Arbeitsrecht: Wann genügt die „Textform“?

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Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) bringt eine wichtige Änderung für viele Arbeitgeber: Seit dem 1. Januar 2025 reicht die Textform – statt der Schriftform – für bestimmte arbeitsrechtliche Mitteilungen und Dokumentationen aus. Das bedeutet: Diese Mitteilungen müssen nicht mehr handschriftlich unterschrieben und auf Papier vorliegen. Stattdessen genügt eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, wie eine E-Mail oder ein elektronisches Dokument. Worauf es dabei ankommt, erläutert Dr. Justin Doppmeier, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht bei KWM LAW in Münster.
Konkret kann dies für Arbeitgeber bedeuten, dass bestimmte Mitteilungen und Dokumentationen schneller und einfacher elektronisch erfolgen können, was Flexibilität und Effizienz erhöht. Zudem werden Kosten und Zeit gespart, da der Aufwand für Druck, Versand und Archivierung von Papierdokumenten reduziert wird. Solange die Textform eingehalten wird, sind die Mitteilungen rechtlich bindend. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Dokumente dauerhaft gespeichert und vor Veränderungen geschützt sind.
Arbeitsvertrag: mündlich und/oder schriftlich?
Aber Achtung: Die Gesetzesänderung betrifft jedoch nicht, wie es medial den Anschein erweckt, den Abschluss des Arbeitsvertrags selbst, da dieser nach deutschem Recht – konkret ist der Arbeitsvertrag in § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt – grundsätzlich keiner Schriftform bedarf und auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln zustande kommen kann. Um dies also noch einmal hervorzuheben:
- Arbeitsverträge können bereits seit Inkrafttreten des BGB mündlich, mit anderen Worten „durch Handschlag“, geschlossen werden.
Der Vertrag ist daher auch ohne schriftliche Vereinbarung wirksam. Hieran ändert das BEG IV nichts. Allerdings gab das Nachweisgesetz (NachwG) Arbeitgebern die ordnungsrechtliche Verpflichtung auf, bestimmte Inhalte von Arbeitsverhältnissen schriftlich – also mit Originalunterschrift unterzeichnet – zu dokumentieren und dem jeweiligen Arbeitnehmer auszuhängen.
Wurde ein der Schriftform entsprechender Arbeitsvertrag ausgefertigt, entfiel die Verpflichtung zur Aushändigung der schriftlichen Dokumentation der Arbeitsbedingungen.
Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung, 1. Januar 2025, genügen Arbeitgebern Ihren Nachweispflichten, wenn sie die Arbeitsbedingungen (oder den Arbeitsvertrag selbst) in Textform ausfertigen und dem Arbeitnehmer aushändigen.
Die Wirksamkeit des mündlich geschlossenen Vertrags wird durch einen Verstoß gegen das Nachweisgesetz jedoch nicht berührt. Dem Arbeitgeber droht allerdings nach § 4 NachwG bei Verstoß gegen die Mitteilungspflichten ein Bußgeld bis zu 2.000 €, die Verletzung der Vorgaben des Nachweisgesetzes geht daher ausschließlich zulasten der Arbeitgeberseite.
Die Textform in der Arztpraxis: Was ist zu beachten?
Möchten Praxisinhaber ihre Nachweispflichten nach § 2 NachwG zukünftig durch Niederlegung der Arbeitsbedingungen bzw. des Arbeitsvertrags in Textform erfüllen, erscheinen die Hürden zunächst nicht all zu hoch. Der Vertragsinhalt muss dem Arbeitnehmer als lesbare Erklärung der Vertragsparteien auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden, sodass ihm nach dem Gesetzeswortlaut von § 126b BGB ermöglicht wird, die „auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.“
Das Arbeitsvertragsdokument sollte daher speicher- und druckbar sein. Das gängigste Dateiformat dürfte das PDF sein, aber auch der Text in einer E-Mail genügt den Anforderungen. Der Arbeitgeber sollte lediglich sicherstellen, dass der Zugang der Erklärung bzw. die Zustimmung des Arbeitnehmers zum übermittelten Vertragsinhalt nachgewiesen werden kann, beispielsweise durch ein Empfangsbekenntnis oder eine ausdrückliche Zustimmungserklärung zum Vertrag.
Vorsicht ist aber deshalb geboten, da bestimmte Rechtsgeschäfte im Arbeitsrecht, unabhängig von der Gesetzesänderung, die Einhaltung der Schriftform erfordern, sodass Arbeitgebende genau abgrenzen müssen, wo Textform ausreichend und an welchen Stellen Schriftform erforderlich ist.
Versand von Arbeitsverträgen per E-Mail: Sicherheit
Beim Versand von Arbeitsverträgen per E-Mail sollten bestimmte Anforderungen an das Dateiformat und die Sicherheitseinstellungen beachtet werden, um die Vertraulichkeit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.
- Es bietet sich an, das Vertragswerk stets als PDF zu übermitteln, da dieses Format nicht einfach bearbeitet oder verändert werden kann. Eine digitale Signatur oder ein Passwortschutz erhöhen zusätzlich die Sicherheit.
- Die E-Mail sollte aus Gründen des Datenschutzes verschlüsselt werden, beispielsweise durch S/MIME oder PGP, um die Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
- Wird eine digitale Signatur verwendet, kann so auch die Authentizität des Absenders bestätigt werden.
