Bin ich bereit für die Praxisabgabe?
In den kommenden Jahren wird die Zahl der abzugebenden Zahnarztpraxen fast schon dramatisch ansteigen. Diejenigen Zahnärzte, die in den nächsten Jahren ihre Praxis verkaufen wollen, sollten sich deshalb gut auf die Abgabe vorbereiten. Wie Zahnärzte an das Thema Praxisabgabe herangehen sollten, erläutert Michael Kreuzer, Geschäftsführer und Inhaber von BestPraxis in München, in dieser zweiteiligen Serie. Teil 1 beleuchtet die persönliche Vorbereitungsphase.
Nur wenige Entwicklungen sind so vorhersehbar wie die Demografie. In den nächsten Jahren stellt uns die Altersstruktur in Deutschland vor besondere Herausforderungen – betroffen sind vor allem unsere Sozialsysteme. Aber auch die Entwicklung der Vertragszahnärzte und angestellten Zahnärzte (Abb. 1 KZBV-Jahrbuch 2023) birgt in diesem Zusammenhang eine besondere Problematik.
Derzeit sind viele Zahnärzte um die 60 Jahre alt. Die meisten von ihnen werden in den nächsten drei bis sieben Jahren ihre Praxis verkaufen. Während das Angebot an zu verkaufenden Praxen also stark steigen wird, wird die Nachfrage der bisher angestellten Zahnärzte, die eine Praxis übernehmen wollen, nicht mithalten können. Deshalb ist ein Praxisverkauf rechtzeitig und gut vorzubereiten.
Abgeben wollen versus können
Die Entscheidung, seine Praxis abgeben zu wollen, ist manchmal leicht getroffen: Die stetig wachsende Bürokratie, immer größere Personalprobleme, steigende Ansprüche der Patienten, sinkende Zahlungsbereitschaft der Krankenkassen (und teilweise auch der Patienten) sowie viele weitere Themen erleichtern diese Entscheidung oft. Sieht man gleichzeitig die Möglichkeiten, die für die eigene Freizeitgestaltung zur Verfügung stehen, wünscht man sich, lieber heute statt morgen aufzuhören.
Aber ist es wirklich so einfach? Praxisinhaber sollten sich gut überlegen, ob sie wirklich in der Lage sind, zeitnah abzugeben. Das betrifft insbesondere die finanziellen Möglichkeiten, also die Frage: Ab wann kann ich es mir leisten, nicht mehr zu arbeiten?
Aber auch auf emotionaler Seite stellt sich die Frage: Kann ich auf meine Arbeit – also einen wesentlichen Teil meines derzeitigen Lebens – so einfach verzichten? Würde mir die Aufgabe, die Bestätigung durch Patienten und viele andere Rahmenbedingungen am Ende doch fehlen?
Wer seine Praxis tatsächlich verkaufen möchte, sollte sich deshalb die Zeit nehmen, um in Ruhe die vollumfänglichen Veränderungen vor einer Entscheidung zu bedenken.
Und dann angestellt?
Praxisabgabe kein Problem … dann lasse ich mich einfach anstellen. Natürlich muss man mit dem Praxisverkauf nicht komplett Schluss machen mit dem Thema arbeiten. Man kann sich auch anstellen lassen – vom Praxiskäufer in der bisher eigenen Praxis.
Leider ist das jedoch oft leichter gesagt als getan. Denn mit der Anstellung verändert sich auch die Position in der Praxis. Nicht jeder Selbstständige ist in der Lage ins Angestelltenverhältnis „zurückzugehen“, nachdem man über Jahrzehnte alles – ggf. alleine – entscheiden konnte. Als angestellter Zahnarzt bekommt man plötzlich vieles vorgeschrieben und ist weisungsgebunden – das kann je nach Persönlichkeit zu einer inneren Unzufriedenheit führen.
Deshalb sollten sich Praxisabgeber vor allem bewusst werden, ob sie als Angestellte zufrieden sein könnten.
