Straftatbestände Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen

Antikorruptionsgesetz: Strafbarkeitsrisiken für Zahnärzte

Durch die Einführung der neuen Straftatbestände Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen ergeben sich auch für Zahnärzte neue Probleme. Viele Modelle und Verhaltensweisen, die bisher praktiziert wurden, sollten kritisch überprüft werden, da mit einer erheblichen Zunahme von Strafverfahren zu rechnen ist.


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Im Jahr 2012 hatte der Große Senat für Strafsachen beim Bundesgerichtshof geurteilt, dass Vertragsärzte und Vertragszahnärzte weder Amtsträger noch Bevollmächtigte der gesetzlichen Krankenversicherungen seien. Das Gericht wies damit auf eine (vermeintliche) Strafbarkeitslücke in Bezug auf selbstständige Vertragsärzte hin. Im Juli 2015 präsentierte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz den Gesetzentwurf zur „Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“, der nach einigen Änderungen am 4. Juni 2016 in Kraft getreten ist. Die damit vorgenommene Änderung des Strafgesetzbuchs hat erhebliche Auswirkungen insbesondere auch für den Dentalbereich.

Neue Tatbestände

Zwei neue Tatbestände – Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen, § 299a und § 299b – wurden in das StGB aufgenommen, die von erheblicher Bedeutung für die zahnärztliche Tätigkeit sind. Die Bundeszahnärztekammer vertritt zum Thema Korruption eine Null-Toleranz-Politik und befürwortete grundsätzlich eine strafrechtliche Sanktionierung. Gleichzeitig rügte sie aber auch schon im Gesetzgebungsverfahren die fehlende Rechtssicherheit insbesondere im Hinblick auf die fehlende Konkretisierung zu den vom Gesetzgeber gewünschten Möglichkeiten von zulässigen Kooperationen. Dieser Aspekt ist einer der wesentlichen Beanstandungspunkte, der von vielen Kritikern des Gesetzes vorgebracht wird.

§ 299a Abs. 1 StGB („Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“)

Der neu eingefügte § 299a Abs. 1 StGB („Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“) stellt für Zahnärzte das Fordern, Sich-versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils dafür, dass bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten zur unmittelbaren Anwendung durch den Arzt beziehungsweise seine Helfer oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein anderer bevorzugt wird, unter Strafe. Der neue Tatbestand erfasst die „Verordnerseite“, also diejenigen, die verordnen, abgeben oder überweisen dürfen. In diesen Fällen können die geschützten Rechtsgüter des lauteren Wettbewerbs und der Integrität heilberuflicher Entscheidungen auch durch auf Bezugsentscheidungen gerichtete Vorteile in strafwürdiger Weise beeinträchtigt werden.

Die Norm geht schon sprachlich deutlich über die bislang vorhandenen Regelungen des Berufsrechts und des Sozialrechts hinaus, wobei deren Regelungen und die dazu ergangene Rechtsprechung bei der Auslegung der neuen Straftatbestände weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Die (Muster-)Berufsordnung (M-BO) untersagt in § 2 Abs. 7 Zahnärztinnen und Zahnärzten, für die Verordnung, die Empfehlung oder den Bezug für Patienten von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten eine Vergütung oder sonstige vermögenswerte Vorteile für sich oder Dritte versprechen zu lassen oder anzunehmen. § 2 Abs. 8 regelt das Verbot der Zuweisung und Vermittlung von Patienten gegen Entgelt. Entsprechende Regelungen finden sich teilweise in den jeweiligen Landesberufsordnungen (vgl. z. B. § 2 Abs. 7, 8 BOZ RLP oder §§ 2 Abs. 6, 8 Abs. 5 BOZ BAY).

