Bewegung beim Thema Abrechnung

GOZ 2012: Ein Zwischen-Fazit

Seit dem 1. Januar 2012 gilt die neue Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Zurzeit kommt wieder Bewegung in das Abrechnungsthema. Unterstützt wird das Ganze auch von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die eine neue Urteiledatenbank zu GOZ-Entscheidungen online veröffentlicht hat.


Zahnersatz Kosten vdek

Die Kosten für Zahnersatz machen den geringsten Anteil der Leistungsausgaben aus © Balzer – fotolia/stock.adobe.com


Die BZÄK hat eine Datenbank konzipiert (www.bzaek.de/fuer-zahnaerzte/urteiledatenbank.html), die allen Interessierten die Möglichkeit bietet, nach Urteilen zur neuen GOZ zu recherchieren, die Urteile im Volltext einzusehen und zur Weiterverwendung herunterzuladen. Nutzer können nach Paragraph und nach Gebührennummer suchen oder in der Freitextsuche nach relevanten Stichworten recherchieren. Außerdem gibt es verschiedene Übersichten, in denen sich der Zahnarzt zum Beispiel einen Überblick über alle aktuellen Urteile verschaffen kann.

Dr. Susanna Zentai, Medizinanwältin und Expertin für Abrechnungsstreitigkeiten vor Gericht, beurteilt die Datenbank positiv. „Sie ist sicherlich ein guter Service der BZÄK und gut strukturiert.“ Zentai findet auch den Aspekt gut, dass man Urteile in der Datenbank einreichen kann. „Für die Neutralität lässt sich anführen, dass auch ablehnende Urteile eingestellt sind. Denn das Argument der Kostenträger ist so zwingend wie einfach: Was vonseiten der Zahnärzte kommt, muss ja gefärbt sein.“

Ob grundsätzliche Aussagen zu Abrechnungen durch die Urteile der Datenbank getroffen werden können, kommt für die Rechtsanwältin immer ganz drauf an. „Es ist ja nicht selten, dass das eine Gericht ja sagt und das andere nein. Wobei dann womöglich die Sachverhalte unterschiedlich waren, die Anwälte unterschiedlich gut informiert oder die Sachverständigen schlicht unterschiedlicher Meinung sind.“ In der Regel bleibt für Zentai der Einzelfall entscheidend, aber schon ergangene Urteile haben „natürlich eine nicht unerhebliche Schlagkraft“. Oft würden solche Urteile auch in Entscheidungsgründen der Gerichte zitiert.

Aussagen zur Abrechnung könnte die Datenbank in jedem Fall treffen. Für die Zahnarztpraxen sieht Zentai schon einen Vorteil, wenn man gegenüber dem Patienten und dem Kostenträger auf die Homepage der BZÄK verweisen kann und dann auch noch auf Urteile. Zudem dürfe man auch nicht vergessen, dass ja auch immer mehr Patienten sich online über ihre Kostenvoranschläge und Behandlungen informieren. Auch diese könnten dann auf die GOZ-Urteiledatenbank stoßen.

Als Medizinanwältin beschäftigt sich Zentai beruflich viel mit der GOZ und steht selbst in Abrechnungsstreitfällen mit ihren Mandanten vor Gericht. Seit der Einführung der neuen GOZ vor etwas mehr als vier Jahren gab es schon einige Grundsatzurteile, auch wenn es zu vielen Abrechnungsziffern noch überhaupt keine Übereinstimmungen. Es gibt – das belegt auch die Datenbank auf der BZÄK-Internetseite – einige Schwerpunkte.

Unmittelbar nach Inkrafttreten der GOZ 2012, erklärt Zentai, herrschte vonseiten der Kostenträger zunächst absolute Stille. „Markant fand ich in diesem Zusammenhang, dass eine große Krankenversicherung aus Köln gemeinsam mit dem Kölner Anwaltsverein zu einer kostenlosen Fortbildung von Anwälten zur neuen GOZ eingeladen hatte. Morgens saßen wir uns also vor Gericht mit den Kollegen gegenüber und abends bei der Fortbildung.“

Nach diesen langsamen Anfängen kam es dann zu ersten Urteilen. Und Urteile gab es immer nur da, wo die Kostenträger gekürzt haben. Und diese hätten immer schon bestimmte Kürzungen vorgenommen, es gibt aber insbesondere zwischen den einzelnen Kostenträgern auch deutliche Unterschiede. Zentai: „Besonders deutlich wird das bei Labor- und Materialkosten. Der eine kürzt auf die Sachkostenliste, der andere auf BEL, wieder ein anderer auf einen ominösen ‚Stundensatz‘ und und und …“

Vergleich kurz vor Schluss

Die Expertin hat zudem den „Verdacht“, dass es zu vielen Abrechnungsziffern keine Urteile gibt, da die Verfahren in einem Vergleich endeten. Ein Vergleich freue laut Zentai den „normalen“ Anwalt (Vergleichsgebühr) und den Richter (kein Verfassen von Urteilsgründen). „Wir ziehen unsere Verfahren in der Regel durch, damit sozusagen alle etwas davon haben. Dabei machen uns die Kostenträger allerdings immer wieder einen Strich durch die Rechnung, indem sie kurz vor Schluss die Forderung anerkennen und zahlen.“

Die Kölnerin geht aber davon aus, dass sich die Bandbreite der strittigen Ziffern zukünftig deutlich erhöhen wird. Dabei werden natürlich auch einige Ziffern gänzlich aus dieser Diskussion rausgehalten. Neue Streitigkeiten entstehen meist bei neuen Verfahren und Materialien.

