Erneute Klage gegen Bewertung

Bewertungsportale und Beweislast

Erneut hatte sich ein Gericht mit der Frage der Zulässigkeit einer auf dem Online-Ärztebewertungsportal Jameda eingestellten Bewertung befasst. Vor dem Landgericht München I (Az. 25 0 1870/15) hatte ein niedergelassener Zahnarzt gegen die jameda GmbH auf Unterlassung der Veröffentlichung einer ihn betreffenden Überschrift zu einer Bewertung sowie einer Herausnahme der mit der Bewertung einhergehenden Notenvergabe geklagt. Das Landgericht gab ihm jedoch nur teilweise recht.


Immer wieder Diskussionsgrund: Bewertungen auf Online-Portalen © Gregor Bister / Getty Images


Das Landgericht München verurteilte die Jameda GmbH, die Veröffentlichung der Überschrift der streitgegenständlichen Bewertung vom 05.10.2014 mit dem Wortlaut „nicht zu empfehlen“ zu unterlassen. Gleiches gelte auch hinsichtlich der Notenbewertung in den Kategorien „Behandlung“ sowie „Vertrauensverhältnis“, in denen der Zahnarzt jeweils mit der Schulnote 5 („mangelhaft“) bewertet worden war. Ursprünglich hatte der Zahnarzt beantragt, jede Bewertung mit der vorgenannten Überschrift nebst Benotung zu unterlassen. Diesen Antrag wies das Landgericht indes – richtigerweise – ab, da er insgesamt zu weit gefasst war.

Grundlage der beanstandeten Bewertung soll der Behandlungskontakt eines Patienten gewesen sein, der dem klagenden Zahnarzt auf der Internetplattform der Jameda GmbH vorgeworfen hatte, eine fehlerhafte Krone angefertigt zu haben. Diese sei zu hoch und zu rund gewesen und habe daher insgesamt nicht gepasst. Dazu vergab der bewertende Patient in den Bereichen „Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“ und „Genommene Zeit“ jeweils die Schulnote 5 („mangelhaft“).

Patient war nie in Praxis

Der Zahnarzt konnte sich an keinen ähnlich gelagerten Behandlungsfall in seiner Praxis erinnern. Es sei auch keiner seiner Patienten auf ihn zugekommen und habe sich über derartige Probleme beschwert oder gar Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Daher wandte der bewertete Zahnarzt ein, dass er sich sicher sei, dass der Bewertende tatsächlich niemals Patient in seiner Praxis gewesen sei.

Die Beweislast für einen tatsäch‧lichen Behandlungskontakt sah der Zahnarzt bei Jameda. Die beklagte Jameda GmbH löschte daraufhin den Bewertungstext, soweit dieser sich inhaltlich zu dem Vorwurf der fehlerhaften Anfertigung der Krone durch den klagenden Zahnarzt verhielt. Trotz weiterer Beanstandungen durch den Zahnarzt lehnte es Jameda jedoch ab, die Überschrift nebst Notenbewertung von der Plattform zu entfernen und dauerhaft zu löschen. Anlässlich der weigernden Haltung der Jameda GmbH beauftragte der Zahnarzt einen Rechtsanwalt, der daraufhin das Bewertungsportal abmahnte und unter Fristsetzung aufforderte die entsprechende Bewertung zu entfernen. Dies wies Jameda allerdings insgesamt zurück.

Schutz der Anonymität

Jameda vertrat die Auffassung, nicht verpflichtet zu sein zu offenbaren, zu welchem Zeitpunkt welchem Patienten genau eine unpassende Krone angefertigt worden sei. Dabei stützte Jameda die Argumentation in erster Linie darauf, dass aus Gründen des Schutzes der Anonymität des bewertenden Patienten nähere Informationen zu Umfang und Verlauf des Patienten und dessen Identität nicht preisgegeben werden dürften. Andernfalls werde jeder Anonymitätsschutz ausgehebelt.

Es müsse ausreichen, dass eine anonymisierte Rückbestätigung des Bewertenden vorgelegt werde. Damit werde der Behandlungskontakt hinreichend belegt. Im vorliegenden Fall hatte der Bewertende auf Nachfrage von Jameda mitgeteilt, dass die Behandlung sich über mehrere Monate hingezogen und dabei unter anderem im ersten Quartal des Jahres 2013 stattgefunden habe.

Keine Überraschungen

Insgesamt birgt das Urteil des Landgerichts München I keine sehr großen Überraschungen. In weiten Teilen greift die Entscheidung lediglich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auf, deren Inhalt der Autor bereits an anderer Stelle besprochen hat (vgl. „Löschen impossible; Arztbewertungen: Kein Anspruch auf Löschung“, veröffentlicht im DENTAL MAGAZIN vom 04.12.2015/„Rechte im Internet: BGH konkretisiert Pflichten der Betreiber von Ärztebewertungsportalen“, veröffentlicht im DENTAL MAGAZIN vom 01.05.2016).

So stellt das Gericht abermals heraus, dass Jameda nur als mittelbare Störerin in Anspruch genommen werden kann, denn immerhin stamme die Bewertung nicht von Jameda selbst. Eine Hintertür bleibt allenfalls dann offen, wenn der Plattformbetreiber sich den Inhalt der Bewertung zu eigen gemacht hat. Dies hatte bereits der BGH (Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15) so entschieden. Realistisch gesehen muss man allerdings sagen, dass ein „Sich-zu-eigen-Machen“ – bis auf wenige theoretische Fälle – eher so gut wie nie angenommen werden kann, da in aller Regel jedenfalls derzeit keine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der Bewertungen stattfindet. Sollte sich dies zukünftig ändern, bedürfte es unter Umständen eine Anpassung der Rechtsprechung.

