Als Vertragszahnarzt an zwei Standorten arbeiten
Laut eines aktuellen Urteils des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 07. Juni 2019 (L 24 KA 39/17) haben Vertragszahnärzte neben der vollen Zulassung keinen Anspruch auf eine weitere halbe Zulassung. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten, um an zwei Standorten zu arbeiten.
Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung ist die Zulassung. Der Vertragszahnarzt erhält diese, wenn die Zulassungsvoraussetzungen des § 18 Zahnärzte-ZV erfüllt sind. Hierzu gehören Nachweise über die durchlaufene Ausbildung, die Eintragung in das Zahnarztregister und weitere Unterlagen. Gleichzeitig mit dem Antrag auf Zulassung hat der Zahnarzt die Möglichkeit, gemäß § 18 Abs. 1 lit c eine Erklärung abzugeben, mit dem er seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt. Warum aber sollte der Zahnarzt seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränken? Besteht ggf. auch die Möglichkeit neben einer Vollzulassung eine weitere halbe Zulassung zu erlangen und wie sieht es mit einer möglichen Anstellung neben der (halben) Zulassung aus?
Nachfolgend soll zu den verschiedenen Optionen und die diesen ggf. zugrundeliegenden Erwägungen aus juristischer Sicht Stellung genommen werden:
Regelmäßig 25 Wochenarbeitsstunden Versorgungsauftrag
1. Zunächst ist natürlich denkbar, dass ein Vertragszahnarzt oder eine Vertragszahnärztin die Tätigkeit nicht in Vollzeit ausüben möchte. Zwar ist in der vertragszahnärztlichen Versorgung, anders als bei den Humanmedizinern, keine Mindestteilnahmeverpflichtung in der Zulassungsverordnung geregelt. Gleichwohl aber gehen die KZV-en davon aus, dass Zahnärzte mit voller Zulassung ihren Versorgungsauftrag regelmäßig mit jedenfalls 25 Stunden pro Woche zu erfüllen haben. Will ein Zahnarzt in geringerem Umfang an der Versorgung teilnehmen, müsste er den Versorgungsauftrag eigentlich entsprechend beschränken, wenngleich die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen es derzeit nach den Erfahrungen des Autors nicht sanktionieren, wenn ein Zahnarzt trotz vollem Versorgungsauftrag weniger als 25 oder 20 Stunden die Woche arbeitet.
Strategische Halbierung der Zulassung
2. Vor allem aber können auch strategische Erwägungen Anlass für die Halbierung der Zulassung sein. So ist es denkbar, dass ein Vertragszahnarzt neben seiner Niederlassung in der freien Praxis an anderer Stelle noch als Angestellter tätig werden möchte. Die Gründe können vielfältig sein. Die eigene Praxis hat möglicherweise nicht ausreichend Patienten für eine Vollzeittätigkeit oder der Zahnarzt möchte neben der eigenen Praxis noch in einem von ihm gegründeten MVZ als Angestellter arbeiten.
Bei diesen Erwägungen liegt der Gedanke nahe, eine Anstellung an anderer Stelle auch neben der eigenen Vollzulassung einzugehen oder aber neben der eigenen Vollzulassung eine weitere halbe Zulassung zu beantragen. Jedenfalls der ersten Erwägung steht § 5 Abs. 5 Bedarfsplanungsrichtlinie Zahnärzte entgegen. Nach dieser Regelung darf im Falle einer gleichzeitigen Tätigkeit als (vollzeitig oder hälftig) zugelassener Zahnarzt und/oder als angestellter Zahnarzt bei der Bemessung des Versorgungsgrades der Faktor 1,0 nicht überschritten werden. Damit aber steht fest, dass neben der vollen Zulassung eine weitere Bedarfsplanungsrelevante Anstellung nicht in Betracht kommt.
