QM

Qualitätsmanagement in der Zahnarztpraxis

Seit 2010 sind Zahnärzte gesetzlich verpflichtet, in ihren Praxen Systeme zur Qualitätssicherung einzuführen. Während diese Neuerung anfangs nicht selten als lästig und zeitintensiv angesehen wurde, hat mittlerweile ein Prozess des Umdenkens begonnen.


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Strategisch ausgerichtete Praxen begreifen QM, gerade in Zeiten mit steigendem Konkurrenzdruck, als Chance, um sich durch eine Zertifizierung von ihren Konkurrenten abzuheben und gezielt auf etwas hinzuarbeiten, das heute unentbehrlich ist, um nicht in der grauen Mitte unterzugehen – eine eigene Identität.

Maßnahmen zur Qualitätssicherung reibungslos in den Praxisalltag zu integrieren ist jedoch eine anspruchsvolle Herausforderung für alle Beteiligten. Dass sich bei Arzt und Personal durch eingefahrene Abläufe eine gewisse „Betriebsblindheit“ einstellt, ist eine Erfahrung, die ein Berater bei der Praxisanalyse häufig macht – und nur ein Exempel für die Hürden auf dem Weg zum funktionierenden QM. Hilfe von außen ist nicht nur deshalb generell ein sinnvoller erster Schritt. Wer Zahnärzte kompetent und praxisnah beraten möchte, sollte auch darüber informiert sein, welche Aspekte beispielsweise für eine Zertifizierung wichtig sind. Um zu prüfen, ob ein QM-System wirksam ist, kommt ein Auditor vom TÜV als unabhängiger Dritter in die Praxen, prüft stichprobenartig und zertifiziert. Aus diesem Grund hat die zuständige Mitarbeiterin der Opti Zahnarztberatung sogar eine Zusatzausbildung zur Auditorin abgeschlossen und kann deshalb auf der Basis dieses Expertenwissens die Praxen unterstützen – auch wenn sie nicht gleichzeitig als Beraterin und Auditorin auftreten darf. Eines ist aber auch beim Thema QM unerlässlich: Der Chef muss sein Team für diese Idee gewinnen und von den Vorteilen überzeugen, die durch die damit verbundenen Maßnahmen menschlich, organisatorisch und finanziell entstehen.

Bevor der Praxischef also ein solches System einführt, sollte er dem Personal nahebringen, welche positiven Konsequenzen ein damit verbundenes effektives Fehlermanagement hat. Denn QM hilft Schwächen aufzudecken und Stärken zu fördern. Dabei geht es jedoch keineswegs um Schuldzuweisungen. Ohnehin sind die meisten Fehler systematischer Natur und haben mit der Praxisführung zu tun. Richtig verstanden und angewendet, optimiert QM Organisation und Abläufe in der Praxis und richtet alle Leistungen konsequent auf die Bedürfnisse der Patienten aus. In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel relevant zu kommunizieren, dass Protokolle über vermeintliche Selbstverständlichkeiten durchaus Sinn machen. Ein Beispiel wäre der Fall, dass eine Praxismitarbeiterin vergessen hat, ein Fenster zu schließen. Es ist nötig, dem Team klarzumachen, welche Schäden durch einen Einbruch oder Wettereinflüsse entstehen können, und dass es deshalb wichtig ist, diese „Kleinigkeiten“ immer wieder zu prüfen und zu dokumentieren. Der Praxischef schärft so bei seinen Angestellten das Bewusstsein für systematisches Vorgehen und Mitverantwortung an der Qualität der angebotenen Dienstleistungen.

Klare Ansagen als Vertrauensbasis

Grundelemente bei der Einrichtung eines QM-Systems sind die Erhebung des Ist-Zustands, die Festlegung von Praxiskonzepten und -zielen und – in diesem Zusammenhang – die Regelung wiederkehrender Abläufe und die Zuweisung von Verantwortungsbereichen. Genauso wichtig ist es für den Zahnarzt, den Informationsfluss in der Praxis zu organisieren und all diese Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen, um eine Prozessoptimierung zu erreichen. Damit die so festgelegten Abläufe den Mitarbeitern quasi in Fleisch und Blut übergehen, aber auch gelebt und verstanden werden, sind klare Ansagen ein vertrauensbildendes Mittel. Oft tritt beim gesamten Team ein positiver „Aha-Effekt“ ein, manchmal müssen aber auch Missverständnisse, die auf mangelhafter Kommunikation beruhen, ausgeräumt werden.

