Aufklärung des Patienten in der Zahnarztpraxis
Bei der Aufklärung von Patienten über Behandlungskosten und mögliche Behandlungsalternativen müssen Zahnärzte äußerst präzise, lückenlos und neutral vorgehen. Ein aktuelles Gerichtsurteil zeigt, dass die Missachtung einer dieser Punkte im schlimmsten Szenario den Entfall des Honoraranspruchs bedeuten kann.
Am 26.08.2014 urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az.: I-26 U 35/13, 26 U 35/13), dass eine sehr kostenintensive Behandlung nicht gezahlt werden muss, sofern der behandelnde Zahnarzt den Patienten nicht ausreichend über die Behandlungsalternativen aufgeklärt hat und der Patient zudem glaubhaft darlegt, dass er sich im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung gegen die teure Behandlung entschieden hätte.
Die beklagte Patientin ließ eine Implantatbehandlung mit Knochenaufbau mittels gezüchteten Knochenmaterials (sog. Eigenknochenzüchtung) durchführen. Nach Abschluss der Behandlung trat der behandelnde Zahnarzt seinen Vergütungsanspruch an einen Abrechnungsservice ab, der der Beklagten die Leistungen folgend in Rechnung stellte. Die Hauptforderung betrug circa 19 000 Euro, wovon 15 000 Euro allein auf die Eigenknochenzüchtung entfielen. Zwar zahlte die Beklagte einen Teilbetrag, verweigerte jedoch die weitere Zahlung von circa 15 600 Euro und stellte beim Landgericht Hannover einen Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen den Zahnarzt.
Aufklärung: umfassend und präzise vorgehen
Die Abrechnungsstelle erhob wiederum Klage vor dem Landgericht Detmold auf Zahlung des Rechnungsbetrags. Im Verlauf des Beweisverfahrens machte die Beklagte geltend, nicht ausreichend über Behandlungsalternativen und die tatsächlich entstehenden Kosten des gewählten Verfahrens aufgeklärt worden zu sein. Der im Verfahren hinzugezogene medizinische Sachverständige stellte zudem fest, dass das gewählte Verfahren ungeeignet gewesen sei. Unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens wies das Landgericht Detmold die Klage auf Zahlung ab, da der Beklagten ein entsprechender Schadenersatzanspruch zustehe.
Die von der Klägerin eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Wie bereits die Erstinstanz richtig entschieden habe, stehe der Beklagten ein Schadenersatzanspruch zu, den sie dem Vergütungsanspruch der Klägerin entgegenhalten könne. Die Beklagte sei durch den Behandler nicht ausreichend über Behandlungsalternativen und die tatsächlichen Kosten der gewählten Behandlung aufgeklärt worden.
Risiko übertrieben dargestellt
Dem Sachverständigen folgend, seien drei Verfahren möglich gewesen: die durchgeführte Eigenknochenzüchtung, die Knochenentnahme aus dem Beckenkamm und die Verwendung von Knochenersatzmaterial. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme habe der Zahnarzt zwar auf die Alternative der Knochenentnahme hingewiesen, dieses Verfahren jedoch als ungeeignet und das Risiko übertrieben dargestellt. Die Verwendung von Knochenersatzmaterial sei darüber hinaus gar nicht erwähnt und die Risiken der Eigenknochenzüchtung seien verharmlost worden.
Die Aufklärung sei folglich in höchstem Maße unzureichend erfolgt. Gleichzeitig habe die Beklagte glaubhaft geltend machen können, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen die gewählte Methode entschieden hätte. So wären sämtliche in der Rechnung aufgeführten Posten nicht angefallen, sodass der Honoraranspruch folglich entfalle.
RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
jens-peter.jahn@medizin-recht.com