Gesetz sorgt für Verunsicherung

Antikorruptionsgesetz tritt am 04. Juni 2016 in Kraft

Eigentlich sollte das sogenannte „Antikorruptionsgesetz“ mit Jahresbeginn in Kraft treten. Nun wird es ab dem 04. Juni 2016 rechtsgültig, nachdem der Deutsche Bundestag es am 14. April 2016 nach Aussprache in zweiter und dritter Lesung des Gesetzes mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gebilligt und es am 13. Mai 2016 den Bundesrat passiert hat.


Antikorruptionsgesetz

Das Antikorruptionsgesetz ist ab morgen gültig. © Andrey_Popov/shutterstock


Zumindest eine beruhigende Nachricht hatte Prof. Dr. Thomas Ratajczak für die überwiegend aufgeschreckten Teilnehmer am BDIZ-EDI-Workshop zum Antikorruptionsgesetz am Karnevalssamstag dann doch: „Alles, was heute schon zulässig ist, bleibt zulässig. Alles, was heute verboten ist, bleibt verboten. Es drohen nur andere strafrechtliche Konsequenzen.“

Förmlich greifbar ist die Verunsicherung, die das „Gesetz zur Vermeidung von Korruption im Gesundheitswesen“ in Deutschlands Dentalbranche hervorruft. Betroffen sind Zahnärzte, Labore, der Handel und die Dentalindustrie. Enthalten darin sind zwei neue Straftatbestände: Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a StGB) und Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b StGB).

Die Tatsache, dass sich die Abteilungen 1 der Staatsanwaltschaften mit Korruption im Gesundheitswesen befassen sollen, setzt wohl auch ein Zeichen: Diese Abteilungen befassen sich vornehmlich mit Kapitaldelikten. Kennzeichen dieser Abteilungen sind, so betonte Ratajczak, „höhere Strafmaße und weniger Kenntnisse des ärztlichen Rechts“.

Ist es für ermittelnde Behörden bislang äußerst schwierig gewesen, Abrechnungsbetrug nachweisen zu können und auch Durchsuchungsbeschlüsse zu erwirken, so wird dies künftig leichter. Ratajczak: „Staatsanwälte sind inzwischen sehr dankbar, dass es digitale CRM-Tools gibt. Für ihre Recherchen sind die detaillierten Dokumentationen der Geschäftsbeziehungen zwischen Firmen und Zahnärzten eine ergiebige Nachweisquelle.“ Ratajczak unterstrich in Köln, dass generell selbst jeder formale Verstoß als Abrechnungsbetrug gewertet werde.

Verzicht auf Geschenke

Ratajczaks wichtigste Empfehlung an die Zahnärzte für die Geschäftsbeziehung mit Dentalfirmen lautet: Verzichten Sie auf Geschenke im Zusammenhang mit einer Kaufleistung. „Das ist und bleibt verboten und wird künftig entsprechend drastisch bestraft.“ Im Klartext: Ein „Zusatzgeschenk“, als Bestandteil der Rechnung einer Dentalfirma mit einem 0-Euro-Betrag ausgewiesen, ist strafbewehrt. Auch das Thema „Naturalrabatte“ sei ein empfindliches: Da gelte die Maxime, auch solche nachweisbar an den Patienten weiterzugeben. „Nehmen Sie keine Vorteile an und fordern Sie auch keine solchen“, riet der Jurist den Teilnehmern eindringlich.

Bewusst müsse man sich auch machen, dass es nach unten keine Bagatellgrenze gibt: Schon ein Vorteil von einem Euro könne Auswirkungen haben. Ratajczak empfiehlt zudem, sich nicht auf Deals mit diesen Staatsanwaltschaften einzulassen: Zu groß sei die Gefahr, dass es zu berufsrechtlichen Konsequenzen kommt. Es drohe der Entzug der vertragszahnärztlichen Zulassung oder der Approbation. Unklar ist laut Ratajczak übrigens auch, wann es sich um einen „besonders schweren Fall“ handelt: Juristen gingen generell von 50 000 Euro aus, eher aber greife schon ab 10 000 Euro diese Einschätzung, meint der Justiziar des BDIZ EDI.

Entsprechend strafbar ist künftig auch die Beteiligung an einem Dentallabor oder einem anderen Unternehmen von Leistungserbringern. Das gilt insbesondere auch dann, wenn eine solche Beteiligung etwa über Bekannte oder Verwandte „verschleiert“ werden sollte.

Ratajczaks Befürchtung: „Dieses Gesetz bewirkt eine erhebliche Kontrolldichte. Und die Umsetzung des § 299 kann zu einem großen Lauschangriff führen.“

  • Konkret ergeben sich aus dem Gesetz für die Zahnärzte folgende Konsequenzen:
  • Staatsanwälte erhalten schneller einen Durchsuchungsbeschluss. (Ratajczak: „ Das ist derzeit eher schwer zu erreichen.“)
  • Eine Strafbarkeit führt schneller zu einem Entzug der vertragszahnärztlichen Zulassung
  • Hersteller können ihren Wettbewerb über Strafanträge führen
  • Die Bedeutung sogenannter „Whistleblower“ wächst. Dazu zählen „Helferinnen, die nicht geheiratet werden“, „Ehefrauen vor dem Scheidungsgericht“ und „geschasste Mitarbeiter von Dentalfirmen“.
  • Die Arbeit von Betriebsprüfern wird relevanter.