Meinungsfreiheit

Auch die bekannte Argumentation, dass nur unwahre Tatsachenbehauptungen zu löschen seien, wird wiederholt dargestellt. In diesem Zusammenhang stellt das Landgericht klar, dass zunächst zu überprüfen ist, ob ein Patientenkontakt tatsächlich bestanden hat. Ist dies nämlich nicht der Fall, besteht aufseiten des Bewertenden gar kein Interesse an einer Meinungsäußerung, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arztes einzuschränken vermag. Mit anderen Worten: Wenn keine Behandlung stattgefunden hat, kann der Patient kein geschütztes Interesse haben, über eine Behandlung zu berichten.

Allerdings stellte die entscheidende Einzelrichterin klar, dass der klagende Arzt, der sich gegen eine Bewertung zur Wehr setzen will, den Beweis erbringen muss, dass gar keine Behandlung stattgefunden hat. Ausnahmsweise besteht auch beim Portalbetreiber eine Pflicht, den Patientenkontakt zu beweisen, nämlich dann, wenn es dem Arzt nicht möglich ist, überhaupt zur Sachaufklärung beizutragen (BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15).

Auch darin sah das Gericht im vorliegend entschiedenen Fall keine Probleme, denn Jameda hatte sich nach der Beschwerde des Zahnarztes den Patientenkontakt durch den Bewertenden bestätigen lassen – und zwar in einer dem Gericht ausreichenden Form. Als nicht ausreichend und unerheblich wiederum wurde der Einwand des Zahnarztes angesehen, sich an keinerlei vergleichbaren Fall erinnern zu können. Auch dass es keinerlei Beschwerden gegeben habe oder gar Gewährleistungsrechte von einem Patienten geltend gemacht worden seien, ließ das Gericht nicht ausreichen. Diese Argumenta‧tion – so das Landgericht – deute nicht zwingend darauf hin, dass es den Behandlungsfall so nicht gegeben habe.

Klage teilweise erfolgreich

Der Zahnarzt hatte trotz allem mit seiner Klage gegen Jameda teilweise Erfolg. Denn das Gericht entschied, dass die Überschrift wie auch die Benotung der Kategorie „Behandlung“ und „Vertrauensverhältnis“ rechtswidrig gewesen sind. Zwar handelt es sich auch bei diesen Teilen der Bewertung grundsätzlich um Meinungskundgaben, die von der Meinungsfreiheit geschützt sind. Allerdings entschied das Landgericht, dass es durch den Umstand, dass jameda den ursprünglichen Bewertungstext bereits teilweise gelöscht hatte, hinsichtlich der Kategorien „Behandlung“ und „Vertrauensverhältnis“ an einem entsprechenden Bezugspunkt innerhalb der Bewertung fehle. Grundlage der ausgesprochenen Benotung ist demnach die Bewertung selbst.

Wenn allerdings die Bewertung, aus welchem Grunde auch immer, (teilweise) gelöscht wird, entfällt auch der Anknüpfungspunkt für die ausgesprochene Benotung. Dies leuchtet auch ein: Wenn die Bewertung keine Meinungsäußerungen zu der erfolgten Behandlung mehr enthält, kann auch eine Benotung der Behandlung nicht mehr erfolgen. Gleiches muss auch für das der Behandlung zugrunde liegende Vertrauensverhältnis und die Überschrift „nicht zu empfehlen“ gelten. Denn auch hier ist anzunehmen, dass nur eine fehlerhafte Behandlung Maßstab für eine solche Meinungskundgabe sein kann.

Zusammenhang mit Bewertungstext

Nicht betroffen ist hingegen die Benotung der übrigen Kategorien. Dies folgt – so das Gericht – in erster Linie aus dem Umstand, dass es für die Kategorien „Aufklärung“ und „Genommene Zeit“ noch einen hinreichenden Zusammenhang zu dem verbliebenen Bewertungstext gibt. Diese Sichtweise des Landgerichts ist nachvollziehbar, denn ob der bewertende Patient sich ausreichend aufgeklärt fühlt, mag zwar aus medizinischer Sichtweise (auch) davon abhängen, welche Behandlungsleistung konkret erfolgt ist und bewertet werden soll.

Gemessen an dem Maßstab der Meinungsfreiheit muss man jedoch konstatieren, dass es maßgeblich auf den engen Zusammenhang zwischen dem gelöschten Bewertungstext und der vergebenen Benotung ankommt. Und an einem solchen engen Zusammenhang zwischen den Kategorien „Aufklärung“ und „Genommene Zeit“ fehlt es gerade, da die Frage, ob eine Krone als passend oder unpassend empfunden wird, in keinem Zusammenhang steht mit der Bewertung der erfolgten Aufklärung wie auch, ob der Arzt sich nach dem persönlichen Empfinden des Patienten ausreichend Zeit genommen hat.

Überprüfung des Einzelfalls

Die Entscheidung des Landgerichts München I zeigt erneut, dass eine pauschale Beurteilung der Frage, ob die Bewertungen auf Arztbewertungsportalen rechtmäßig oder rechtswidrig sind, tunlichst vermieden werden sollte. Es kommt immer auf die genauen Umstände des Einzelfalls an. Bereits die teilweise Löschung eines Bewertungstextes kann – wie die Entscheidung vor Augen führt – auch Auswirkungen auf den Rest der Bewertung haben. Daher darf auch zukünftig mit weiteren Entscheidung rund um das Spannungsfeld der (zahn)ärztlichen Bewertungsplattformen gerechnet werden.