Recht/Haftung

Werbung als Zahnarzt: Was ist erlaubt, was nicht?

Die Frage nach der Zulässigkeit und insbesondere nach den Grenzen (zahn-)ärztlicher Werbung ist weiterhin nicht abschließend geklärt und daher regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Urteil vom 24.09.2013, Az.: 4 U 64/13) befasst sich mit „irreführender“ Werbung im Internet für zahnärztliche Leistungen.


Die Werbung mit den Leistungen von Selektivverträgen auf einer Praxis-Homepage wurde zum Gegenstand eines Rechtsverfahrens. vege/Fotolia.com


Jahrzehntelang bestand aufgrund der im ärztlichen Berufsrecht verankerten Pflicht zur Zurückhaltung ein absolutes Werbeverbot für Ärzte. Man befürchtete, anderenfalls einer berufsschädigenden Auswirkung der Werbung ausgesetzt zu sein, die im Ergebnis zu einer Verschlechterung der Versorgungsstrukturen für die Patienten führen würde. Im Laufe der 90er Jahre setzte jedoch eine Liberalisierung im Bereich des Berufsrechts der Freiberufler ein, sodass entsprechende Vergleiche – wie etwa gegenüber dem Beruf des Rechtsanwalts, dem die Berufsordnung zunehmend das Recht auf Eigenwerbung zugestand – einen solchen Schritt auch im Bereich des ärztlichen Berufsrechts nahelegten. Dies wurde Anfang der 2000er durch die Rechtsprechung [EGMR und BVerfG] und anschließend durch den 105. Deutschen Ärztetag im Jahr 2007 vollzogen.

Demnach ist es dem Zahnarzt mittlerweile erlaubt, durch Werbemaßnahmen auf sich aufmerksam zu machen. Doch die konkreten Maßstäbe sind weiterhin fließend und unterliegen im Ergebnis Einzelfallabwägungen des entscheidenden Gerichts. Unstreitig ist jedenfalls, dass das Recht auf ärztliche Werbung dort endet, wo eine Berufswidrigkeit vorliegt, sprich die Werbung anpreisend, irreführend, vergleichend oder ein Verstoß gegen andere gesetzliche Bestimmungen gegeben ist, da sonst die Qualität des medizinischen Versorgungssystems gefährdet wäre und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand verloren ginge. In einer jüngeren Entscheidung hatte sich das OLG Hamm anlässlich eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit eben dieser Frage zu befassen.

Werbung mit Selektivverträgen

In dem vorliegenden Fall bieten sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin der einstweiligen Verfügung Managementdienstleistungen im Gesundheitswesen an. Beide haben mit Krankenkassen und Krankenversicherern Verträge über die besondere ambulante vertragszahnärztliche Versorgung nach § 73 c SGB V abgeschlossen. Diese Selektivverträge erlauben es den Vertragspartnern, mit Wirkung für die gesetzlich Krankenversicherten für Teile der zahnärztlichen Versorgung Versorgungsinhalte außerhalb der Regelversorgung zu vereinbaren. Die Antragsgegnerin schaltete auf ihrer Website im März 2013 folgende Werbung, die sich an die Mitglieder der mit ihr im Rahmen der Selektivverträge verbundenen Krankenkassen richtete:

„1. Leistungsgarantie […] Es ist deutschlandweit das einzige Vollprogramm, bei dem Sie umfangreiche Leistungen zur Zahnvorsorge (PZR, Kinderprophylaxe), Zahnerhaltung (Kunststofffüllungen), für Zahnersatz (Kronen, Brücken, Prothesen) und für Implantate (auch Knochenaufbau und Sinuslift) erhalten. […] 2. Preisgarantie […] Diese Festpreise und Pauschalen sind in Deutschland einzigartig. Sie bieten dem Patienten eine Transparenz, die er sonst nirgendwo in Deutschland bekommt. Dadurch sind Sie vor bösen Überraschungen und hohen Zuzahlungen geschützt, weil es hier keine frei kalkulierbaren Privatleistungen und Gebührenfaktoren gibt. […] 3. Leistungsgarantie […] Hier werden Sie besser behandelt.“ [OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2013, Az.: 4 U 64/13]

Nach erfolgloser Abmahnung der nach Ansicht der Antragstellerin irreführenden Alleinstellungswerbung und fruchtloser Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wandte sich diese am 12.10.2012 mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Landgericht Essen. Dieses entschied (Az.: 42 O 13/13), dass der Antrag zulässig und begründet sei. Die Antragsgegnerin habe die oben dargestellten Werbemaßnahmen vollumfänglich zu unterlassen.