Ok, ich verkaufe meine Praxis
Ist die Entscheidung für einen Verkauf gefallen, geht es darum, sich Gedanken darüber zu machen, was alles verkauft werden kann. Üblicherweise werden
• der immaterielle Wert, also die Ertragskraft der Praxis und
• der materielle Wert, also alle Gegenstände, die zur Praxis gehören, verkauft.
Aber ist das wirklich alles? Jeder Abgeber sollte sich frühzeitig überlegen,
• welches Knowhow,
• welche Kontakte,
• welche Patientenmehrwerte etc.
noch „mitverkauft“ werden können.
Vieles ist für Praxisabgeber ganz selbstverständlich. Das muss es aber nicht für einen Übernehmer sein. Alles, was einem Praxiskäufer hilft, die zu übernehmende Praxis noch erfolgreicher werden zu lassen, ist ein Mehrwert – und damit ggf. ein zusätzlicher Grund, diese Praxis zu kaufen.
Übergangsphase richtig einschätzen
Dazu zählt auch, dass zwischen Praxisabgeber und -übernehmer in der Regel eine Übergangsphase vereinbart wird. Dabei geht es beispielsweise um folgende Fragen: Wie lange wird der Praxiskäufer schon vor der Übergabe bei dem Abgeber in der Praxis angestellt? Und/oder wie lange wird der Abgeber nach der Übergabe der Praxis noch vom Praxiskäufer angestellt?
Praxisinhaber, die sich hier kooperativ zeigen, erhöhen zumeist ihre Chancen für einen Praxisverkauf. Jedoch ist der emotionale Faktor einer Anstellung in der eigenen Praxis zu beachten.
In der Praxis hat sich die gegenseitige Anstellung von jeweils drei Monaten – also insgesamt sechs Monaten – als guter Zeitraum herausgestellt. Individuellen Gegebenheiten geschuldet, kann es aber auch viel kürzer oder viel länger sein.
Den Verkaufspreis richtig einschätzen
Wie Abgeber ihren Wunschpreis festlegen ist vielfältig bis sogar abenteuerlich: Keine gute Idee ist es beispielsweise, den Kaufpreis an den noch offenen privaten und beruflichen Schulden auszurichten. Auch von rein emotionalen „Luftschloss-Kaufpreisen“ sollten sich Praxisinhaber frühzeitig verabschieden.
Zwar können sie versuchen, das Potenzial mit zu verkaufen, das ihre Praxis birgt, aber im Wesentlichen richtet sich der Kaufpreis nach der Summe aus dem aktuellen immateriellen und materiellen Wert. Andererseits: Eine Praxis ist immer so viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu zahlen.
Deshalb ist es sinnvoll, alle Vorteile der eigenen Praxis zu kennen, um diese dem potenziellen Käufer gegenüber gut darstellen zu können.
Praxisbewertung
Eine Praxisbewertung kann zur Kaufpreisbestimmung ein Hilfsmittel sein. Es ist aber zu beachten, dass keine Praxis einen eindeutigen Wert hat – wie beispielsweise ein Gemälde. Verschiedene „Praxisbewerter“ errechnen unterschiedliche Werte. Deshalb ist auch eine Marktanalyse wichtig. Was für Praxen werden zurzeit am Markt angeboten und was wird für sie verlangt. Daran kann man sich orientieren. Sollte eine Praxisbewertung erstellt werden, ist es wichtig, jemanden zu wählen, der langjährige Erfahrungen in dem Thema mitbringt.
Fazit
Der Markt für Praxisabgeber wird in den nächsten Jahre immer schwieriger werden. Deshalb sollten sich verkaufswillige Praxisinhaber frühzeitig Gedanken machen über den Übergabezeitpunkt, Übergabezeitraum und eine mögliche Anstellung bei dem Nachfolger.
Mit einem möglichst realistischen und fairen Kaufpreis werden die Chancen für einen Verkauf erhöht.
ist Geschäftsführer und Inhaber der ZahnÄrzteBeratung BestPraxis in München.
Seit über 25 Jahren ist der Diplom-Kaufmann auf die Beratung von Mandanten
aus dem Bereich der akademischen Heilberufe spezialisiert.
www.bestpraxis.de
Foto: privat