Praxisgründer teilen ihre Erfahrungen

Teil II: Praxisneugründung ist Selbstverwirklichung

Gibt es diesen einen Moment, in dem man weiß: jetzt lege ich los und gründe meine Praxis? Ist Gründung tatsächlich Selbstverwirklichung? Und wie sieht es eigentlich in puncto Work-Life-Balance mit eigener Praxis aus? Wir haben fünf ganz unterschiedliche Praxisgründer gefragt, wie sie die Gründung erlebt haben. Im Teil II sprechen die Neugründer.


Praxisgründer Neugründung

Neugier und Mut haben sie alle bewiesen: Fünf Praxisgründer vom dent.talents. Gründer Camp sprachen mit dentalmagazin.de über die Höhen und Tiefen ihrer Gründung. © Hoffmann


Gab es diesen einen besonderen Moment, in dem euch klar geworden ist, dass ihr eine eigene Praxis wollt?

Dr. Nora Buchner: Mein Schlüsselmoment kam etwas durch die Hintertür, denn eigentlich habe ich alles ein wenig anders geplant. Ich war gerade in Elternzeit mit meiner zweiten Tochter. Sie war sechs Monate alt, meine ältere war drei. Dann habe ich überlegt, ob ich in meinen alten Job wieder einsteige und welche Optionen es sonst noch gibt. Irgendwie machte sich das Gefühl breit, dass ich jetzt eine Entscheidung treffen muss. Dann hatte ich eine schlaflose Nacht und am nächsten Morgen wusste ich: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Jetzt gründe ich.

Was war denn das Schwierigste auf dem Weg zur eigenen Praxis?

Dr. Timo Knoche: Als schwierig empfand ich es, mit einem etwas außergewöhnlichen Konzept die Banken vom Erfolg zu überzeugen. Und persönlich war es für mich eine Herausforderung, den Kontrollzwang abzulegen. Manchmal musst du in Sekunden über zehntausend Euro entscheiden und dann kannst du nur noch hoffen, dass alles gut geht. Und das tut es meistens. Aber man muss erst einmal lernen, dass man Vertrauen in andere haben muss und sich nicht um alles allein kümmern kann.

Dr. Nora Buchner: Ja, das ist eine Schwierigkeit – aber gleichzeitig auch etwas total Positives, weil man während dieser Gründung auch persönlich wächst. Diese Vielfalt an Aufgaben macht es extrem spannend. Ich kenne mich jetzt einerseits mit einzelnen Bauabschnitten bestens aus. Andererseits habe ich nochmal ein Abrechnungsseminar besucht.


Wie kommt man zu seinem eigenen ganz persönlichen Konzept?

Dr. Timo Knoche: Es ist auf jeden Fall ein Prozess. Nicht nur das Konzept, sondern die ganze Praxisphilosophie. Wenn man aus der Uni kommt, hat man von allem ein bisschen was gehört und wird dann stark von der Assistenzzeit geprägt. Unter meinen Kommilitonen haben sich nach der Uni alle auf die Implantologie gestürzt. „Das kann keine falsche Richtung sein“, dachte ich und habe mich auch dafür entschieden. Allerdings habe ich schnell festgestellt, dass man vernünftige Implantologie nur machen kann, wenn man auch ein anständiges Zahnfleischmanagement macht. So bin ich auf die Schiene Zahnerhaltung und Prophylaxe gekommen und schließlich auch komplett weg von Implantaten. Das hat bei mir auch zu einer innerlichen Überzeugung geführt und ich habe gemerkt, dass das neue Konzept viel besser passt. Ich möchte mir keine Fälle generieren, sondern den Menschen lieber so gut es geht und mit den vorhandenen Mitteln helfen. Aber das ist in meinem Fall ein Prozess gewesen von über zehn Jahren. Ich habe mich treiben lassen, Erfahrungen gesammelt und dann ist das von ganz allein entstanden. Ich musste es bei der Gründung nur noch feilen. Im Vergleich zu der Praxis für Zahnerhaltung, in der ich vorher viele Jahre gearbeitet habe, mache ich jetzt ähnliche Dinge – aber viel klarer, definierter und moderner.

Dr. Nora Buchner: Es kommt ein bisschen darauf an, was man gern macht, woran man Spaß hat. Wo sind meine Stärken? Ich liebe es, mich im Endokanal zu verlieren. Ich konnte mich schon immer für kleinteilige Arbeiten begeistern. Ich freue mich wie Bolle, wenn auf der Röntgen-Kontrollaufnahme nach drei Monaten die Entzündung verschwunden ist. Chirurgie dagegen ist mir viel zu stressig. Andere machen das wiederum total gerne. Ich liebe schöne Dinge und deswegen liegt auch die Ästhetische Zahnheilkunde nahe. Ich freue mich mit den Patienten, wenn sie sich über ihr schönes Lächeln freuen. Dann entsteht daraus mit der Zeit ein Konzept. Aus den verschiedenen Praxen, die man vorher gesehen hat, nimmt man Einflüsse mit. Dinge, die man gut findet, übernimmt man, andere macht man anders. Irgendwann steht man da und hat genau das, was zu einem passt. Es ist eine Sache, die natürlich kommt.

Wie sucht man ein neues Team zusammen?

Dr. Nora Buchner: Das ist gar nicht so einfach. Wir waren ziemlich kreativ. Da musste ich selbst ein wenig ins kalte Wasser springen. Wir haben ein Video von mir gedreht, in dem ich mich vorstelle. Das habe ich dann auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen gepostet. Es sollte die Botschaft rüberkommen: „Ich suche mein Traum-Team. Hast du Lust, etwas Tolles mit mir zu erschaffen?“. So war es tatsächlich auch für mich und es hat super funktioniert. Ich habe sehr viele tolle Bewerbungen bekommen und hatte die freie Wahl, mir mein Team zusammenzustellen. Die haben das mit mir auch echt super gerockt. Gerade so eine Neugründung ist am Anfang auch mal holprig. Es gibt viele Hindernisse, die man dann überwinden muss. Mein Team hat mich dann auch oft ein stückweit getragen. Das war ganz prima.