Verhältnis zwischen Kostenträgern und Zahnarztpraxen

Doch wie ist zurzeit das Verhältnis zwischen Kostenträgern und den Zahnarztpraxen? Gibt es erste Tendenzen aufgrund der GOZ 2012, die zu Veränderungen im Abrechnungsverhalten oder in der Kommunikation führen? Laut Zentai ist eine Entwicklung, dass einzelne Kostenträger nicht nur die Abrechnung, sondern auch die Behandlung prüfen und den Patienten im Zweifel sogar in ein Haftungsverfahren schicken. Glücklicherweise sei dies nur selten der Fall, sei aber schon ein Thema in den Praxen. „Eine Versicherung versucht sich gerne einen Rückforderungsanspruch gegen die Praxis abtreten zu lassen. Mit der Folge, dass dann die Versicherung eine Forderung gegen die Praxis stellt und auch nicht davor zurückschreckt, diese auch zu verklagen. Das gab es aber alles auch schon vor der GOZ 2012.“

Was der Medizinanwältin immer wieder auffällt, ist, dass die Praxen entweder viele Kürzungen haben (aber nicht, weil sie falsch abrechnen) oder ihr die Praxen sagen, sie hätten überhaupt nie Probleme. „Ich bin davon überzeugt, dass viele Praxen zu uninformiert sind oder ihr Abrechnungsverhalten so ausrichten, dass sie keinen Ärger kriegen.“

In den letzten Jahren gab es zwar viele Probleme mit den Zusatzversicherungen. Diese seien allerdings zurückgegangen. Dafür behaupteten einige Kostenträger einfach, der Erstattungsanspruch sei noch nicht fällig, weil die Praxis noch nicht alle Informationen übergeben habe. Dieses Prozedere schiebt den schwarzen Peter den Praxen zu und spielt auch ein Stück weit mit den Patientendaten. Oft werde völlig undifferenziert und pauschal nach Röntgenbildern oder ähnlichen Daten gefragt (egal ob aussagekräftig oder nicht) oder sogar direkt nach der Patientenkartei aus den vergangenen Jahren. „Hier ist es für die Praxis oft schwierig, eine Grenze zu ziehen“, erklärt Zentai.

Ein „Klassiker“ ist auch weiterhin das Thema Heil- und Kostenpläne (HKP). Dieses mache zwar nur einen Bruchteil der Verfahren rund um das Thema Abrechnungen aus, Zentai ist sich aber sicher, dass die Ablehnung von HKPs ganz oft der Grund ist, warum Praxen so viele nicht umgesetzte Pläne in der Schublade haben. Die Patienten blieben einfach weg, verzichteten auf die Behandlung oder suchten sich einen anderen Zahnarzt.

Außerdem, das liege auch am Versicherungsvertragsgesetz, schrieben Kostenträger den Patienten gerne auch nach Einreichung des HKP, dass die Gebühren zu hoch angesetzt seien, und schlügen ihnen ein anderes Labor oder auch andere Praxen (mit Namen und Adresse) vor. „Diese Praxis finde ich schon befremdlich.“

Zentai empfiehlt auch in ihren Fortbildungen ganz grundsätzlich, dass man IMMER als erster diese leidige Problematik ansprechen sollte. Denn im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht müsse man nicht nur die voraussichtlichen Kosten nennen, sondern auch darauf hinweisen, dass es möglicherweise keine 100-prozentige Erstattung geben werde. Kommt der Patient unzufrieden mit dem HKP-Ablehnungsschreiben in die Praxis (und man muss sogar noch froh sein, wenn er überhaupt zurückkommt), ist man schnell in der Rechtfertigung. „Ein professioneller und rechtzeitiger Umgang mit diesem Thema hilft vieles zu entschärfen“.

Trotz der noch unstrittigen Ziffern in der GOZneu landen laut Zentai aber nicht deutlich mehr Abrechnungsfälle vor Gericht. Das könne auch daran liegen, dass viele Patienten einfach gar nicht aktiv würden. Die meisten Patienten seien schon sehr verärgert. „Wir hören immer wieder: Jetzt bin ich seit Jahrzehnten versichert, habe nie was gehabt, und jetzt wird gestrichen.”

Das Verhältnis zu den Kostenträgern ist also angespannt. Zentai sieht das Arzt-Patienten-Verhältnis, die Therapiefreiheit sowie das Selbstbestimmungsrecht von Arzt und Patient in einigen Fällen deutlich eingeschränkt. Aber, auch das ist eine Entwicklung der neuen GOZ, der Druck auf der „anderen“ Seite wächst auch. Manche Versicherungen kämen infolge der Flut an Abwehrreaktionen auf Kürzungen an ihr Limit. „Hier sind sich beide Seiten einig: Es müssen andere Lösungen her“, sagt Zentai.