OLG Hamm: Aussagen auf  Website nicht durchweg irreführend

Dagegen richtete die Antragsgegnerin ihre Berufung an das OLG Hamm, das in seinem Urteil vom 24.09.2013 [Az.: 4 U 64/13] zu dem Ergebnis kommt, dass die von der Antragstellerin auf ihrer Website getätigten Aussagen nicht durchweg irreführend i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG sind. Die zulässige Berufung sei daher zumindest teilweise begründet.

Die streitgegenständlichen Aussagen auf der Website der Antragsgegnerin seien als geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu werten. Die Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) werde auch nicht durch § 69 S. 1 SGB V ausgeschlossen, nach dem das Vierte Kapitel des SGB V (neben §§ 63 und 64 SGB V) die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden abschließend regelt. Denn streitig sei vorliegend nicht etwa eine Rechtsbeziehung zwischen den genannten Parteien i. S. d. § 69 SGB V – sprich der Abschluss oder Inhalt der nach § 73 c SGB V geschlossenen Selektivverträge –, sondern vielmehr eine rein wettbewerbsrechtliche Frage.

Irreführungsverbot im UWG

So fuße der Antrag der Antragstellerin folgerichtig auch allein auf wettbewerbsrechtlichen Normen (konkret dem Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG), deren Beachtung jedem privaten Wettbewerber unabhängig von etwaigen Sonderzuweisungen des SGB V obliege. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG führt diesbezüglich weiter aus, dass eine geschäft‧liche Handlung dann irreführend ist, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Dienstleistung enthält. Für Werbung gelte, dass eine Irreführung dann gegeben sei, wenn durch sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein unrichtiger, da von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichender Eindruck vermittelt werde.

Adressatenkreis ist ausschlaggebend

„Wie eine Werbung verstanden wird, hängt maßgeblich von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richtet. Die in Rede stehende Internetseite der Antragsgegnerin wendet sich an diejenigen Mitglieder ihrer Partner-Krankenkassen, die an über die gesetzliche Regelversorgung hinausgehenden zahnärztlichen Leistungen interessiert sind. Wenngleich der Adressatenkreis hierdurch faktisch eingegrenzt wird, handelt es sich doch um eine sog. Publikumswerbung, die sich an das allgemeine Publikum, mithin im Prinzip an jedermann richtet. […] Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der dieser Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt […], wird die streitgegenständliche Werbung zwar mit normaler, wenn nicht gar größerer Aufmerksamkeit beurteilen […].

Denn die zahnärzt‧liche Versorgung ist nicht nur ein für jeden Patienten generell wichtiges Thema. Sie ist darüber hinaus für den sog. Kassenpatienten jedenfalls dann von erheblicher Relevanz, wenn sie über die durch die gesetz‧lichen Krankenversicherungen gewährte Regelversorgung hinausgeht und infolge dessen womöglich mit beträchtlichen Kosten, die vom Patienten selbst aufzubringen sind, verbunden ist. Dennoch werden ihm in der Regel die Besonderheiten des komplexen Leistungs- und Abrechnungssystems der Zahnärzte und Managementgesellschaften mit den Krankenkassen gerade nicht geläufig sein.“ [OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2013, Az.: 4 U 64/13]

1) Dies vorangestellt, werde der Adressat der Werbung durch die erste Werbeaussage, nach der das Zahngesundheitsprogramm deutschlandweit das einzige Vollprogramm sei, bei dem der Patient umfangreiche Leistungen zur Zahnvorsorge (PZR, Kinderprophylaxe), Zahnerhaltung (Kunststofffüllungen), für Zahnersatz (Kronen, Brücken, Prothesen) und für Implantate (auch Knochenaufbau und Sinuslift) erhalte, gleich in doppelter Hinsicht i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG irregeführt.

