Recht/Haftung

Urteil: Wann darf sich ein Behandler “Kinderzahnarzt“ nennen?

Gleich zwei aktuelle Urteile beschäftigten sich kürzlich mit der Zulässigkeit von Berufsbezeichnungen bei Zahnärzten. Dabei ging es um die Frage, wann sich ein Behandler Kinderzahnarzt nennen kann und ab wann er als Fachzahnarzt für Parodontologie gilt.


Foto: Michael Zapf


Die Bezeichnung als „Kinderzahnarzt“ ist berufsrechtlich nur zulässig, wenn der klar identifizierbar bezeichnete Zahnarzt nachweislich über einen entsprechenden Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendzahnheilkunde verfügt. Diese Auslegung des im Wege der Berufung zuständigen Oberverwaltungsgerichts NRW (Urteil v. 25.05.2012, Az. 13 A 1399/10) bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Beschluss vom 07.05.2013 (Az. 3 B 62/12).

Irreführende Berufsbezeichnung

Streitgegenstand des Verfahrens zwischen den klagenden Zahnärzten und der beklagten Zahnärztekammer war das durch diese ausgesprochene Verbot, mit der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ zu werben. Die Kläger verwendeten die Bezeichnung unter anderem in einem von ihnen herausgegebenen Flyer. Die Beklagten vertraten die Auffassung, diese Bezeichnung sei irreführend, weil bei den Patienten der falsche Eindruck entstehen könne, es existiere eine der Facharztqualifikation des Kinderarztes gleiche Qualifikation für Zahnärzte. Dieser Argumentation folgte das OVG NRW zwar nicht, jedoch bestätigte es das Verbot aufgrund der eigenen Auffassung. Die Bezeichnung der Kläger beziehungsweise ihrer Praxis als „Kinderzahnarzt“ sei irreführend, weil so der Eindruck erweckt werde, als verfügten die Kläger und sämt‧liche der von ihnen beschäftigten Zahnärzte jeweils über eine von der Beklagten anerkannte besondere personenbezogene Qualifikation in Form des Tätigkeitsschwerpunktes „Kinderzahnheilkunde“ – jedoch konnte nur eine der angestellten Zahnärztinnen eine entsprechende Schwerpunktsetzung vorweisen. Entgegen der Auffassung der Kläger sei dem Urteil nicht zu entnehmen, dass die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ immer eine berufswidrige Bezeichnung darstelle, sofern die Voraussetzungen für den Tätigkeitsschwerpunkt nicht erfüllt seien. Vielmehr war das Berufungsgericht der Ansicht, dass ein verständiger Patient bei der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ davon ausgehe, dass der bezeichnete Zahnarzt nachhaltig im Bereich der Kinder- und Jugendzahnheilkunde arbeite und darum mit den besonderen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen vertraut sei.

Diese Auslegung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht. Den Einwand der Kläger, die Richter könnten nicht beurteilen, ob die Bezeichnung irreführend sei, wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Es folgte den Ausführungen des OVG NRW, das zwar zunächst davon ausging, dass sich die Werbung an die Eltern von potenziellen Patienten richte, jedoch richte sie sich gleichzeitig an ein allgemeines Publikum und die Richter seien Teil dieses allgemeinen Publikums, sodass sie aus eigener Anschauung und Erfahrung heraus in der Lage seien, die Wirkung der Werbung zu beurteilen. Ergänzend zog das OVG NRW das Selbstverständnis des Bundesverbandes für Kinderzahnärzte (BuKiZ e. V.) heran. Dieser macht die Mitgliedschaft von Zahnärzten davon abhängig, ob ihr Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der Kinder- und Jugendzahnmedizin liegt und ob die Praxis dementsprechend ausgerichtet und ausgestattet ist. Zudem muss eine abgeschlossene Spezialisierung vorliegen. Die Berücksichtigung des Selbstverständnisses des BuKiZ e. V. in bloß ergänzender Weise, so das Bundesverwaltungsgericht, sei keine unzulässige Einbeziehung und somit nicht zu beanstanden. Vielmehr trage der Berufsverband maßgeblich zum Öffentlichkeitsbild des Begriffs „Kinderzahnarzt“ bei.

