Urteil des Landgerichts Hamburg

Partnerfactoring – ein zukunftssicheres Modell

Ende Mai dieses Jahres sorgte ein Urteil des Landgerichts Hamburg dafür, dass (Zahn)Ärzte, Dentallaborbetreiber und Factoringdienstleister ein etabliertes Geschäftsmodell hinterfragen. Nicht wenige Juristen ließ es doch arg verwundert zurück.


Ein Urteil zum Partnerfactoring verwundert Juristen und Zahnärzte Böll


Das LG Hamburg kam in seinem Urteil (Urt. v. 30.05.2017 – 406 HKO 214/16) zu der Erkenntnis, die Bewerbung des sogenannten Partnerfactorings im Zusammenhang mit Abrechnungsdienstleistungen für Zahnärzte sei wettbewerbsrechtlich dann unzulässig, wenn ein Teil der anfallenden Factoringgebühren durch ein in die zahnärztliche Behandlung und Abrechnung einbezogenes Dentallabor getragen wird.
Diskutiert wurde dieses Urteil auch und vor allem im Zusammenhang mit den durch das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen eingeführten §§ 299a und 299b StGB.

Vorweggenommen bleibt zunächst festzuhalten: Die Entscheidung des LG Hamburg verhält sich in keinster Weise zur Frage einer möglichen (Korruptions-)Strafbarkeit des Partnerfactorings. Denn mit der Fragestellung, ob dieses Factoringmodell etwa unter den neuen Korruptionsstraftatbestand des § 299a StGB subsumiert werden kann, hat sich das Gericht gar nicht befasst. Wollte man ausschließlich der öffentlichen Wahrnehmung Glauben schenken, konnte man jedoch den Eindruck gewinnen, dass das Gericht die Strafbarkeit des langjährig etablierten Partnerfactorings positiv festgestellt und die beteiligten Vertragspartner an den (strafgerichtlichen) Pranger gestellt habe.

Die Frage des Strafbarkeit

Dabei handelte es sich zunächst um eine Entscheidung einer Kammer für Handelssachen – mithin eines Zivilgerichts. Die Frage der Strafbarkeit aufgrund §§ 299a, 299b StGB hätte sich insoweit ausschließlich gestellt, hätte das Gericht den sogenannten wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestand aufgrund eines Verstoßes gegen eine Strafnorm bejahen wollen. Das LG Hamburg hat sich jedoch dafür entschieden, die Begründung seiner Entscheidung an einem Verstoß gegen § 9 GOZ festzumachen – ganz ohne auf das Korruptionsstrafrecht zurückzugreifen. Anlässlich so mancher Presseechos hätte man auf den Gedanken kommen können, dass sich das Urteil ausschließlich zur Frage der Strafbarkeit des Partnerfactorings verhält.

Die Einführung der Korruptionsstraftatbestände der §§ 299a, 299b StGB hatte in der Vergangenheit vielfach dazu geführt, dass Dienstleister von Factoringmodellen nur noch sehr zurückhaltend für das Partnerfactoringmodell warben oder aber dieses gänzlich aus dem Angebotsportfolio entfernten. Ein Wettbewerber, der diesen konservativen Schritt gegangen war, klagte nunmehr gegen einen anderen Factoringdienstleister, der das Partnerfactoringmodell gleichwohl weiterhin vorhält – und zwar auf Unterlassen aufgrund eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes. Denn die Beklagte stifte – so die Argumentation der Klägerin – sowohl den jeweiligen Zahnarzt als Zuwendungsempfänger als auch das Dentallabor als Zuwendenden unmittelbar zur Verwirklichung der Straftatbestände der §§ 299a, 299b StGB an, indem es das Dentallabor veranlasse, dem jeweiligen Zahnarzt als Gegenleistung für den erteilten Laborauftrag eine Zuwendung in Höhe der vom Labor übernommenen Factoringgebühr zu gewähren, bzw. den Zahnarzt, einen solchen Vorteil zu fordern bzw. anzunehmen. Die Beklagte hingegen führte aus, der Sachverhalt sei letztlich nicht anders zu beurteilen, als wenn eine Vereinbarung eines Barzahlungsrabatts – eines sog. Skontos – geschlossen worden wäre. Und es sei anerkannt, dass eine solche Rabattierung bis zu einer Höhe von drei Prozent des Forderungsbetrags zulässigerweise nicht unmittelbar an den Patienten bzw. den Kostenträger weitergegeben werden müsse.

Partnerfactoringmodell verstösst gegen GOZ

Nach Auffassung des Gerichts verstößt das Partnerfacoringmodell der Beklagten gegen § 9 Abs. 1 GOZ, denn abgerechnet werden dürften nur die vorgesehenen Gebühren für die erbrachte zahnärztliche Leistung. Daneben könnten nur jene Kosten für zahntechnische Leistungen als Auslagen in Ansatz gebracht werden, die tatsächlich und in angemessener Höhe entstanden sind. Preisnachlässe und Rabattierungen seien grundsätzlich an die Patienten weiterzureichen und daher bei der Abrechnung der Leistungen zu berücksichtigen. Zwar stellt auch das Landgericht Hamburg nicht infrage, dass Barzahlungsrabatte bis zu einer Höhe von drei Prozent des Forderungsbetrags zulässig sind.

