Mit Rabattgutschein zum Zahnarzt?
Der Bundesgerichtshof BGH hatte am 21. Mai 2015 einen Fall zu entscheiden (Az.: I ZR 183/13), bei dem es darum ging, ob Rabattgutscheine für zahnärztliche Leistungen in Internetportalen für die Kundengewinnung verboten sind. Vor allem die Berufswidrigkeit stand dabei zur Debatte.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Landeszahnärztekammer Nordrhein erhob Unterlassungsklage gegen den Betreiber eines Internetportals. Dieser bot zu rabattierten Preisen Zahnreinigungen, Bleaching-Leistungen, kieferorthopädische Zahnkorrekturen, Implantatversorgungen, prothetische Versorgungen und Zahnfüllungen an. Die Nutzer dieses Portals konnten die vorgenannten zahnärztlichen Leistungen zu vergünstigten Preisen erwerben, sofern sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine gewisse Mindestanzahl von Käufern finden ließ. Die zahnärztlichen Leistungen wurden nach Abschluss eines „Deals“ dann auf der Grundlage von eigenständigen Kooperationsverträgen durch Zahnärzte erbracht. Im Fall der Behandlung des Patienten leisteten die Zahnärzte dann 50 Prozent der rabattierten Preise als Erfolgsprämie an den Internetbetreiber.
Mit der Unterlassungsklage macht die Zahnärztekammer Nordrhein geltend, dass die von den Zahnärzten an die Beklagte zu zahlende Erfolgsprämie für die Vermittlung der Patienten mit dem berufsrechtlichen Gebot der Unabhängigkeit der Zahnärzte nicht zu vereinbaren sei. Zudem geht die Zahnärztekammer davon aus, dass die Beklagte an den Verstößen der Zahnärzte gegen ihr Berufsrecht als Gehilfin beteiligt sei.
Berufswidrige Werbung
Das Landgericht (LG) Berlin (Az.: 52 O 231/11) hat am 28. Juni 2012 in erster Instanz Werbung für zahnärztliche Leistungen in dieser Art und Weise untersagt. Unzulässig seien die Festpreiswerbung, die Gebührenunterschreitung und die Werbung mit einem Rabatt von 65 Prozent. Dies, so das Gericht, stelle einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 11 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit § 15 Berufsordnung (BO) der Zahnärztekammer Nordrhein dar, wonach dem Zahnarzt unter anderem reklamehafte Werbung untersagt ist, so dass die Werbung als berufswidrig eingestuft wurde.
Zurückgewiesen wurden hingegen die Unterlassungsanträge, die mit einer Beeinträchtigung der zahnärztlichen Unabhängigkeit aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Internetbetreiber und den kooperierenden Zahnärzten sowie einer unzulässigen Zuweisung von Patienten gegen Entgelt begründet wurden.
Zuweisung mit Prämie unzulässig?
In zweiter Instanz hat das Kammergericht Berlin auf die Berufung des Internetbetreibers vom 9. August 2013 (Az.: 5 U 88/12) die Entscheidung des LG Berlin bestätigt. Darüber hinaus haben die Richter entschieden, dass die Zahlung einer Erfolgsprämie auf der Grundlage des Kooperationsvertrags eine unzulässige Zuweisung von Patienten gegen Entgelt darstelle.
Schließlich hat der BGH in dritter Instanz das Berufungsurteil hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung wegen der Vereinbarung einer unzulässigen Zuweisung von Patienten gegen Entgelt aufgehoben und das landgerichtliche Urteil wieder hergestellt. In seiner Urteilsbegründung heißt es, die nach dem Kooperationsvertrag und den verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen beanspruchte Prämie für die Vermittlung von Patienten stelle kein unzulässiges Entgelt für die Zuweisung von Patienten dar. Ein Verstoß nach § 1 Abs. 5 der Berufsordnung Zahnärzte Nordrhein sei daher zu verneinen. Zahnärzte sollen – so die Richter – keine Verpflichtungen eingehen, die die Unabhängigkeit bei der Berufsausübung beeinträchtigen können. Ein Geschäftsmodell, an dem sich ein Zahnarzt beteiligt, sei mit § 1 Abs. 5 BO Zahnärzte Nordrhein unvereinbar, wenn es die Gefahr begründet, dass ein Zahnarzt sich bei der Behandlung nicht am Patientenwohl orientiert, sondern an seinen eigenen wirtschaft‧lichen Interessen.
Vergütung: kein Zuweisungsentgelt
Nicht zulässig sei es daher, sich im Vorfeld der Behandlung in der Weise zu binden, dass der Zahnarzt Dritten für die Zuweisung von Patienten eine Gewährleistung verspricht oder gewährt. Eine Gefahr dahin, dass ein vertraglich mit der Beklagten verbundener Zahnarzt bei der Behandlung eines Gutscheininhabers an eigenen wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet sei, sei hier jedoch nicht gegeben, da die Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers des Geschäftsmodells die Auslegung zulassen, dass der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten aus medizinischen Gründen ohne Kostennachteile ablehnen kann. Auch mit der Laufzeit von 24 Monaten und dem Recht des Betreibers, Gutscheine in beliebiger Zahl zu verkaufen sei keine Beeinträchtigung der zahnärztlichen Unabhängigkeit ersichtlich.
Nach der Ansicht des BGH hatte die Kooperation der Beklagten mit Zahnärzten keine andere Auswirkung auf das Patientenwohl als das kostenpflichtige Zurverfügungstellen einer Internetplattform zum Anbieten freiberuflicher Leistungen. Die vom Zahnarzt abzuführende Vergütung sei also kein Zuweisungsentgelt, sondern das Entgelt für die Nutzung der Internetplattform.
Im Ergebnis ist also festzuhalten: Die Werbung mit Festpreisen und mit Rabattgutscheinen bei Gewährung eines Rabatts von 65 Prozent ist anpreisend und damit berufswidrig. Es stellt aber kein unzulässiges Zuweisungsentgelt dar, wenn sich Zahnärzte verpflichten, im Fall der Behandlung des Patienten 50 Prozent der rabattierten Preise als Erfolgsprämie an den Internetbetreiber zu zahlen.
RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
koeln@medizin-recht.com