch ein bis ca. vier Jahre arbeiten, investieren unverständlicher Weise nicht mehr in die Telematikinfrastruktur. Für diese Praxisinhaber ist die Investition ihrer Meinung nach nicht mehr sinnvoll und sie verzichten lieber auf ein Prozent ihres Honorars, obwohl die Anschaffung zu 100 Prozent gefördert wird, egal wie lange die Praxis noch aktiv ist. Und dann gibt es noch die Verweigerer, die sich sagen: „Warum soll ich die Arbeit der Krankenkassen über­nehmen? Was habe ich von der TI?“ Das sind Fragestellungen, die ich bisher aus meinen Gesprächen mitgenommen habe. Zu beachten ist von den TI-Verweigerern aber, dass sie hierdurch auch die künfti­gen Mehrwertanwendungen selbstverständlich nicht nutzen können.

Weitere nutzenbringende TI-Anwendungen, wie das Notfalldatenmanagement (NFDM) oder der elektronische Medikationsplan (eMP) sind noch für 2019 geplant. Ebenfalls ist geplant, dass die Beantragung und Genehmigung von Plänen elektronisch erfolgt – hierfür wird der Kommunikationsstandard KOM-LE benötigt. Ohne einen Einsatz der Telematikinfrastruktur können Zahnärzte hier definitiv nicht teilnehmen.

Zu­sätzlich hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor kurzem angekündigt, dass die Praxen, die sich nicht an die TI anschließen, spätestens ab März 2020 eine erhöhte Honorarkürzung von 2,5 Prozent in Kauf nehmen müssen. So sieht es sein Entwurf für das Digitale Versorgung Gesetz (DVG) vor. Mit dem Honorarabzug alleine ist die Angelegenheit jedoch – entgegen vereinzelt geäußerter Meinungen – immer noch nicht erledigt. Erste Standesvertretungen weisen vollkommen korrekt darauf hin, dass es sich bei der Durchführung des Onlineabgleichs über die Telematikinfrastruktur, um eine im SGB V §291 gesetzlich festgelegte, vertragszahnärztliche Pflicht handelt. Der Gesetzgeber hat die zahnärztli­chen Vertreter verpflichtet in ihren Satzungen zu regeln, dass Verstöße ausnahmslos zu ahnden sind.

Insbesondere während der IDS konnten wir noch weitere Praxen im persönlichen Gespräch davon überzeugen, die TI zu bestellen. Es sind dort viele Aufträge eingegangen, die wir momentan bearbei­ten, um unsere Kunden fristgerecht an die TI anzubinden und so von der Honorarkürzung befreien. Allen Nichtbestellern und Neugründungen raten wir weiterhin, kurzfristig zu bestellen und die Praxis anbinden zu lassen.

 


Sabine Zude, CGM

Sabine Zude, Geschäftsführerin Dentalsysteme bei CGM, zum aktuellen Stand der Telematikinfrastruktur.


Lange Zeit lag die schleppende TI-Anbindung aber nicht nur an der teils mangelnden Bereitschaft der Zahnärzte, sondern auch an fehlenden Dienstleistern. Bis letzten Sommer war die CGM einziger zer­tifizierter Anbieter für Konnektoren. War es jemals logistisch überhaupt machbar, alle Praxen bis Ende der Frist an die TI anzubinden?

Zude: Eindeutig ja. CGM hat seine Hausaufgaben gemacht und sich mit vollem Einsatz den Herausfor­derungen der gematik-Zulassungen gestellt. So durchlief der von uns eingesetzte Konnektor, die KoCoBox MED+, als einziger Konnektor überhaupt eine Erprobungsphase. Die dort gesammelten Er­fahrungen haben wir in unsere Überlegungen und Planungen den bundesweiten Rollout prozessopti­mierend einfließen lassen und uns dafür bestens aufgestellt. Mit dieser Ausgangsbasis und ohne den unnötigen politischen Gegenwind der Standesvertretungen und mit zunehmender Anzahl der Markt­begleiter, wäre ein fristgerechter Rollout logistisch klar möglich gewesen.

Zweimal wurde die Frist für die TI-Anbindung verlängert. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür gewesen?

Zude: Das lag unter anderem daran, dass einige Standesorganisationen ihre Mitglieder teilweise erst recht spät über die TI-Anbindung informiert und zu einem Anschluss geraten haben. Es gab KZVen, die sind früh an den Start gegangen, haben ihre Praxen mitgenommen und haben Empfehlungen ausge­sprochen. Es gab aber auch Beispiele von KZVen, die der TI nicht wirklich positiv gegenüber eingestellt waren und deshalb erst sehr spät begonnen haben, ihre Praxen zu informieren. Dabei hat sich gezeigt, wie groß der Einfluss der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen auf die Praxen bei dieser Entscheidung ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Bindung der Zahnärzte an ihr Softwarehaus bzw. ihren System­betreuer. Öffentlich wurde auch immer unnötigerweise dazu geraten, diese als erste Anlaufstelle für die TI anzusprechen. Einige dieser Softwarehäuser konnten jedoch erst spät entsprechende Angebote unterbreiten, da die Zulassungen und Zertifizierungen der vom Softwarehaus gewählten Konnektor-Partner andauerten.