Dazu ein Beispiel: In einer Praxis, die Opti seit 2009 betreut, ist den Mitarbeitern erst nach der Einführung von QM klargeworden, wie viele Arbeiten sie bisher doppelt erledigt haben, und dass Stress und schlechte Stimmung auch deshalb entstehen, weil Aufgaben und deren gewünschte Ausführung im Arbeitsalltag nicht geregelt sind. Der Chef stellt beim Thema „Kommunikationsmängel“ ebenfalls keine Ausnahme dar. Nicht selten ist ein Zahnarzt geschockt, weil er ein Problem überhaupt nicht als solches wahrgenommen hat. So auch im oben genannten Fall: In dieser Praxis mit sehr engagierten Mitarbeitern wurde ein QM- System mit klaren Anweisungen aufgebaut. Eine davon besagte, dass die Jalousien im Behandlungsraum morgens bis zu einer bestimmten Höhe hochgezogen werden sollten, was auch geschah. Der Zahnarzt ließ das Rollo zu Beginn der Behandlung dann aber jedes Mal ohne jeden Kommentar wieder herunter. Bei den Mitarbeitern machte sich verständlicherweise Frustration breit, denn diese hatten nun das Gefühl, es keinem recht machen zu können. Dabei hätte der Chef sein Personal nur darüber informieren müssen, dass ihm der Lichteinfall bei der vorgegebenen Stellung der Jalousien zu stark ist. In 80 Prozent der Praxen entstehen solche Probleme durch mangelnde Kommunikation, was oft erst durch die Einführung eines QM-Systems aufgedeckt wird.

Den Ernstfall proben

Hilfreich kann es auch sein, das Prüfungsszenario für den Fall durchzuspielen, dass ein Auditor in die Praxis kommt. Dabei liegt in der Zahnarztpraxis eine Ausgangssituation vor, die sich von der Organisation einer solchen Vorbereitung in einem größeren Unternehmen unterscheidet. Ein Konzern verfügt in der Regel über Fachkräfte, die bereits eine Ausbildung im Bereich QM genossen haben. In einer Zahnarztpraxis dagegen übernimmt diese Aufgabe meist eine ZFA, die zuerst entsprechend geschult werden muss. In erster Linie kommt es darauf an, gemeinsam oder mit Unterstützung eines Beraters genaue Qualitätsziele zu erarbeiten und zu formulieren. Präzise definierte Vorgaben sind ein entscheidender Faktor auf dem Weg zum gewünschten Erfolg. Wenn Berater im Rahmen einer Praxisbegehung nach Fehlerquellen suchen, fallen ihnen oft Dinge auf, an die die Betroffenen nicht sofort denken: Ist der Notausgang ausgeschildert? Wo befinden sich Feuerlöscher oder Notfallkoffer und hat die zuständige Mitarbeiterin abgelaufene Medikamente ersetzt? Auch der gut sichtbare Aushang des Hygieneplans oder die lückenlose Dokumentation von Fortbildungen fallen unter diese Kategorie. Ein „Klassiker“ ist der berühmte „Kummerkasten“ im Wartezimmer. Einerseits ist es löblich, den Patienten dieses interaktive Kommunikationsmittel für Anregungen oder Beschwerden zur Verfügung zu stellen. Wenn die Vorrichtungen aber in schlechtem Zustand sind oder sogar als Mülleimer zweckentfremdet werden, entsteht beim Auditor schnell der Eindruck, dass dem Praxisteam die Meinung der Patienten wohl doch nicht am Herzen liegt.

Win-win-Situation

Generell ist der Beratungsbedarf bezüglich der Einführung von QM in Zahnarztpraxen seit 2010 kontinuierlich gestiegen. Erfolgreiche Praxen begreifen die Zertifizierung inzwischen als Aushängeschild und verpflichten sich oft sogar, nur mit ebenfalls zertifizierten Laboren zusammenzuarbeiten. Diese Zahnärzte haben bereits erkannt, dass durch ein funktionierendes QM-System alle Beteiligten nur gewinnen. Der Chef kann sich darauf verlassen, dass alle Aufgaben in der gemeinsam festgelegten Art und Weise erledigt werden. Das heißt, dass er mehr Zeit in seine eigentliche Aufgabe, die Behandlung und Beratung der Patienten, investieren kann. Die Folge: Gesteigerte Umsätze, die beinahe vollständig als Gewinn verbucht werden können, und eine verstärkte Bindung von Patienten an die Praxis. Die für alle im Team verbindliche Standardisierung der Abläufe schafft die Voraussetzung dafür, dass jeder einzelne Angestellte seine Pflichten kennt und weiß, wie, wann und vor allem warum er diese zu erfüllen hat. Verwechslungen, doppelt ausgeführte Arbeiten, Versäumnisse und Schuldzuweisungen gehören weitgehend der Vergangenheit an. Der Stresspegel fällt, die Prozessqualität steigt, und damit auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter.

Um in den Genuss dieser Vorteile zu gelangen, ist es letztlich entscheidend, dass das Personal QM als kontinuierlichen Prozess begreift, der nie abgeschlossen ist. Die Mitverantwortung für die stetige Verbesserung und somit auch für den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes hat zur Folge, dass sich die Angestellten mit gemeinsam definierten Praxiszielen identifizieren – und so selbst zum wichtigsten Aushängeschild der Praxis werden.

 Dipl.-Kfm. Christian Henrici
ist Mitbegründer und Geschäftsführer der OPTI Zahnarztberatung GmbH. OPTI hat sich auf Betriebswirtschaft, Organisation, Marketing sowie Führung & Personal für die Zahnarztpraxis spezialisiert. Henrici schreibt regelmäßig Fachbeiträge und ist Autor des Buchs „Wer braucht schon gutes Personal?“.
Kontakt: henrici@opti-zahnarztberatung.de