Formvorschrift des § 2 Abs. 3 GOZ

Honoraranspruch – auch ohne Unterschrift

Auch wenn ein Heil- und Kostenplan (HKP) nicht der Form des § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ genügt und daher nichtig ist, kann ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag konkludent durch Behandlung auf der Grundlage des ausgewählten HKP zustande kommen.


© SZ-Designs/fotolia


Mit Urteil vom 3. November 2016 (Az.: III ZR 286/15) hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich klarstellend gegen das Recht des Zahnarztes ausgesprochen, ein Honorar für über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende privatärztliche Zahnarztleistung verlangen zu können, wenn zuvor keine schriftliche Vereinbarung über die Vergütung in einem Heil- und Kostenplan getroffen wurde. Das der Zahnärztin dennoch die Vergütung zugesprochen wurde, verdankt sie einem „juristischen Kunstgriff“ des Gerichts.

In dem vom BGH entschiedenen Fall nahm eine Zahnärztin eine gesetzlich krankenversicherte Patientin auf Zahlung des Eigenanteils für zahnprothetische Leistungen in Anspruch. Nach Vorstellung in der Praxis hatte die Klägerin zwei Heil- und Kostenpläne für die Beklagte erstellt. Während der eine Plan die Erbringung reiner kassenzahnärztlicher Leistungen ohne Eigenanteil zum Gegenstand hatte, sah der andere HKP – nach Ansicht des Gerichts – zusätzliche, zahnmedizinisch nicht notwendige Arbeiten vor. Unter anderem waren eine mehrflächige Keramikverblendung sowie eine keramikverblendete Krone mit Geschiebe als Halterung vorgesehen. Der zweite HKP wies einen voraussichtlich zu erbringenden Eigenanteil der Beklagten in Höhe von 6.838,52 Euro aus.

HKP ohne Unterschrift

Die Beklagte wurde von einer Mitarbeiterin der Klägerin darauf hingewiesen, dass sie ihr Einverständnis zu der entsprechenden Behandlung schriftlich erklären müsse. Nachdem die Beklagte beide Pläne zunächst mit nach Hause genommen hatte, reichte sie den zweiten Plan, der den Eigenanteil auswies, bei ihrer Krankenversicherung ein. Die Krankenversicherung erteilte in der Folgezeit ihre Genehmigung und reichte den HKP mit entsprechendem Genehmigungsvermerk an die Beklagte zurück.

Die Beklagte legte diesen HKP der Klägerin vor. Dabei unterließ sie allerdings, die vorgesehenen Unterschriften zu tätigen. Das Fehlen der Unterschrift wurde von den Praxismitarbeitern der Klägerin nicht bemerkt. In der Folge erbrachte die Klägerin die zahnprothetischen Leistungen entsprechend dem HKP und verlangte die Zahlung eines Eigenanteils von 3.860,30 Euro. Trotz Mahnung leistete die Beklagte jedoch nicht. Daraufhin erhob die Zahnärztin Klage und versuchte den ausstehenden Rechnungsbetrag gerichtlich geltend zu machen.

Im Prozess trug die Beklagte vor, hinsichtlich eines von ihr zu tragenden Eigenanteils liege keine schriftliche Vereinbarung vor. Nachdem das Amtsgericht die Beklagte erstinstanzlich noch zur Zahlung des gesamten Betrags verurteilt hatte, wies das Landgericht auf die Berufung der Beklagten hin die Klage insgesamt ab.

Schutz des Patienten vor einer übereilten Bindung

Der BGH stellt in seiner Entscheidung zunächst klar, dass Gegenstand der Eigenanteilsrechnung zahnärztliche Leistungen seien, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgingen. Solche Leistungen könne ein Zahnarzt jedoch nur dann berechnen, wenn sie auf Verlangen des zahlungspflichtigen Patienten, nach Aufklärung über die fehlende zahnmedizinische Notwendigkeit, erbracht worden sein (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ). Die Leistungen und deren Vergütung müssen ferner vor Beginn der Behandlung in einem entsprechenden HKP schriftlich vereinbart werden (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ).

Dabei handele es sich um eine gesetzlich vorgesehene Schriftform im Sinne des § 126 BGB. Sinn und Zweck der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 GOZ seien der Schutz des Patienten vor einer übereilten Bindung sowie die Information des Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und den voraussichtlichen Kostenanteil.

Im vorliegenden Fall ging der BGH davon aus, bei der mehrflächigen Keramikverblendung und der keramikverblendeten Krone handele es sich um solche „Verlangensleistungen“, denn diese würden allein darauf beruhen, dass die Patientin eine ästhetisch ansprechende Lösung verlangt habe. Damit hätte eine schriftliche Fixierung innerhalb eines HKP, den beide Parteien unterschrieben hätten, erfolgen müssen. Das Fehlen der Unterschriften begründe einen Formmangel, der die Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung zur Folge habe.

