Wer entscheidet über die Behandlungsmethode?
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jüngst in einem Urteil bestätigt, dass die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des behandelnden Arztes ist. Laut des Urteils ist die Aufklärungspflicht dann aufgeweicht, wenn die infrage kommenden Therapieoptionen medizinisch gleichermaßen indiziert sowie üblich sind und keine unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen aufweisen.
Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Zahnarztes. Dies hat jüngst das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 31.07.2019 (Az. 7 U 118/18) bestätigt. Zunächst gelte, dass der Patient über unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufgeklärt werden müsse: „Ohne vollständige Aufklärung über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren hat der Patient nicht wirksam in die Behandlung eingewilligt. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung („informed consent“) macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig“, heißt es in dem Urteil.
Gebe es jedoch zwischen zwei oder mehreren gleichwertigen Behandlungsmethoden keine Unterschiede in Risiko und Erfolgschance, „darf der Arzt in aller Regel davon ausgehen, dass der Patient hinsichtlich der Wahl der Behandlungsmethode seiner ärztlichen Entscheidung vertraut und keine eingehende fachliche Unterrichtung über speziell medizinische Fragen erwartet.“
Konkreter Fall zur Stufenpräparation
Konkret ging es um die Frage, ob der Zahnarzt bei Anwendung der Stufenpräparation über die Alternative der Hohlkehlpräparation hätte aufklären müssen. Der Sachverständige und damit auch das Gericht haben dies verneint und begründen dies wie folgt:
„Der Sachverständige hat sowohl in den im Beweissicherungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten als auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht darauf hingewiesen, dass er die Hohlkehlpräparation bevorzuge, da diese die Zahnsubstanz schone. Der Sachverständige hat jedoch ebenso durchgehend darauf verwiesen, dass er die Wahl der Stufenpräparation keinesfalls als Verstoß gegen die Regeln der zahnärztlichen Kunst ansehe, da diese Präparationsart an einigen wenigen Universitäten als ideale Präparationsart für Frontzähne und Prämolaren gelehrt wurde und zum Zeitpunkt der Anhörung des Sachverständigen auch noch gelehrt werde. Der Sachverständige hat dabei darauf verwiesen, dass er den größeren Substanzverlust bei der Stufenpräparation als mitursächlich für die vorliegende hohe Frakturrate ansehe. Er hat in diesem Zusammenhang jedoch ebenso betont, dass andere Lehrstuhlinhaber diese Frage anders beurteilten.
Erhöhtes Frakturrisiko
Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige dargelegt, dass er von einer Erhöhung des Frakturrisikos bei der Stufenpräparation deshalb ausgegangen sei, weil im vorliegenden Fall eine Frakturrate aufgetreten sei, die ihm so weder in seiner Praxis noch in seiner gutachterlichen Tätigkeit begegnet sei. Er hat an dieser Auffassung festgehalten, jedoch erklärt, dass es keine evidenzbasierte Studie gebe, die ein solches erhöhtes Frakturrisiko belegen würde. Die Lehrmeinung, die eine Stufenpräparation bevorzuge, gehe auch nicht von einem erhöhten Frakturrisiko aus. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. …, der ausgeführt hat, dass es an jeglicher wissenschaftlichen Evidenz für ein geringeres Risiko von Zahnpfeilerfrakturen bei Hohlkehlpräparationen fehle.
Wenn sich jedoch, wovon jedenfalls vor der hier streitgegenständlichen Behandlung ausgegangen werden muss, die Hohlkehlpräparation und die Stufenpräparation hinsichtlich ihrer Risiken für Pfeilerzahnfrakturen nicht unterschieden bzw. ein solcher Unterschied wissenschaftlich nicht belegt war, konnte der Beklagte ohne die Klägerin hierüber aufklären zu müssen, die Präparationsart als Behandlungsmethode auswählen.
Die Einwilligung der Klägerin in die Behandlung durch den Beklagten wurde daher wirksam erteilt.“