Zahnärztin mit 22: „Am Anfang machen die Patienten große Augen“
Esra Celin Kosan ist mit 22 die jüngste Zahnärztin, die jemals an der Berliner Charité ihren Abschluss gemacht hat. Im Interview berichtet sie, wie das möglich ist und was sie für die Zukunft geplant hat.
Frau Kosan, Sie haben schon mit 22 Ihren Abschluss in Zahnmedizin gemacht. Wie war das überhaupt möglich?
Esra Celin Kosan: Das hat schon in der Schulzeit angefangen. Ich wurde mit sechs eingeschult – das ist ja noch nichts Ungewöhnliches. Aber nach der vierten Klasse bin ich auf dem Gymnasium in eine so genannte “Schnellläufer-Klasse” gekommen. Das war damals ein Projekt hier in Berlin für hochbegabte Kinder, bei dem man die achte Klasse überspringen konnte. In der neunten Klasse waren wir auf dem gleichen Stand wie die Parallelklassen – aber eben ein Jahr jünger. Das Abi habe ich dann nach der zwölften Klasse gemacht – da war ich 16. Ich habe dann mit 17 mein Studium an der Charité angefangen und mit 22 war ich dann fertig und hatte meine Approbation.
Warum haben Sie sich für Zahnmedizin entschieden?
Esra Celin Kosan: Ich wollte schon als Kind etwas Medizinisches machen. In meiner Familie gibt es viele Mediziner, da hatte ich gute Vorbilder. Ich habe dann mehrere Praktika gemacht – unter anderem bei einer Zahnärztin und in einem Krankenhaus. Da habe ich festgestellt, dass mir die enge Zusammenarbeit mit den Patienten sehr gut gefällt. Ich mag es, den Patienten schnell und effektiv helfen zu können und zum Beispiel Schmerzen zu lindern. Sehr schön ist auch die enorme Dankbarkeit, die einem die Patienten entgegenbringen. Das war für mich eine Antriebskraft, mich für die Zahnmedizin zu entscheiden – und das hat sich im Laufe des Studiums auch bestätigt. Das war die richtige Entscheidung.
Wie war es für Sie, im Studium immer die Jüngste zu sein?
Esra Celin Kosan: Wenn ich ehrlich bin, fand ich es einfach wunderbar. Ich bin nicht anders behandelt worden als die anderen – weder von den anderen Studenten, noch von den Dozenten. Wir waren alle durchweg gleichberechtigt. Das Gefühl, dass mich jemand nicht ganz ernst nimmt, hatte ich eigentlich nie.
Was hat Ihnen am Studium besonders gefallen und was waren besondere Herausforderungen?
Esra Celin Kosan: Für mich war die besondere Erfahrung, mit Patienten zu arbeiten, einer der schönsten Faktoren im Studium. Toll war, dass ich das, was ich in der Theorie gelernt hatte, direkt auch praktisch nutzen konnte, um den Menschen sofort helfen zu können – und zwar auch so, dass dabei gute Ergebnisse herauskamen und die Patienten zufrieden waren. Das Studium war für mich am Anfang ganz anders als alles, was man in der Schule macht. Am Gymnasium geht es einfach ganz anders zu – aber das erleben wahrscheinlich viele Studienanfänger so. Man muss sich neu orientieren. Und ich wusste, dass ich am Ende des Studiums Zahnärztin werde. Das war für mich der Antrieb, mich anzustrengen und fleißig zu sein.
Wie reagieren die Patienten darauf, dass Sie noch so jung sind?
Esra Celin Kosan: Am Anfang machen viele Patienten große Augen. Aber sobald die Behandlung angefangen hat, sind sie sehr zufrieden und kommen auch gern wieder. Es ist schön, dass ich sie durch meine Fähigkeiten davon überzeugen kann, dass ich trotz meines Alters genauso gut bin wie alle anderen und dass sie mir vertrauen können. Da bekomme ich viel positives Feedback.
Was machen Sie denn jetzt aktuell?
Esra Celin Kosan: Ich wurde schon während meines Studiums von meiner jetzigen Doktormutter angesprochen, ob ich nicht promovieren möchte. Das war für mich erstmal eine große Überraschung und auch Herausforderung, dass sie mir das zugetraut hat. Aktuell schreibe ich also an meiner Doktorarbeit. Das Thema ist die Befestigung von Glasfaserstiften mit Universaladhäsiven im Wurzelkanal. Das Thema ist also ein Bindeglied zwischen Endodontie und Prothetik. Diese Promotion werde ich hoffentlich bald abschließen.
Was planen Sie für die Zukunft?
Esra Celin Kosan: Ich habe verschiedene Ideen, aber konkret habe ich mich damit noch nicht befasst – das ist erst in den nächsten Monaten dran. Nach der Promotion werde ich erstmal meine zwei Jahre Assistenzzeit für die Kassenzulassung absolvieren – deshalb werde ich als erstes in einer Zahnarztpraxis angestellt sein. Aber ob ich später meine eigene Praxis gründe oder vielleicht sogar an der Uni bleiben oder im Ausland arbeiten möchte, habe ich noch nicht entschieden. Vorstellen könnte ich mir all das – da bin ich ziemlich offen.
Wie wichtig ist Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben?
Esra Celin Kosan: Es kommt stark auf das Timing an. Ich möchte mich nicht zwischen Beruf und Privatleben entscheiden müssen, weil beides zu mir gehört: Ich bin von Beruf Zahnärztin, aber gleichzeitig habe ich auch ein Privatleben. Man sollte immer versuchen, ein gesundes und ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatleben und Beruf zu finden. Ich möchte auf beides nicht verzichten – für mich ist es eines der wichtigsten Ziele im Leben, beides gut miteinander zu verbinden.