Beihilfe: Versorgung mit Implantaten
In der Regel kann die Versorgung mit Implantaten zu Lasten der Beihilfe nur erfolgen, wenn eine der in der jeweiligen Beihilfeverordnung genannten Indikationen vorliegt. Wie der nachfolgende Fall zeigt, gibt es jedoch Ausnahmen.
Im hier vorgestellten Fall des sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) war Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 sächsische Beihilfeverordnung (BhV) in der damaligen Fassung einschlägig. Ähnliche Regelungen finden sich aber auch in anderen Beihilfeverordnungen (vgl. etwa § 15 Bundes-BhV). Nach dem Beschluss des sächsischen OVG vom 23.10.2013 (Az.: 2 A 448/09), ist jedoch festzuhalten, dass die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit auf die in der BhV geregelten Fälle nicht abschließend ist. Zwar scheidet die Beihilfefähigkeit in aller Regel aus, wenn kein Indikationsfall vorliegt. Jedoch könne es in Einzelfällen geboten sein, einen Beihilfeanspruch unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu gewähren, wenn ansonsten eine Verletzung ihres Wesenskerns drohte.
In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Dresden den Dienstherrn der Klägerin verpflichtet, Beihilfe zu gewähren, obwohl kein Indikationsfall vorlag. Den Antrag des Dienstherrn auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat das OVG mit dem genannten Beschluss abgelehnt. Dem Urteil des Verwaltungsgerichts lag der Sachverhalt zugrunde, dass die Klägerin, die als Beamtin im Dienst des Beklagten steht, von dem Beklagten die Übernahme der Kosten für implantologische Leistungen im Bereich 26 bis 28 (Oberkiefer links) verlangte. Mit Urteil vom 15. Mai 2009 verpflichtete das Verwaltungsgericht Dresden (Az.: 11 K 1945/06) den Beklagten zur Übernahme der Kosten für die implantologischen Leistungen in Höhe von 1 915,74 Euro. Zur Begründung führte es an, dass zwar keine Indikationen der Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV vorgelegen hätten, jedoch liege ein Ausnahmefall vor, bei dem der Beihilfeanspruch unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu gewähren ist.
Der Beklagte machte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts mit der Begründung geltend, dass die Beihilfevorschriften die Fürsorgepflicht des Dienstherrn abschließend konkretisierten und sich somit ein Beihilfeanspruch nicht unmittelbar aus der Fürsorgepflicht herleiten lasse. Zudem führte er an, dass ein „vorhandener Zahn auch dann der Annahme einer Freiendlücke entgegenstehe, wenn er als Träger einer Brücke untauglich sei“. Das Oberverwaltungsgericht legte fest, dass der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliege. Das Verwaltungsgericht Dresden sei in seiner Entscheidung richtigerweise davon ausgegangen, dass sich die Beihilfefähigkeit der zahnärztlichen Leistungen nach den Regelungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen in der Fassung vom 1. November 2001 richte, da für die Gewährung von Beihilfen die Rechtslage zum Zeitpunkt der vorgenommenen Leistung maßgeblich sei. (vgl. BVerwG, Urt. v. 24. März 1982, BVerwGE 65, 184, 187). Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht legte das Oberverwaltungsgericht jedoch dar, dass die Voraussetzungen der Nr. 4 Buchst. b der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV vorlägen und somit nicht auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn abgestellt werden müsse.
Der aktuelle Zahnstatus ist maßgeblich
Auch wenn der Bereich 26–28 zum Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung insgesamt noch keine Freiendlücke bildete, da der Zahn 26 noch vorhanden war, bestand bereits zu diesem Zeitpunkt die Gewissheit, dass der Zahn 26 nicht mehr erhaltungsfähig war und gezogen werden musste, sodass letztlich eine Freiendlücke zu versorgen war. Dass der Zahn 26 „zunächst noch zur temporären Versorgung mit einem Provisorium genutzt wurde“, ändert daran nichts. Die Regelung in Nr. 4 Buchstabe b der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV verlangt nicht, dass eine Freiendlücke bereits im Zeitpunkt der Erbringung der Implantate vorliegen muss, sondern dass lediglich eine bestimmter Zahnstatus erreicht ist, auf den mit prothetischen Maßnahmen reagiert werden soll. Zum Zeitpunkt der Behandlung stand bereits fest, dass der Zahn 26 der Klägerin nicht erhaltungsfähig war und somit eine prothetische Versorgung im Bereich 26 bis 28 anstand. Die Voraussetzungen der Regelung in Nr. 4 Buchstabe b der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV lagen somit vor. Im Rahmen der Anwendung der Beihilferegelungen durfte bezüglich des nicht erhaltungsfähigen Zahns 26 auch nicht darauf verwiesen werden, dass dieser zuerst hätte gezogen werden müssen, da dies mit höherem Aufwand und Kosten verbunden gewesen wäre.
Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass nicht mehr erhaltungsfähige Zähne – sofern dies bei Beginn der Behandlung bereits feststeht – als nicht mehr existente Zähne zu behandeln sind, sodass die Beihilfefähigkeit vorliegt. Unabhängig davon gilt es im Einzelfall zu prüfen, ob nicht gegebenenfalls trotz fehlenden Indikationsfalls eine ausnahmsweise Gewährung von Beihilfe infrage kommt. Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch, dass beispielsweise das Verwaltungsgericht Aachen jüngst festgehalten hat, dass Fürsorgegründe allein im Regelfall keine weitere Beihilfegewährung bei Implantaten rechtfertigen, wenn kein Indikationsfall gegeben ist (VG Aachen, Urteil vom 14. November 2013, 7 K 1729/11).
Keine lückenlose Erstattung aller Kosten
Allgemein zur Zulässigkeit des Ausschlusses bestimmter Leistungen von der Beihilfe hat sich das BVerwG zuletzt in einem Beschluss geäußert (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 5 B 44/12). Danach ist der Dienstherr von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkoformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind.
Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Leistungen ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System sind Leistungen nur dann nicht auszuschließen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können.
RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen.
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