Praxisgründung: Wichtige Tipps von der Idee einer Praxisübernahme bis zur Umsetzung

Immer noch attraktiv: die eigene Praxis

Immer wieder stellen sich junge Zahnärzte die Frage, ob sich die Übernahme der eigenen Praxis wirklich (noch) lohnt. Und sicherlich kann diese Frage nicht pauschal mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden, aber es bestehen weiterhin sehr gute Möglichkeiten. Hier einige Tipps für die Phase bis zur Praxisübernahme.



Eine Weisheit besagt „Wer sein Ziel nicht kennt, für den geht kein Schritt in die richtige Richtung“. Deshalb sollte jeder Existenzgründer zunächst überlegen, was er will und warum er es will. Denn: Die Selbstständigkeit birgt viele Herausforderungen, sodass das „Warum?“ und damit die eigene Motivation wichtig sind. Mit einem starken „Darum möchte ich selbstständig sein …“ können fast alle Hindernisse auf dem Weg dahin einfacher überwunden werden.
Am Anfang steht die Vision
Bevor Existenzgründer in eine eher zufällige Richtung loslaufen, sollten sie sich entspannt zurücklehnen, um die Idealvision ihrer eigenen Praxis in den schillerndsten Farben zu visualisieren. Mit dieser motivierenden Vision im Kopf haben Existenzgründer einen ersten Eindruck, was zu ihnen passt. Dazu zählen konkrete Vorstellungen:
Will ich kooperativ in einer Gemeinschaftspraxis arbeiten oder autark meine Einzelpraxis führen?
Sollte es die Einzelpraxis werden: Will ich einziger Behandler sein oder möchte ich mit angestellten Zahnärzten arbeiten?
Wo soll die Praxis sein? Gibt es eine Region, die Vorteile bietet?
Was macht meine Praxis aus und was unterscheidet mich von Wettbewerbern?
Die Antworten müssen noch nicht in „Stein gemeißelt sein“, aber es hilft, wenn man direkt auf seine Ideal-Vorstellung hinarbeiten kann.
Alleine oder gemeinsam
Die Wahl zwischen Einzel- oder Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) hängt häufig davon ab, ob jemand alles selbst entscheiden möchte oder eben nicht und auch nicht für alles verantwortlich sein will. Wer mit einem oder mehreren Partnern zusammen arbeiten will, für den ist es wichtig, den bzw. die richtigen Praxispartner zu finden.
Selbst in der Einzelpraxis muss man nicht alleine sein, wenn man Zahnärzte anstellt. So findet man z. B. fachlichen Austausch. Jedoch wird sich dieser in der Angestelltenkonstellation anders gestalten als mit gleichberechtigten Partnern, die auch Verantwortung übernehmen. Und: Aus jeder Einzelpraxis kann noch eine Gemeinschaftspraxis werden.
Übernahme oder Neugründung
Diese Frage ist noch herausfordernder, weil beide Möglichkeiten zugleich Chancen wie Risiken bieten. Für eine Praxisübernahme sprechen vor allem:
  • ein – zumeist langjähriger, treuer Patientenstamm und damit wahrscheinlich ein volles Terminbuch inklusive Umsatz ab dem ersten Tag,
  • ein – zumeist eingespieltes – Praxisteam,
  • eine laufende Struktur und Organisation sowie
  • ein im Durchschnitt geringerer Investitionsbedarf.
Für eine Neugründung spricht vor allem die Option, seine Praxis nach den eigenen Wünschen aufbauen zu können, z. B.:
  • mit den Wunschpatienten,
  • in den Wunschräumlichkeiten,
  • mit den Wunschmitarbeitern und
  • der Wunschorganisation.
Jedoch hat diese Idealvorstellung einer Neugründung ihren Preis: Während die Übernahme – inklusive Investitionen und Betriebsmittelkredit – einer zahnärztlichen Einzelpraxis 2022 mit rund 446.000 Euro zu Buche geschlagen hat, sind für die Neugründung im Durchschnitt 755.000 Euro aufgewendet worden (Quelle: apoBank Existenzgründungsanalyse Zahnärztinnen & Zahnärzte 2022).