a) Zum einen werde er davon ausgehen, dass ein als „Vollprogramm“ betiteltes Zahngesundheitsprogramm alle – auch über die Regelversorgung hinausgehenden – zahnärztlichen Leistungen abdecke. Dies ergebe sich schon aus dem Wortsinn. Denn das Wort „Voll-“ – gleichzusetzen mit „vollständig“ oder „uneingeschränkt“ – als Erstglied des Kompositums „Vollprogramm“ bestimme das Grundwort „Programm“, sodass dieses dem Verständnis nach hinsichtlich der abgedeckten zahnärztlichen Leistungen tatsächlich vollständig sein müsste. Eine Einschränkung ergebe sich zudem weder aus dem anschließenden Relativsatz, der vielmehr darlege, inwieweit das Programm sich als solches deutschlandweit von allen anderen unterscheide, noch könne sich etwas anderes aus der neben der beanstandeten Aussage wiedergegebenen Preisliste ergeben, die die Vollständigkeit der zahnärztlichen Leistungen aus Sicht des Verbrauchers mangels Beurteilungsmöglichkeit nicht bestimme. Entgegen der Werbeaussage der Antragsgegnerin könne ihr „Vollprogramm“ jedoch nicht als uneingeschränkt bewertet werden, da maßgebliche zahnärztliche Leistungen wie konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen ausgeklammert seien. Der Umstand, dass es sich dabei um die Regelversorgung erweiternde Zusatzleistungen handele, spiele aufgrund des eben Dargelegten keine Rolle, da es insoweit allein auf den Umfang des als solches beworbenen, aber aufgrund der Ausklammerung nur vermeintlichen „Vollprogramms“ ankomme.

Relevante Irreführung

b) Darüber hinaus werde der Verbraucher aufgrund der Werbeaussage annehmen, dass es sich bei dem Zahngesundheitsprogramm um das einzige dieser Art handele. Die Antragstellerin habe indes die Unrichtigkeit der Alleinstellungsbehauptung glaubhaft gemacht, sodass auch in dieser Hinsicht eine Irreführung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG vorliege.

c) Die beanstandete Werbeaussage stelle im Ergebnis auch eine wettbewerblich relevante Irreführung i. S. d. § 5 UWG dar. Denn dafür sei es nicht erforderlich, dass der Verbraucher aufgrund der durch die Irreführung entstandenen Fehlvorstellung die beworbene Leistung tatsächlich in Anspruch genommen habe. Es reiche vielmehr aus, dass er sich aufgrund des „Anlockeffekts“ näher mit dem vermeintlichen „Vollprogramm“ der Antragsgegnerin befasse. Dies allein stelle schon einen relevanten – da die Marktentscheidung des Verbrauchers potenziell beeinflussenden – Wettbewerbsvorteil dar.

2) Die zweite Werbeaussage (s. o.) kann nach Ansicht des Gerichts hingegen nicht dahin gehend missverstanden werden, dass Festpreise und Pauschalen nur von der Antragsgegnerin offeriert würden.

„Denn der den maßgeblichen Absatz einleitende Satz beschränkt sich auf die Aussage, dass ‚diese‘ Festpreise und Pauschalen einzigartig sind. Das als Artikel verwendete Demonstrativpronomen ‚diese‘ dient klassischerweise dem rückwärtsweisenden Zeigen im Text, und zwar auf die nächste unmittelbar vorangehende Bezugsmöglichkeit. Dies ist hier der vorherige Absatz. Darin werden die Festpreise als Pauschalpreise, in denen beim Zahnersatz die Leistung des Zahnarztes und des Dentallabors zusammengefasst wird, erläutert. Die so beschriebene Form von Festpreisen als Pauschalpreisen ist nach dem bisherigen Sachstand tatsächlich bislang in Deutschland einzigartig, mithin die von der Antragsgegnerin insoweit aufgestellte Alleinstellungsbehauptung wahr.“ [OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2013, Az.: 4 U 64/13]

3) Auch im Fall der dritten Werbeaussage – „Leistungsgarantie […] Hier werden Sie besser behandelt“ – liege keine Irreführung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG vor, da es an einer Alleinstellungsbehauptung fehle. Weder sei die Aussage enthalten, dass der Patient im Rahmen des Zahngesundheitsprogramms der Antragsgegnerin am besten behandelt werde, noch, dass nur „hier“ eine bessere Behandlung stattfinde. Zudem fehle es schon an einem objektiv nachprüfbaren Aussagegehalt, da die Frage einer „besseren“ Behandlung nicht zuletzt eine solche des subjektiven Empfindens sei.

RA Jens-Peter Jahn

ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.

jens-peter.jahn@medizin-recht.com