- Arbeitgeber müssen zudem – wie schon erwähnt – sicherstellen, dass der Arbeitnehmer die E-Mail und den Vertrag dauerhaft speichern kann.
Diese Maßnahmen helfen, rechtliche Risiken zu minimieren und zu gewährleisten, dass die Textform des Arbeitsvertrags auch in einem möglichen Rechtsstreit als gültiger Nachweis dienen kann.
Wann ist die Textform ausgeschlossen?
Neben der Frage, wann die Textform nicht zur Anwendung kommen kann, drängt sich auch die Frage auf, ob und in welchen Fällen die Textform bei Arbeitsverträgen überhaupt sinnvoll ist.
Das Bürokratieabbaugesetz wird im Hinblick auf die Änderung des Nachweisgesetzes vielfach als ein Schritt in die richtige Richtung bewertet. Ob sich im Gesundheitsbereich jedoch wesentliche Änderungen bzw. Erleichterungen ergeben, erscheint fraglich. Besonders vorteilhaft ist die Herabstufung des Formerfordernisses von Schriftform auf Textform für solche Unternehmen, bei denen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmer nicht physisch am selben Ort sind. Dies umfasst beispielsweise Remote- und Hybrid-Arbeitsmodelle sowie internationale Unternehmen mit verteilten Teams.
Bis zur Gesetzänderung mussten Unternehmen, um ihren Nachweispflichten nachzukommen, Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitsverträge mit Originalunterschriften per Post oder Boten verschicken, damit die Dokumente mit Originalunterschrift ausgehändigt werden konnten. Dies ist zukünftig nicht mehr erforderlich, da der Versand des Arbeitsvertrags per E-Mail oder in einem anderen dauerhaften Textformat genügt. Der Arbeitgeber muss lediglich den Zugang des Dokuments nachweisen können.
Bei Arbeitsverhältnissen, in denen Arbeitgeber mit den dort beschäftigten Mitarbeitenden täglich oder jedenfalls regelmäßig an demselben Ort zusammenarbeiten, wie klassischerweise in einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis, ist eine Originalunterschrift schnell geleistet, sodass der gesetzgeberisch proklamierte Bürokratieabbau marginal erscheint und der Vorteil, einen Arbeitsvertrag per E-Mail zu dokumentieren, verpufft.
Kontraproduktiv dürfte sich sogar auswirken, dass bestimmte Rechtsgeschäfte, anders als der Abschluss eines Arbeitsvertrags selbst, für ihre Wirksamkeit die Schriftform erfordern, sodass Arbeitgeber zukünftig unterscheiden müssen, wann sie auf die Textform zurückgreifen können und in welchen Fällen die Schriftform zwingend ist.
Die Textform reicht nicht aus, wenn das Gesetz ausdrücklich eine andere Form vorschreibt. Im Arbeitsrecht sind dies insbesondere:
- Befristungsabreden: § 14 Abs. 4 TzBfG knüpft an die Wirksamkeit von Befristungsabreden die Schriftform. Zwar kann diese vorliegend durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden, allerdings erfordert dies, dass die jeweiligen Aussteller – also Arbeitgeber – dem Vertrag ihren Namen hinzufügen und das elektronische Dokument jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift führt nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages selbst, sondern lediglich zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede, es entsteht also ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
- Wettbewerbsverbote: Auch nach § 110 Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung mit den §§ 74 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) ist für Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote die Schriftform erforderlich.
- Kündigungen: Zwar steht die Kündigung nicht mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages in unmittelbarem Zusammenhang, ist aber als sog. actus contrarius zum Vertragsabschluss dennoch häufig relevant: Nach § 623 BGB müssen Kündigungen von Arbeitsverhältnissen schriftlich erfolgen. Eine E-Mail oder andere Formen der Textform sind hier nicht ausreichend, die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Hinzu tritt – um auf den vermeintlichen Vorteil der Änderung des Nachweisgesetzes zurückzukommen –, dass bei ausdrücklichem Verlangen des Arbeitnehmers nach einer der Schriftform entsprechenden Dokumentation der Arbeitsbedingungen diese auch weiterhin in Schriftform, also mit Originalunterschrift des Arbeitgebers, an den Arbeitnehmer auszuhändigen sind – und dies nach dem Wortlaut des Gesetzes unverzüglich.
Fazit: Praktische Erleichterungen, aber auch Vorsicht geboten
Die Änderungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV bieten viele Vorteile, vor allem für Unternehmen mit Remote- oder Hybrid-Arbeitsmodellen, bei denen der Versand von Papierdokumenten häufig umständlich und zeitaufwendig ist. Dennoch müssen Arbeitgebende aufpassen, dass sie in den Fällen, in denen das Gesetz die Schriftform vorschreibt, weiterhin die entsprechenden Anforderungen erfüllen.
Kurz zusammengefasst: Die Einführung der Textform bietet eine vereinfachte Handhabung in vielen Bereichen des Arbeitsrechts, erfordert aber auch ein gewisses Maß an Vorsicht und Genauigkeit, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden.

Dr. Justin Doppmeier
Zitat: „Der Versand des Arbeitsvertrags per E-Mail oder in einem anderen dauerhaften Textformat genügt.“
Dr. Justin Doppmeier, LL.M.
ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den Schwerpunkten in den Bereichen Kündigungsschutz, Vergütungsfragen, Arbeitsverträge und dem kollektiven Arbeitsrecht. Daneben berät er auch zu allgemein-, zivilrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Themen.
www.kwm-law.de
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