Zuweisung oder Zuführung

Der neue Tatbestand verwendet anstelle des aus dem Berufsrecht bekannten Begriffs der „Zuweisung“ den Begriff der „Zuführung“ und erfasst so neben der klassischen Überweisung alle Arten von Verweisungen und Empfehlungen – auch mündliche und unverbindliche Erklärungen – an andere Leistungserbringer, sogar die Weiterleitung von Patienten innerhalb ein und derselben Gemeinschaftspraxis oder bei anderen zulässigen Kooperationen. Wichtig ist daher, dass entsprechende Empfehlungen auf sachliche Gründe gestützt und auch dokumentiert werden.

Bereits mit dem „Fordern“ oder „Sich-versprechen-Lassen“ ist der Tatbestand erfüllt, eine tatsächliche Bevorzugung muss im Anschluss nicht mehr erfolgen. Höhe oder Art des Vorteils sind irrelevant, es gibt abgesehen von „sozialadäquaten Geschenken“, denen eine Eignung zu Beeinflussung der heilberuflichen Entscheidung fehlt, keine Bagatellgrenze.

Der Vorteil muss nicht „geldwert“ sein, auch immaterielle Gegenleistungen wie etwa die Verleihung von Titeln, Ehrungen und Ehrenämtern kann bereits tatbestandlich sein. Dasselbe gilt für Einladungen zu Kongressen, Kostenübernahmen von Fortbildungsveranstaltungen oder Vermögens- oder Gewinnbeteiligungen. Entscheidend ist in jedem Fall, dass kein Rechtsanspruch auf den Vorteil besteht und dieser die wirtschaftliche, rechtliche oder persön¬liche Lage des Empfängers objektiv verbessert. Bei dem Vorteilsempfänger muss es sich zudem nicht um den Täter handeln, auch Dritte (zum Beispiel Arbeitgeber, Ehegatten, Personal) kommen infrage.

Zwischen dem Vorteilsempfänger und dem Vorteilsgeber muss weiterhin eine sogenannte „Unrechtsvereinbarung“ bestehen. Diese muss nicht schriftlich getroffen werden. Die Unrechtsvereinbarung enthält den Zusammenhang zwischen Vorteil und Verordnungsverhalten. Ein Beispiel ist die mündliche Vereinbarung zwischen einem Dentallabor und einem niedergelassenen Zahnarzt, nach der das Labor dem Zahnarzt Praxisräume zu nicht marktüblichen Preisen dafür überlässt, dass dieser zukünftig bevorzugt das Labor beauftragt.

Beteiligungen an Unternehmen

Auch Beteiligungen des Zahnarztes oder der Zahnärztin an Unternehmen im Gesundheitswesen bergen jetzt Strafbarkeitsrisiken, wenn der Zahnarzt durch Zuweisungen an das Unternehmen für sich selbst wirtschaftliche Vorteile generiert. Besteht zwischen der wirtschaftlichen Beteiligung und der Zuweisung ein unmittelbarer Zusammenhang, ist der Tatbestand ohne Weiteres erfüllt. Ansonsten kommt es darauf an, ob der Zahnarzt bei objektiver Betrachtung durch sein Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten einen deutlichen Einfluss auf den an ihn auszuzahlenden Gewinn nehmen kann und somit der Anschein einer nicht mehr mit Patienteninteressen in Einklang zu bringenden, rein wirtschaftlichen Bevorzugung besteht.

Äußerst praxisrelevant ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit die Beteiligung von Zahnärzten an gewerblichen Dentallaboren unter den Tatbestand des neuen § 299a StGB fallen kann, wenn der beteiligte Zahnarzt zahntechnische Arbeiten für seine Patienten von dem betreffenden Labor bezieht. Insoweit muss man wohl davon ausgehen, dass zwar keine Zuweisung von Patienten an einen Dritten erfolgt, da das Dentallabor in keine Geschäftsbeziehung zu den Patienten tritt. Auch das Merkmal der Zuführung von Patienten dürfte an dieser Tatsache scheitern (siehe auch BT-Drs. 17/8206, S. 40, zur Nichtanwendbarkeit des § 73 Abs. 7 SGB V auf diese Fälle).