Antikorruptionsgesetz: Broschüre mit Compliance-Erklärung

Mit der Broschüre „Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ hat der BDIZ EDI auf die Maßnahmen des künftigen Antikorruptionsgesetzes reagiert. In dem Heft werden aktuelle Fragen der Abrechnung (etwa von Materialkosten, Legierungen und Zahnpflegeprodukten), des Berufsrechts, Steuerrechts sowie des Werberechts mit Erläuterungen zu aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts erörtert. Der unterschiedlichen Rechtslage bei Kassen- und Privatpatienten wird dabei durch eine gesonderte Darstellung Rechnung getragen. Mit Praxisbeispielen wird die besondere Bedeutung des Gesetzes erläutert.

Darüber hinaus enthält die Broschüre eine Compliance-Erklärung des BDIZ EDI, die den dargestellten Korruptionsrisiken für Zahnärzte durch eine transparente Vertragsgestaltung entgegenwirken soll. BDIZ-EDI-Mitglieder haben die Broschüre kostenlos erhalten, Nichtmitglieder können sie gegen ein Entgelt von zehn Euro (zzgl. Mehrwertsteuer und Versandkosten) im Onlineshop des Verbands erwerben.

Ratajczaks Fazit: „Es wird nahezu unmöglich werden, sicher vorherzusagen, was im Bereich des Marketings zwischen Praxen und Herstellern rechtlich eindeutig akzeptabel ist.“

Fallbespiele der KZBV für den Umgang mit dem neuen Gesetz:

•    Unzulässig: Für die Überweisung von Patienten durch einen Vertragszahnarzt an einen MKG-Chirurgen wird eine Geldprämie vereinbart. Oder: Zwischen dem Vertragszahnarzt und dem Oralchirurgen wird abgesprochen, dass der Vertragszahnarzt für den Fall der Überweisung von Patienten an den Oralchirurgen das Ferienhaus des Oralchirurgen kostenlos nutzen darf.

•    Unzulässig: Ein angestellter Zahnarzt wird beschäftigt, bevor die erforderliche Genehmigung vorliegt. Oder: Ein tatsächlich nicht tätig werdender Angestellter wird nur zum Schein beschäftigt, um Degressionsgrenzen nach § 85 Abs. 4b SGB V zu erhöhen und Vorteile beim Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu erzielen.

•    Unzulässig: Ein – vermeintlicher – Partner einer genehmigten Berufsausübungsgemeinschaft ist tatsächlich ein „verdeckter“ Angestellter, da er gemäß Gesellschaftervertrag kein wirtschaftliches Risiko trägt bzw. nicht am wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der Praxis und nicht an deren Wert beteiligt ist. Er ist somit nicht „in freier Praxis“ tätig.

•    Unzulässig: Nicht persönlich erbrachte Leistungen werden außerhalb zulässiger Vertretungen und Anstellungen abgerechnet (zum Beispiel unzulässig an nicht approbiertes Assistenzpersonal delegierte Leistungen).

•    Unzulässig: Fremdleistungen werden als eigene Leistungen abgerechnet.

•    Unzulässig: Ein Vertragszahnarzt unterhält eine Geschäftsbeziehung mit einem inländischen Dentallabor, das im Ausland Zahnersatz fertigen lässt. Dieser wird dem Zahnarzt zu BEL-II-Preisen in Rechnung gestellt und von ihm in gleicher Weise abgerechnet. Vereinbarungsgemäß erhält der Zahnarzt regelmäßig vom Dentallabor einen bestimmten Geldbetrag für den bezogenen Zahnersatz „zurückerstattet“, den er als „sonstige Erlöse“ verbucht und nicht an den Patienten weitergibt.

•    Unzulässig: Ein niedergelassener Zahnarzt erhält für den Bezug von zehn Implantaten zum Preis von jeweils 600 Euro zwei weitere Implantate kostenlos als „Draufgabe“, was auf zwölf Implantate gerechnet einem Preisnachlass von jeweils 100 Euro entspricht. Im Rahmen der Abrechnung werden von ihm alle zwölf verwendeten Implantate jeweils mit dem regulären Einkaufspreis von 600 Euro veranschlagt.

•    Unzulässig: Für den Bezug von 50 Implantaten zum Preis von jeweils 600 Euro wird dem Zahnarzt vom Hersteller die Möglichkeit eingeräumt, einen Intraoralscanner statt zum regulären Preis von 25 000 Euro mit 20 Prozent Rabatt zu beziehen. Im Rahmen der Abrechnung veranschlagt der Zahnarzt die Implantate jeweils mit dem regulären Einkaufspreis von 600 Euro.

•    Zulässig: Der 20-Prozent-Rabatt auf den Intraoralscanner wird losgelöst vom Implantatbezug im Rahmen einer „Sonderangebotswoche“ für alle Kunden zur Markteinführung des Geräts gewährt.

•    Unzulässig: Ein Zahnarzt bezieht von einem ausländischen Dentallabor teilfertigen Zahnersatz zu besonders günstigen Preisen, stellt diesen in seinem Praxislabor fertig und rechnet den fertigen Zahnersatz zu BEL-II- Preisen ab, ohne die Fremdlaborkosten gesondert als solche auszuweisen.

•    Unzulässig: Die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung wird unter Verwendung fingierter Nachweise zur Vermeidung von Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V vorgetäuscht.