Formalisierte Weiterbildung erforderlich

Auch bei der Verwendung anderer zahnärztlicher Schwerpunkte ist es bereits zu Gerichtsverfahren gekommen: Die Zuerkennung der Gebietsbezeichnung Parodontologie setzt auch bei unzweifelhaft vorhandenen Kenntnissen und Erfahrungen auf diesem Gebiet den Nachweis der Absolvierung der formalisierten Weiterbildung entsprechend dem Heilberufsgesetz (HeilBerG NRW) und der Weiterbildungsordnung (WBO) der Zahnärztekammer im Bereich der Parodontologie voraus. Dies gilt auch, wenn der Betreffende jahrzehntelang berechtigt war, Fachzahnärzte für Parodontologie weiterzubilden (OVG NRW, Beschl. v. 30.08.2013, Az. 13 A 2254/12). Der Kläger beantragte bei der zuständigen Zahnärztekammer die Zuerkennung des Fachzahnarzttitels für Parodontologie. Nach Ablehnung dieses Antrags erhob er Klage, die jedoch durch das VG Arnsberg abgewiesen wurde. Die Berufung wurde nicht zugelassen.

Der Antragsteller begehrte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Arnsberg. Das OVG NRW stellte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG Arnsberg fest. Dem Kläger sei zu Recht die Zuerkennung der Gebietsbezeichnung Parodontologie verwehrt worden, da dieser nicht den Nachweis der Absolvierung einer Weiterbildung entsprechend dem HeilBerG NRW und der WBO der Zahnärztekammer erbringen konnte. Aufgrund des beruf‧lichen Werdegangs des Klägers kamen nur Zeiträume vor 1984 für die Absolvierung einer solchen Weiterbildung in Betracht, jedoch sei eine in dieser Zeit absolvierte Weiterbildung entgegen der klägerischen Behauptung nicht mit der heutigen regulären Weiterbildung vergleichbar, weil sie nicht auf dem Stand der heutigen Wissenschaft und Technik habe erfolgen können. Auch die Ernennung des Klägers zum DGP-Spezialisten für Parodontologie genüge insoweit nicht den Anforderungen nach § 39 Abs. 7 HeilBerG NRW, § 7 Abs. 1 WBO zur Anerkennung einer vergleichbaren Weiterbildung.

Ausbildungstätigkeit reicht nicht aus

Weiter führte der Kläger an, dass es widersinnig sei, dass er jahrzehntelang berechtigt gewesen sei, Fachzahnärzte für Parodontologie auszubilden, nun jedoch nicht berechtigt sei, die entsprechende Bezeichnung zu führen. Der Kläger war mit Beschluss vom 29.04.1998 (Az. 13 A 5776/96) zur Weiterbildung für das Gebiet Parodontologie ermächtigt worden, da das Gericht zu der Auffassung gelangte, dass ihm die Ermächtigung zu erteilen sei, da er über die entsprechende persön‧liche und fachliche Eignung gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 HeilBerG NRW verfüge. Das OVG NRW lehnte eine Übertragung der Entscheidung mangels ausreichender Vergleichbarkeit ab. Weder das Heilberufsgesetz noch die Weiterbildungsordnung ließen eine ausnahmsweise Anerkennung der Gebietsbezeichnung zu. Grundvoraussetzung sei immer das Durchlaufen einer formalisierten mehrjährigen Weiterbildung.

Zuletzt verneinte das Gericht eine Verletzung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Regelungen, die die Berufsausübung betreffen, seien zulässig, da sie die Tätigkeit im Grundsätzlichen nicht berührten. Solche Berufsausübungsregelungen seien verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit sie dem Gemeinwohl nützlich, zweckdienlich und erforderlich seien. Die Regelungen über die Weiterbildung und die Führung entsprechender Bezeichnungen dienen dem Schutz der Patienten, damit diese eine erworbene Qualifikation des (Zahn-)Arztes erkennen und gleichsam erwarten können.

 RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen.
Kontakt: jens-peter.jahn@medizin-recht.com