Es liegt aber ein Bezug von Medizinprodukten vor, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers wird der Bezug von Arznei- und Hilfsmitteln und Medizinprodukten, die der Heilberufsangehörige nicht (zunächst) verordnet, sondern ohne Verordnung unmittelbar beim oder am Patienten anwendet, wie zum Beispiel Prothesen, Implantaten und unmittelbar vom Heilberufsangehörigen anzuwendenden Arzneimitteln von der Regelung erfasst. Zahntechnische Werkstücke erfüllen also dieses Tatbestandsmerkmal. Es ist offensichtlich, dass eine Gewinnbeteiligung einen Vorteil im Sinne der Regelung darstellt. Ohnehin ist der Vorteilsbegriff nach der Rechtsprechung weit auszulegen, so dass jede materielle, aber auch ideelle Leistung darunter zu subsumiert werden kann, auf die der Betreffende keinen Anspruch hat. Insofern muss jeweils geprüft werden, ob eine etwaige Gewinnbeteiligung die äquivalente Gegenleistung für ein wirtschaftliches Engagement oder die Einbringung der Arbeitskraft ist oder nicht.

Unrechtsvereinbarung

Pauschale Aussagen sind nicht möglich, es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine sogenannte „Unrechtsvereinbarung“ vorliegt, das heißt der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung gefordert, versprochen oder angenommen wird oder der Zahnarzt einen Anspruch auf diese Leistung hat, da ihr eine Gegenleistung gegenübersteht. Da in diesen Konstellationen nunmehr ein nicht unerhebliches Strafbarkeitsrisiko besteht, sollte man derartige Beteiligungen einer kritischen Prüfung unterziehen und gegebenenfalls zeitnah Abstand von ihnen nehmen.

Anschaffungen für die Ausstattung der Praxis sind von der Strafnorm nicht erfasst. Beim Erwerb beispielsweise eines Behandlungsstuhls oder sonstiger Einrichtungsgegenstände für die Praxis handelt es sich um eine Entscheidung, bei der der Betroffene seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen kann. Allerdings darf auch hier keine Verknüpfung mit anderen Bezugsentscheidungen erfolgen (etwa neue Wartezimmereinrichtung bei Erreichen bestimmter Umsätze im Labor). Medizinprodukte, die zur unmittelbaren Anwendung durch den beziehenden Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, das heißt Füllmaterialien, Implantate, Abdruckmaterialien und mehr, unterfallen wiederum der Strafnorm. Bei Rabatten durch die Industrie bzw. Dentaldepots auf die genannten Produkte kommt es zunächst darauf an, ob diese Vergünstigungen an den Patienten weitergegeben werden. Nur wenn dies nicht oder nicht in voller Höhe der Fall ist, gibt es Raum für strafrechtliche Sanktionen. Dies gilt nicht für branchenübliche Skonti oder Rabatte, die jedermann dauerhaft angeboten werden, da es dann am Bezug zur konkreten Bezugsentscheidung fehlt.

Sind Fortbildungen weiter erlaubt?

Auch von der Industrie „geförderte“ Fortbildungen, bei denen beispielsweise Reise-, Übernachtungs- und Bewirtungskosten der Teilnehmer übernommen werden, exklusives kostenloses Begleitprogramm geboten wird oder die per se kostenfrei angeboten werden, können grundsätzlich als Vorteil gewertet werden. Hinzukommen muss dann wiederum der ggf. schwer zu führende Nachweis der Unrechtsvereinbarung, also dass der Zahnarzt in der Folge auch eine Bevorzugung des bestimmten Unternehmens bei Verordnung oder Bezug beabsichtigt beziehungsweise tatsächlich umsetzt. Anders liegt der Fall bei Teilnahme an Veranstaltungen, auf denen die Industrie lediglich präsentierend (etwa mit Infoständen oder Workshops) auftritt, da insoweit bereits die ärztliche Fortbildungspflicht ein Auseinandersetzen mit Neuerungen vorgibt und eine reine Informationsweitergabe keine pflichtwidrige Vorteilsgewährung oder -annahme darstellt
Spiegelbildlich zur Strafbarkeit der „Nehmerseite“ stellt § 299b StGB („Bestechung im Gesundheitswesen“) das Verhalten der „Geberseite“ unter Strafe. Insoweit kann jeder zum Täter werden, der die Tathandlungen gegenüber einem Angehörigen eines Heilberufs vornimmt. Mit den beiden Paragrafen deckt das Gesetz alle denkbaren Kombinationen von Bestechung und Bestechlichkeit, Verordnung und Bezug im Gesundheitswesen ab.