Rechtsanspruch auf zweite Zulassung
Durch die etwas unklare Regelung ist jedoch noch nicht eindeutig normiert, ob neben einer Vollzulassung eine hälftige Zulassung an anderer Stelle in Betracht kommt. Durch Urteil vom 11.02.2015 (B 6 KA 11/14 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass es möglich ist, neben einem auf die Hälfte beschränkten Versorgungsauftrag an anderer Stelle eine zweite Teilzulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag auszuüben. Die seinerzeit streitige Frage ist damit beantwortet. Offen ist allerdings die Frage, inwieweit neben einer Vollzulassung eine weitere Teilzulassung in Betracht kommt. Darüber hatte das BSG in dem damaligen Verfahren nicht zu entscheiden. Gleichwohl kann man den Formulierungen im damaligen Urteil entnehmen, dass auch das BSG davon ausgeht, dass die Reduzierung des Versorgungsauftrages Voraussetzung für die Zulassung an anderer Stelle ist. Diesbezüglich heißt es wie folgt: „Sofern der Vertragszahnarzt die ihm bereits erteilte Zulassung gemäß § 19a Abs. 2 Ärzte-Zahnärzte-ZV auf einen hälftigen Versorgungsauftrag beschränkt hat oder ihm von vorneherein nur eine Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag erteilt wurde, steht ihm – bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzung im Übrigen – ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer zweiten Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag zu.“
Dieser Formulierung lässt sich entnehmen, dass die Voraussetzung für eine weitere Teilzulassung ist, dass der Vertragszahnarzt den Versorgungsauftrag reduziert oder bereits von vorneherein eine Teilzulassung inne hatte.
In die gleiche Richtung geht ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG Berlin Brandenburg) vom 07.06.2019 – L 24 KA 39/17.
Patientenversorgung muss adäquat abgebildet werden
Das LSG hat festgestellt, dass neben einem vollen Versorgungsauftrag ein weiterer hälftiger Versorgungsauftrag nicht erteilt werden kann. Zwar handelt es sich um einen Sachverhalt der Humanmediziner betraf. Dieser lässt sich jedoch ohne Weiteres auch auf Zahnärzte übertragen. Im dortigen Fall beantragte der bereits mit vollem Versorgungsauftrag zugelassene Kläger eine weitere halbe Zulassung an anderer Stelle. Die Zulassungsgremien verwehrten ihm dies und lehnten die weitere halbe Zulassung ab. Seine dagegen gerichtete Klage zum Sozialgericht Potsdam war zunächst erfolgreich. Das LSG ist dem aber entschieden entgegen getreten und zwar vordergründig mit dem Argument, dass es rein praktisch nicht möglich sei, den Patienten an zwei verschiedenen Standorten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten. Eine ärztliche Praxis muss in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein und dürfe nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten. Diese Beschränkung, so das LSG, sei auch mit der durch das Grundgesetz geschützten Berufsausübungsfreiheit vereinbar.
Maximal eine volle oder zwei halbe Zulassungen
Nach Auffassung des Autors lässt sich dies auf zahnärztlich Praxen übertragen. Das bedeutet, dass bei Zahnärzten die Beschränkung des Versorgungsauftrags auf einen Faktor von insgesamt 1,0 nicht nur bei einer gleichzeitigen Tätigkeit als zugelassener und angestellter Zahnarzt gilt sondern auch bei einer ausschließlichen Tätigkeit als zugelassener Vertragszahnarzt, d.h. dass ein Vertragszahnarzt maximal eine volle Zulassung an einem oder zwei halbe Zulassungen an unterschiedlichen Standorten inne haben kann.
Zu der Frage, ob ein ausschließlich als Angestellter tätiger Zahnarzt bei der Bemessung des Versorgungsgrades den Faktor 1,0 überschreiten darf, treffen die genannten Urteile ebenso wenig eine Aussage wie die Bedarfsplanungsrichtlinie. Die Spruchpraxis der Zulassungsausschüsse ist unterschiedlich. In Nordrhein scheidet eine Anstellung in diesen Fällen aus.