Die höheren Kosten einer Neugründung in Verbindung mit einem höheren Risiko und dass viele Gebiete zahnärztlich ausreichend besetzt sind, zeigen sich in den Niederlassungszahlen: In der vorgenannten Quelle verteilten sich die Niederlassungen 2022 zu 62 % auf die Übernahme einer Einzelpraxis gegenüber 6 % Neugründungen einer Einzelpraxis. Die restlichen 32 % fielen im Wesentlichen auf die Neugründung (4 %), Übernahme (13 %) bzw. den Einstieg in eine Berufsausübungsgemeinschaft (14 %).
Die passende Praxis finden
Wer eine Praxis übernehmen will, der muss die passende Praxis finden. Hilfreich ist es, die Suche mit seinen Optimalkriterien zu starten. Dennoch ist – abhängig von dem Praxisangebot – eine gewisse Flexibilität empfehlenswert, um die Suchkriterien gegebenenfalls nach und nach ausweiten zu können. Wer nicht sofort seine Wunschpraxis findet, sollte zunächst etwas Geduld aufbringen. Erst mit längerer Suchdauer ist es ratsam, Geduld durch Flexibilität auszugleichen.
Neben der Suche über Praxisbörsen kann man auch selbst eine (anonymisierte) Suchanzeige aufgeben oder die Praxen in der gewünschten Region direkt anschreiben. Bei Praxisbörsen fallen zumeist erst bei erfolgreicher Vermittlung Kosten an. In der Regel ist mit 3,5 % bis zu 5 % zzgl. MwSt. vom Kaufpreis zu rechnen.
Die richtige Praxisauswahl
Für die Entscheidung, ob die ausgewählte Praxis eines Kollegen alles mitbringt, um die richtige eigene Praxis zu werden, kann man sich professionelle Unterstützung holen. Sowohl Steuerberater, Praxisberater wie auch Depots können sehr hilfreich sein. In einigen Bundesländern wird ein Coaching bzw. die Beratung bei der Niederlassung sogar staatlich gefördert. Ein Beispiel ist die Förderung durch das Institut für freie Berufe (IFB) für Niederlassungen in Bayern. Hier kann eine professionelle Beratung durch einen zugelassen Coach mit bis zu 5.600 Euro bezuschusst werden.
Neben der Analyse der betriebswirtschaftlichen Praxiszahlen (Betriebswirtschaftliche Auswertungen bzw. Gewinnermittlungen) sind auch eine Verteilung der Honorare auf verschiedene Leistungsbereiche (in der Regel die Auswertung einer Praxissoftware), eine Prüfung des bisherigen Marketings und der materiellen Gegenstände der Praxis sinnvoll.
Gut zu wissen: Existenzgründer sollten nicht davon ausgehen, dass die angebotene Praxis der vorgestellten Traumpraxis entsprechen muss. Vielmehr geht es darum, die Möglichkeiten für eine Transformation zu analysieren. Also: Ist es möglich bzw. wie lange dauert es, die Abgeberpraxis zur eigenen (Wunsch-) Praxis zu verändern. Denn nicht jeder Patient des Kollegen ist langfristig der (Wunsch-)Patient des Übernehmers. Das kann auch für die Mitarbeitenden gelten. Kurzfristig werden natürlich möglichst alle Patienten und wahrscheinlich auch alle Mitarbeitenden übernommen. Langfristig sind Anpassungen sehr wahrscheinlich und auch vollkommen in Ordnung.
Die Verhandlungen
Wurde die Wunschpraxis identifiziert, sind die Verhandlungen zu führen. Dabei sind mehrere Dinge zu berücksichtigen. Erstens sollte nicht nur über den Kaufpreis der Praxis verhandelt werden, sondern über ein Gesamtkonzept. Dieses besteht im Schwerpunkt aus folgenden Teilen:

Übergangsphase: Wer ist bei wem wie lange und zu welchen Konditionen angestellt? Eine Übergangsphase von 3 bis 6 Monaten hat sich hier als vorteilhaft herauskristallisiert. Individuell kann das aber länger oder kürzer sein.