Aus welchen Komponenten besteht eigentlich die technische Basis für den TI-Anschluss und mit wel­chen Kosten muss eine Praxis rechnen?

Zude: Wir bei der CompuGroup Medical haben ein Paket geschnürt, das es der Praxis gestattet, die vollen Anschaffungskosten zurück zu erhalten und haben uns preislich an die Erstattung der Förderung angelehnt. Als die Erstattungspauschale jetzt gesunken ist, sind wir auch mit unserem Paket weiter günstiger geworden, um den Zahnärzten entsprechend entgegen zu kommen. Das war auch deshalb möglich, weil die ersten Auslieferungen zu Beginn noch mehr Aufwand für uns bedeutet haben. Im Laufe der Zeit konnten wir basierend auf unseren Erfahrungen die internen Strukturen, die Ausliefe­rung, die Technikerschulung oder den Installationsaufwand entsprechend optimieren. So konnten wir hinterher preislich, wenn auch für uns durchaus schmerzlich, zugunsten und im Sinne unserer Kunden nachjustieren.

Als Entwickler des TI-Konnektors KoCoBox MED+ versucht die CompuGroup Medical (CGM) seit der ersten Stunde, die Etablierung der Telematikinfrastruktur voranzubringen und Zahnärzten bei der Einrichtung in der Praxis Hilfestellung zu geben. Wie viele Praxen haben Sie schon erfolgreich ange­schlossen?

Zude: Aus dem eigenen zahnärztlichen Kundenbestand der CGM liegen uns über 90 Prozent Bestellun­gen für die TI-Installation vor. Diese hatten wir bis zum 30. Juni auch umgesetzt. Zusätzlich wurden bereits über 3.600 Zahnarztpraxen problemlos mit unseren TI Komponenten installiert, die andere primäre Softwaresysteme einsetzen.Welche Resonanz erhalten Sie von den bereits TI-angeschlossenen Praxen? Lassen sich Vorteile für die Praxen feststellen?

Zude: Im Wesentlichen läuft alles sehr reibungslos. Insbesondere, wenn man die Anzahl an angeschlos­senen Systemen bedenkt. Es gab bereits ein Konnektor-Update, welches die Praxen eigenständig ein­gespielt haben. Auch diese technische Herausforderung konnten wir mit den Praxen professionell meistern.

Sie bieten ja Ihren Kunden nicht nur die Technik an, sondern auch ein Service-Paket drum herum – Sie nennen das auf Ihrer Webseite den „Alles aus einer Hand“-Ansatz. Was beinhaltet dieses Paket?

Zude: Alles aus einer Hand bedeutet, dass der Kunde alle TI Komponenten und Services bei uns bezie­hen kann. Die Kartenlesegeräte, den VPN Zugang, den Konnektor, unser Software-Modul zum An­schluss an unser Praxisverwaltungssystem sowie natürlich den Support. Das gilt auch für die Dienstleistungen. Der Techniker be­reitet die Praxis auf Wunsch technisch vor, überprüft die Sicherheit des Onlineanschlusses der Praxis, schließt vor Ort alles an und weist die Praxismitarbeiter in die TI ein. Also sowohl Software, Hard­ware, als auch Dienstleistungen kommen professionell aus einer Hand. Das ist ein wesentlicher Vor­teil für die Kunden: Nur so wird verhindert, dass bei der Anbindung an irgendeiner Stelle Fehler pas­sieren, deren Ursachen nicht ermittelt werden können. Auch die spätere Beseitigung von eventuell auftretenden Fehlern im Praxisalltag werden hierdurch kundenfreundlich optimiert.

Viele Praxen hatten aber bereits vor der TI Hardware oder eine andere Software. Ist denn die Be­reitschaft bei diesen Kunden vorhanden, alles umzustellen, um es „aus einer Hand zu haben“?

Zude: Die Aussage “Alles aus einer Hand” bezieht sich zunächst nur auf den Kontext der Telematikinf­rastruktur und alle hierzu benötigten Produkte und Dienste. Dies ist natürlich ein Benefit nicht nur für unsere Praxen, sondern auch eindeutig für Nutzer anderer Primärsysteme. Insofern besteht generell keine Bereitschaft der Kunden das Praxisverwaltungssystem zu wechseln.