Nicht nachvollziehbar kommt das Gericht indes zu dem Schluss, dass das von der Beklagten angebotene Partnerfactoringmodell die Voraussetzungen eines üblichen Barzahlungsrabatts gerade nicht erfüllt. Wenn dies nicht allein bereits genug verwundert, so lässt die Begründung des Gerichts den interessierten Leser des Urteils jedenfalls fragend zurück. So stellt das Gericht zunächst die Hypothese in den Raum, ein Barzahlungsrabatt in Höhe von drei Prozent entspreche aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus nicht mehr der Verkehrsüblichkeit – ohne diese Behauptung argumentativ zu belegen.

Die Gewährung von Skonti von bis zu drei Prozent auf zahntechnische Leistungen ist jedoch sehr wohl branchenüblich (vgl. auch GOZ-Kommentar der BZÄK, § 9 Rn. 1; Liebold/Raff/Wissing, GOZ, § 9 Rn. 3; Spickoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 9 GOZ, Rn. 4) und in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und auch der Sozialgerichtsbarkeit seit jeher akzeptiert (BSG, Urteil vom 01.07.1992, – 14a/6 RaK 22/91; OLG Koblenz, Urteil vom 23.09.2004 – 10 O 90/04; LG Köln, Urteil vom 03.06.2004 – 15 O 797/01). Einige Gesamtverträge der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen zur Abrechnung zahnärztlicher Leistungen enthalten explizit Regelungen zu solchen Barzahlungsrabatten (vgl. etwa Bayern und Niedersachsen). In der Regel ist daher davon auszugehen, dass Skonti branchenüblich und sozialrechtlich legitimiert sind, wenn sie bis zu einer Höhe von drei Prozent gewährt werden und die Möglichkeit, diese in Anspruch zu nehmen, nur innerhalb von relativ kurzen Zeiträumen (14 Tage, „unverzüglich“) nach Rechnungsstellung besteht (GOZ Kommentar der BZÄK, § 9 Rn. 1).

Verkehrsübliche Skontofrist

Wenigstens ebenso verwunderlich erscheint die Argumentation, das Partnerfactoring knüpfe an die Abrechnung des Zahnarztes, nicht hingegen an jene des Dentallabors gegenüber dem Zahnarzt an. Aus diesem Grund sei eine Zahlung binnen der verkehrsüblichen Skontofrist nach Rechnungserteilung im Verhältnis Dentallabor und Zahnarzt in keiner Weise gewährleistet. Aus dieser Überlegung leitet das Gericht den Gedanken her, dass es an einer Vergleichbarkeit eines etwaigen Barzahlungsrabatts im Rahmen des Partnerfactorings mit den verkehrsüblichen Skonti fehle.

Ohne an dieser Stelle zu tief in die juristische Materie gehen zu wollen, bleibt doch zu sagen, dass die Überlegungen des Landgerichts Hamburg nicht nachvollziehbar sind. Dies begründet sich einerseits daher, dass die Frage des Zeitpunkts, der hier im Zusammenhang mit der Frage einer Vergleichbarkeit von dem Gericht gewählt wurde, nicht nachvollziehbar erscheint. Denn das Gericht stellt die Hypothese auf, ein Skonto sei in aller Regel nur zu gewähren, wenn das Labor kurzfristig nach Leistungserstellung und Abrechnung bezahlt werde.

Zeitlicher Ausgangspunkt muss jedoch nicht die Frage sein, wann das Dentallabor die Leistung gegenüber dem Zahnarzt erbracht hat. Vielmehr ist entscheidend, wann das Dentallabor die Gegenleistung in Form des Werklohns für die erbrachte zahntechnische Leistung tatsächlich fordern darf. Abzustellen ist dabei auf die Abnahme des Werks, die bei zahntechnischen Leistungen erst mit Eingliederung des Zahnersatzes vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2009 – I-5 U 135/08). Der entscheidende Fälligkeitszeitpunkt liegt zeitlich nach dem Zeitpunkt der Lieferung der Laborleistung an den Zahnarzt – und an diesem Zeitpunkt ist die Frage der Vergleichbar- bzw. Zulässigkeit des Barzahlungsrabattes zu messen.

Daneben bleibt die Tatsache, dass es der Verkehrsüblichkeit entspricht, gerade keine Einzelabrechnungen, sondern vielmehr Sammelabrechnungen gemessen an einer Monatsaufstellung zu erstellen, gänzlich unbeachtet. Denn das Gericht übersieht dabei, dass viele Labore ihre Leistungen erst am Monatsende in einer Sammelrechnung gegenüber den Zahnärzten abrechnen und die Leistungen damit fällig stellen. Auch damit hätte sich das Landgericht Hamburg auseinandersetzen müssen, denn auch insoweit kommt es in aller Regel zu einer Verschiebung der Zahlungsfrist hinsichtlich der abgerechneten Leistungen des Dentallabors im Verhältnis zu dem Zahnarzt.

Eine derart pauschale und damit undifferenzierte Betrachtungsweise wird indes dem Sachverhalt nicht gerecht – insbesondere auch vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Bedeutung des Partnerfactorings für die Praxis der Zahnärzte und Dentallabore. Gerade vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass das Urteil des Landgerichts mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen worden ist. Es bleibt abzuwarten, ob das Berufungsgericht die Entscheidung korrigiert und so für ein Mehr an Rechtssicherheit sorgen wird.