Unterstützung beim Marketing: Übernehmer dürfen die Patienten des Abgebers erst einmal nicht anschreiben, die Abgeber jedoch schon. Deshalb ist es sinnvoll, wenn der Abgeber – auf Kosten des Übernehmers – den Großteil seiner Patienten anschreibt, sie über die Praxisabgabe informiert und gleichzeitig darum bittet, das ihm geschenkte Vertrauen auch dem Nachfolgenden zu geben. Weitere Bausteine des Marketings – auf Kosten des Übernehmers – können sein:
  • Aushang in der Praxis,
  • Übernahme der Internetdomain und/oder des Google-Profils des Abgebers,
  • Anzeige mit einem gemeinsamen ­Foto,
  • Kontakte zu Verbänden, Organisationen, Vereinen.

Jede Maßnahme, die dabei unterstützt, zunächst möglichst viele Patienten zu übernehmen, ist wertvoll für einen Übernehmer.

Praxiskauf „mit Psychologie“: Bei dem Kauf der Praxis ist genau zu klären, welche materiellen Gegenstände verkauft werden. Gegebenenfalls befindet sich einiges im Privateigentum des Abgebers und wird daher nicht mitverkauft.
Außerdem sollte Einigkeit darüber bestehen, welche Umsätze, Verträge und Verpflichtungen auf den Übernehmer übergehen können bzw. müssen. Erst wenn alle diese Rahmenbedingungen besprochen sind, sollte über den Kaufpreis verhandelt werden.

Wird verhandelt, ist unbedingt die Verkaufspsychologie zu beachten. Dazu das Beispiel eines Auto-Verkaufs: Der Verkäufer erstellt oftmals eine Anzeige und legt dabei den Verkaufspreis bzw. die Verhandlungsbasis (VB) fest. Ist dann bereits der erste Interessent so von dem Auto begeistert, dass er es zum Wunschpreis kauft, ist der Verkäufer zunächst zufrieden. Kommen danach aber noch weitere Interessenten, die das Auto ungesehen zu demselben Preis kaufen würden, wird der Verkäufer möglicherweise unzufrieden. Denn bei ihm macht sich das Gefühl breit, zu günstig verkauft zu haben. Obwohl er seinen Wunschpreis erhalten hat, ist er trotzdem unzufrieden. Genauso kann es auch Praxisabgebern ergehen. Daher ist Fingerspitzengefühl gefragt. Es ist darauf zu achten, dass der Abgeber positiv vom Verhandlungsergebnis gestimmt ist. Er sollte sich auf keinen Fall frustriert und „über den Tisch gezogen“ fühlen, sondern immer das Gefühl haben, das Maximum herausgeholt zu haben.

Zudem können Praxisübernehmer von ihren Vorgängern nachhaltig profitieren, z. B. wenn diese sie bei der Übergabe der Patienten und bei Marketingmaßnahmen unterstützen oder als motivierter Kollege noch eine Zeit lang mitarbeiten. Meistens sind gemeinsame Marketingmaßnahmen auf Sicht wesentlich wertvoller als ein paar zehntausend Euro mehr gezahlter Kaufpreis. Daher kann es Sinn machen, bei den Verhandlungen in puncto Kaufpreis nachzugeben. Immer mit dem Ziel, dass der abgebende Kollege das Gefühl hat, den maximalen Kaufpreis erhalten zu haben.

Fazit
Ein erfolgreicher Praxisstart beginnt mit einer starken Vision. Diese beinhaltet wichtige Entscheidungen wie die Wahl der passenden Praxisform (Einzel- oder Gemeinschaftspraxis). Auch das beeinflusst, ob die eigene Praxis über eine Neugründung oder eine Übernahme realisiert wird. Wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Praxisübernahme sind dann die strategischen Kaufverhandlungen, um die jeweils bestmögliche Übernahme für beide Seiten zu erreichen.

Gewappnet mit diesen Voraussetzungen stehen die Zeichen für einen erfolgreichen Praxisstart schon auf „Go“.

 

Michael Kreuzer

ist Geschäftsführer und Inhaber der ZahnÄrzteBeratung BestPraxis in München.
Seit über 25 Jahren ist der Diplom-Kaufmann auf die Beratung von Mandanten
aus dem Bereich der akademischen Heilberufe spezialisiert.
www.bestpraxis.de
Foto: privat