Allerdings steigt momentan die Bereitschaft mit dem Thema der Windows-7-Ablösung auch über den Wechsel des Primärsystems nachzudenken. Das Betriebssystem Windows 7 wird im Januar 2020 nicht mehr von Microsoft supportet. Man muss also auf das neue Windows 10 umstellen. Das könnte auch Veränderungen in der Hardware nach sich ziehen, weil ein neues Betriebssystem in vielen Fäl­len auch mehr Ressourcen benötigt. Hier ist der Ansatz für die Praxen, um zu sagen: „Ich bin eh unzufrieden mit meinem Praxisverwaltungssystem und hole mir mit CGM einen Allrounder für diese ganze Thematik rund um Praxistechnik, Praxisinfrastruktur inkl. der Komponenten der Telematikinfrastruktur zur Unterstützung. So kann ich in Ruhe meiner eigentlichen Tätigkeit als Zahnarzt nachgehen und muss nebenbei nicht auch noch EDV-Techniker sein.“ Wenn et­was nicht funktioniert, ruft man uns an und wir sorgen dafür, dass es läuft.

Neben dem Thema TI beschäftigt man sich bei CGM ja auch mit anderen Dingen – einige davon ha­ben sie bereits während der IDS in diesem Jahr vorgestellt. Könnten Sie ein paar Beispiel von Neue­rungen nennen, die es bereits gibt oder die geplant sind?

Zude: Bei unserer Software CGM Z1.PRO haben wir den Weg zur papierlosen Praxis konsequent wei­tergeführt und die digitalen Post-its vorgestellt.  Diese digitalen Notizzettel kann man überall im Pro­gramm anheften. Eigentlich eine einfache Änderung, die aber sehr effektiv ist und von unseren Kun­den sehr gut angenommen wird.

Mit dem Arbeitsablauf-Assistenten haben wir auf eine weitere Entwicklung reagiert: die Praxen wer­den immer größer und es steht immer weniger qualifiziertes Praxispersonal – gerade in der Abrech­nung zur Verfügung. So dass eine ZMV oft für eine große Anzahl von Kolleginnen zuständig ist und auch noch ange­stellte Zahnärzte mit managen muss. Das neue Tool bietet sich an, um neue Kolleginnen einzuarbeiten und bei den täglichen Arbeiten zu unterstützen. Mit der Anlage eines Arbeitsablauf, wird jeder Schritt personenbezogen vorgelegt. Die Abarbeitung der Schritte ist leicht durch eine Ampelsymbolik erkennbar (grün=die Aufgabe wurde erledigt, gelb=die Aufgabe steht unmittelbar zu Erledigung an, rot=die Aufgabe ist unerledigt). Mit diesem Tool unterstützen wir auch den Prozess in der Praxis: mit Anwahl einer Aufgabe wird der zu erledigende Arbeitsschritt automatisch gestartet.

Eine weitere Neuerung ist das Perio-Prevention-Modul, um Praxen beim Thema Prävention parodon­taler Erkrankungen besser zu unterstützen. Die digitale molekulare Chairside-Diagnostik mit Biomar­ker-Technologie soll dabei helfen, einen gefährdeten PA-Patienten zu erkennen. Dazu wird ein Spei­cheltest durch einen Reader ausgewertet. Das Tolle ist, dass das Ergebnis durch unser Modul eingele­sen wird und mit bereits vorhandenen Anamnesedaten ausgewertet wird. Daraus kann der Zahnarzt ein Parodontoserisiko ermitteln und den Patienten entsprechend engmaschig in den Recall einbestel­len.

Sie sind seit 1,5 Jahren als Geschäftsführerin Dentalsysteme bei CGM. Was haben Sie rückblickend erreicht und was sind Ihre Ziele?

Zude: Wir haben tolle workflowbasierte Module entwickelt, die immer mehr Arbeitsabläufe in der Praxis digital abbilden. Mit unseren Produkten können wir Zahnärzte trotz Fachkräftemangel und spätem Schritt in die Selbständigkeit optimal in den Praxisabläufen unterstützen.

Wir sind mit guten Partnern fruchtbare Kooperationen eingegangen, die wir ausbauen und fortsetzen möchten. Wir werden gerade durch die Digitalisierung immer enger im Netzwerk zusammenarbeiten. Ein gutes Beispiel da­für ist unsere Zusammenarbeit mit Sylvia Wuttig, Gründerin und Geschäftsführerin der Daisy Akade­mie + Verlag GmbH. Wir nutzen ihr Expertenwissen in Sachen Abrechnung, um unsere Programme und Module weiterzuentwickeln, und bieten gemeinsame Veranstaltungen mit ihr an. Je besser so eine Kooperation funktioniert, desto größer der Nutzen  für die Praxen.

Ich glaube, dass wir mit CGM Dentalsysteme und dem Konzept “alles aus einer Hand” auf einem guten Weg sind und dass wir mit starken Partnern, intelligenten Produkten und erstklassigen Kooperationen auch weiterhin erfolgreich sein werden.