Schwere Treuepflichtverletzung

Anders als das Berufungsgericht geht der BGH jedoch davon aus, dass sich die Beklagte nicht auf die Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung innerhalb des HKP berufen kann. Ein solcher Vortrag verstoße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Denn das Berufen auf einen Formangel sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH dann unzulässig, wenn eine besonders schwere Treuepflichtverletzung einer Partei vorliege. Etwa dann, wenn die Partei sich auf den Formmangel (und damit die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts) berufen will, nachdem sie über einen längeren Zeitraum die Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung für sich in Anspruch genommen habe.

So liegt der Fall nach Auffassung des BGH hier. Denn das Gericht hat es als erwiesen angesehen, dass die Beklagte umfassend über die geplante zahnärztliche Leistung und die dadurch voraussichtlich entstehenden Kosten aufgeklärt wurde. Die Beklagte habe ausschließlich den zweiten – einen erheblichen Eigenanteil ausweisenden – HKP an ihre Krankenversicherung weitergeleitet und sich damit ausdrücklich für die teurere Behandlungsalternative entschieden. Daraus folgt jedoch auch, dass dieses Verhalten der Patientin Berücksichtigung finden muss. Wenn sich die Beklagte jedoch, nachdem sie alle Vorzüge dieser gewählten Behandlung in Anspruch genommen habe, auf die mangelnde Schriftform berufe und eine Bezahlung der geschuldeten Vergütung verweigere, so sei dies als im hohen Maße widersprüchlich und treuwidrig anzusehen.

Der Zahnärztin darf auch nicht ausnahmsweise der Schutz verwehrt werden. Sie durfte auf das Zustandekommen einer wirksamen Vergütungsvereinbarung vertrauen. Dazu führt der BGH ausführlich aus, dass die Klägerin deswegen schutzwürdig sei, weil weder ihr noch ihren Mitarbeitern der Formmangel in Form der fehlenden Unterschrift bekannt gewesen sei. Auch könne ihr (oder ihren Mitarbeitern) nicht der Vorwurf gemacht werden, den Formmangel grob fahrlässig verkannt zu haben. Denn grobe Fahrlässigkeit bedürfe eines in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoßes gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Dass die Praxismitarbeiterin der Klägerin das Fehlen der Unterschriften übersehen habe, könne gerade einen solchen groben Fahrlässigkeitsvorwurf nicht begründen.

Formerfordernisse immer verfolgen

Der vorliegend dargestellte Fall führt deutlich vor Augen, dass der BGH der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 GOZ einen hohen Stellenwert zuschreibt – auch und gerade, um dem Schutzzweck der Norm gerecht zu werden. Zur Vermeidung von Unklarheiten hinsichtlich der Vergütungsfrage und nicht zuletzt aus Gründen erheblicher Beweiserleichterung, sollte doch eine gerichtliche Durchsetzung des Vergütungsanspruchs im Einzelfall notwendig werden, kann nur angeraten werden, mit größter Sorgfalt die Einhaltung der gesetzlichen Formerfordernisse zu verfolgen.

Gleichwohl muss der BGH sich die Frage gefallen lassen, ob mit dem Weg über einen Treuepflichtverstoß der Patientin nicht letztlich zwar der folgerichtige, jedoch umständlichere gewählt worden ist. Denn auf die Frage eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB wäre es vorliegend gar nicht angekommen, wäre das Gericht nicht gleichsam „übereilt“ vom Vorliegen der Voraussetzung einer zahnmedizinisch nicht notwendigen Versorgungsleistung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ ausgegangen. Es kann durchaus diskutiert werden, ob es bei der in Rede stehenden Versorgung um eine Leistung handelt, die über das Maß einer gebotenen Versorgung hinausgeht.

Anders als im Rahmen der Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten sieht die GOZ nämlich gerade keine auf einen Mindeststandard garantierte – jedoch gleichsam reduzierte – ausreichende Behandlung vor. Ein dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V entsprechendes Äquivalent existiert innerhalb der GOZ nicht. Wenn jedoch Wirtschaftlichkeitsaspekte nicht als Maßstab der Notwendigkeit heranzuziehen sind, folgt daraus, dass zahnmedizinisch notwendig auch eine Versorgung sein kann, die sich im Verhältnis zu einer anderen als aufwendiger darstellt (vgl. Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage, 2014, GOZ, § 1 Rnr. 13). Dass sich die Wahl einer Keramikverblendung unter Umständen zwar aufwendiger und kostenintensiver darstellt, kann der Versorgung per se nicht den Wert einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgungsleistung nehmen. Mit anderen Worten: Was teurer ist, muss nicht gleichzeitig über das Maß einer notwendigen Versorgung im Einzelfall hinausgehen.

RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
koeln@medizin-recht.com