Haftstrafen drohen

Die Strafandrohung für die Begehung der Tat ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe empfindlich. Eine Strafschärfung ist zudem für „besonders schwere Fälle“ vorgesehen. Ein solcher liegt vor, wenn entweder das wirtschaftliche Ausmaß erheblich ist oder der Täter gewerbsmäßig und/oder als Mitglied einer „Bande“ agiert. Das Strafmaß steigt dann auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren ohne die Möglichkeit einer Geldstrafe. Als „gewerbsmäßig“ und „Bande“ wurde bereits die auf Dauer angelegte Tätigkeit von drei Ärzten gewertet, die gemeinsam Abrechnungsbetrug betrieben. Gerade im Bereich von Kooperationen besteht daher ein erhöhtes Risiko, nicht nur den Grundtatbestand zu verwirklichen, sondern auch direkt das Regelbeispiel. Zusätzlich greift hier dann über die Verweisungsnorm des § 302 der sogenannte erweiterte Verfall, was bedeutet, dass auch der erlangte Vorteil (Geld oder Gegenstände) nachträglich abgeschöpft werden kann. Nach einer etwaigen Verurteilung kommen als weitere Folgen der Entzug der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und schlimmstenfalls der dauerhafte Verlust der Approbation in Betracht. Bei Beteiligung von juristischen Personen sieht das Ordnungswidrigkeitengesetz zusätzlich Geldbußen und die Gewinnabschöpfung vor.

Aufgrund der fehlenden Erfahrung der Staatsanwaltschaften mit den neuen Tatbeständen ist davon auszugehen, dass diese zunächst auf die bekannte berufs- und sozialrechtliche Rechtsprechung zurückgreifen; was bislang „lediglich“ ein Berufsrechtsverstoß war, kann also nunmehr als Straftat verfolgt werden.

Für die Praxis bedeutsam ist weiterhin, dass an die Bejahung eines Anfangsverdachts (§ 152 Abs. 2 StPO) relativ geringe Anforderungen gestellt werden. In vielen Bundesländern wurden bereits Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet, die sich auf das Gesundheitswesen spezialisieren. Es muss daher mit der Einleitung einer Vielzahl von Strafverfahren gerechnet werden. Auch wenn ein Großteil dieser Verfahren am Ende eingestellt werden wird, kann dennoch ein empfindlicher Schaden durch die zum Teil öffentlichkeitswirksam betriebenen Ermittlungsverfahren (etwa Durchsuchung der Praxis bei vollbesetztem Wartezimmer) bereits eingetreten sein: ein erheblicher Reputationsverlust des betroffenen Zahnarztes.

Fazit

Zahnärzte sollten aus diesem Grund – sofern nicht bereits geschehen – umgehend ihre Kooperationen mit anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen oder etwaige Unternehmensbeteiligungen auf den Prüfstand stellen beziehungsweise überprüfen lassen. Weitere Probleme können sich auch in Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten ergeben, soweit es um den Bezug von Medizinprodukten geht, die zur unmittelbaren Anwendung beim Patienten bestimmt sind. Zu denken ist etwa an Implantate, Abdruckmaterialien und Endo-Feilen. Im Rahmen der Risikoabwägung ist dann darüber zu entscheiden, ob die Kooperation fortgesetzt, modifiziert oder aber beendet wird. Allein die Tatsache, dass es sich um langjährig gelebte Konstruktionen handeln kann, schützt nicht vor Strafe.

RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
koeln@medizin-recht.com