Ein gewisses Maß an Gestaltungsmöglichkeiten
3. Gleichwohl kann die Teilung einer Zulassung dem Vertragszahnarzt durchaus gewisse Gestaltungsmöglichkeiten bieten:
a) Möglich ist es beispielsweise, dass neben einer halben Zulassung am „Hauptsitz“ über einen weiteren halben Versorgungsauftrag eine weitere Praxis an anderer Stelle betrieben wird. Der Vertragszahnarzt kann an diesen beiden Standorten ausschließlich alleine tätig sein. Er kann jedoch auch im Rahmen des § 9 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) Zahnärzte anstellen. Regelhaft ist an jedem Standort mit halber Zulassung die Anstellung eines vollzeitbeschäftigten Zahnarztes möglich. Mit Darlegung eines Praxiskonzepts, welches die persönliche Praxisführung gewährleistet, ist die Anstellung von jeweils bis zu zwei Vollzeitbeschäftigte möglich.
Sinnvoll ist ein solcher Weg bspw. dann, wenn der Einzugsbereich der Praxis ausgeschöpft ist oder die Räumlichkeiten keine Expansionsmöglichkeiten bieten.
Dabei kann die Gründung einer weiteren Praxis mit halben Versorgungsauftrag gegenüber einer Zweigpraxisgründung verschiedene Vorteile haben, da die Gründung von Zweigpraxen nach der Zahnärzte-ZV von weiteren Voraussetzungen abhängt und im Übrigen der Einsatz von angestellten Zahnärzten in einer solchen Konstellation ebenfalls an strenge Voraussetzungen gebunden ist. Leider ist es jedenfalls nach Auffassung der meisten Zulassungsausschüsse derzeit (noch) nicht möglich, zwei Nieder‧lassungen mit jeweils halber Zulassung eines Vertragszahnarztes über eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft zu verbinden. Letzteres hätte den Vorteil, dass die Abrechnung über eine Abrechnungsnummer erfolgen und auch die angestellten Zahnärzte eines Standorts am jeweils anderen Standort tätig sein könnten. Die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft „mit sich selbst“ halten die meisten Zulassungsausschüsse aber aus formalen Gründen nicht für möglich. Hier zeigt sich ein Bereich, in dem der Vertragszahnarzt gegenüber einem zahnärztlichen MVZ benachteiligt ist. Bei letzteren wird es inzwischen nämlich regelhaft für möglich gehalten, dass zwei MVZ, auch wenn sie in Trägerschaft ein und derselben juristischen Person sind, eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft eingehen.
Anstellung bei Kollegen
b) Eine weitere Gestaltungsvariante wäre, dass der Vertragszahnarzt neben der Tätigkeit in seiner eigenen Praxis bei Kollegen als angestellter Zahnarzt tätig wird. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang etwa die Tätigkeit eines Oralchirurgen, der in den Praxen von anderen Kollegen oralchirurgische Leistungen erbringt. Die Beschränkungen aus der Berufsordnung sind an dieser Stelle jedoch zu beachten. Einige Berufsordnungen sehen Reglungen vor, nach denen neben dem Praxissitz nur an bis zu zwei weiteren Orten der zahnärztliche Beruf ausgeübt werden kann (vgl. etwa § 1 Abs. 1 S. 4 Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein).
c) Interessant könnte es schließlich sein, neben der Tätigkeit in eigener Praxis mit halbem Versorgungsauftrag eine Anstellung in einem MVZ einzugehen. Dabei kommt beispielsweise auch das eigene MVZ in Betracht, in dem der Vertragszahnarzt neben seiner eigenen Praxis auch noch als Angestellter und sogar als zahnärztlichen Leiter fungieren kann.
Fazit: Rahmenbedingungen unbedingt beachten
Als Fazit ist also festzuhalten, dass es durch die Möglichkeiten der Reduzierung des Versorgungsauftrags auf eine halbe Zulassung Möglichkeiten gibt, an anderen Standorten als der Ursprungspraxis tätig zu werden. Bei jeder Überlegung in diese Richtung müssen aber die Vertragszahnärztlichen und berufsrechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden. Mehr als insgesamt eine volle Zulassung bzw. mehr als die Teilnahme mit dem Faktor 1,0 an der Bedarfsplanung (sei es als Vertragszahnarzt, als Angestellter oder beides) kommt jedoch nach der Bedarfsplanungsrichtlinie und der Rechtsprechung der Sozialgerichte nicht in Betracht.
Der Experte
RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei michels.pmks Rechtsanwälte in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.