Dr. Timo Knoche: Wir haben auch extrem viel über Social Media gemacht. Aber auch über sämtliche andere Marketingkanäle, die man sich vorstellen kann. Von direkten Anfragen bis hin zur Annonce in lokalen Anzeigenblättern. Mit diesen Maßnahmen der Personalsuche haben wir uns gleich auch schon mal in der Region den potentiellen Patienten vorgestellt. Wichtigstes Medium war allerdings tatsächlich Facebook. Da muss man einfach ein bisschen innovativ und frech sein. Wir haben viele Bewerbungen bekommen und uns dann sehr viel Zeit bei der Auswahl der zukünftigen Mitarbeiter genommen, selbst bei der Wahl des Azubis. Schließlich müssen die Menschen nicht nur zum Praxiskonzept, sondern auch zum restlichen Team passen. Was uns unterschieden hat zu einer etablierten Praxis: alle hatten die Chance in ein komplett neues Team hineinzukommen. Wir hatten dann teilweise acht Bewerbungsgespräche an einem Tag. Allerdings noch nicht in der Praxis – die gab es ja noch nicht. Das hat dann einige abgeschreckt, die sich nicht vorstellen konnten, wie ihr Arbeitsplatz aussehen würde.

Dr. Nora Buchner: Das war bei uns ähnlich. Wir haben unsere Bewerbungsgespräche in einem Restaurant gegenüber der Praxis geführt. Dann haben wir auch immer kurz die Baustelle besucht. Meine Begeisterung hat die Bewerber dann zumeist angesteckt, auch wenn die Praxis noch nicht vorzeigbar war.


Schnellfragerunde mit den Praxisgründern:


Bedeutet Neugründung wirklich komplette Selbstverwirklichung oder ist man doch gewissen Zwängen unterlegen?

Dr. Nora Buchner: Ich habe mein Leben nicht um die Praxis gebaut, sondern die Praxis um mein Leben. Das ist die riesige Chance, die eine Neugründung bietet: Ich konnte alles so gestalten, wie es für mich passt. Ich habe zwei Töchter und alles Wichtige ist in der Nähe unseres Wohnortes. Morgens fange ich erst um 9 Uhr an, damit ich die beiden ganz entspannt in Kindergarten und Krippe bringen kann. Ich habe ganz viel Wert darauf gelegt, eine Praxis zu eröffnen, die einen Wohlfühlcharakter hat. Ich habe viel Zeit und Herzblut in die Inneneinrichtung gelegt, auch in die Mitarbeiterräume. Mein Team fühlt sich genauso wohl wie unsere Patienten – und ich mich auch. Der ganze Prozess war für mich gar nicht so anstrengend, sondern sehr kreativ und hat mir richtig viel Spaß gemacht. Pure Selbstverwirklichung.

Dr. Timo Knoche: Selbstverwirklichung auf jeden Fall. Es ist eine Mega-Chance, wirklich alles von Beginn an nach seinen Wünschen zu gestalten. Und man lernt seine Praxis wahnsinnig gut kennen. Wenn bei mir irgendetwas mit den Wasserschläuchen nicht funktioniert, dann weiß ich genau, wo sich das Absperrventil befindet oder welche Leitung wo lang führt. Ein großer Zugewinn ist auch, dass man jeden Tag sein Werk sieht. Ich fühle mich in der Praxis wie im eigenen Wohnzimmer. Es fällt mir manchmal schwer zu gehen. Gott sei Dank habe ich Familie, die mich dann ein bisschen rauszieht. Morgens, wenn ich mich auf den Weg mache, freue ich mich schon aufs Arbeiten in der Praxis. Ich bastele dort auch selbst und bringe Handtuchspender oder Regale an oder Ähnliches. Selbstverwirklichung ist aber nicht nur die Gestaltung der Räume, sondern auch die Ausgestaltung des Ideenportfolios. Da gibt es allerdings schon extreme Grenzen. Bisher habe ich vielleicht 15 Prozent der Ideen umgesetzt, die so in meinem Kopf rumschwirren. Gerade neue Dinge zu realisieren, die noch nie jemand in der Praxis gemacht hat, ist nicht so einfach. Teilweise ist die Umsetzung dann doch viel aufwendiger als man gedacht hat. Aber das finde ich nicht schlimm. So habe ich wenigstens die nächsten 30 Jahre auch noch etwas zu tun.


Alle Praxisgründer erzählen ihre Geschichte beim dent.talents. Gründer Camp am 06. und 07.09.2019.


Stichwort Work-Life-Balance: Ist sie während und nach der Neugründung vorhanden?

Dr. Nora Buchner: Ich gehe Samstag nicht freiwillig in die Praxis, wenn es nicht sein muss. Es gibt Zeiten, in denen gehöre ich der Praxis und es gibt Familienzeit. Natürlich ist das gerade in der Anfangszeit schwierig, wenn noch nicht alles fertig ist. Aber die Work-Life-Balance habe ich von Anfang an – auch in meinem Business-Plan – berücksichtigt. Da ziehe ich klare Grenzen. Ich bin zwar Zahnärztin und Unternehmerin, aber ich bin eben auch Mama von zwei Töchtern. Diese Balance wiederum ermöglicht einem die Selbstständigkeit aber ganz gut, weil man sich Zeit selbst einteilen kann und niemanden fragen muss. Für mich hat sich die Work-Life-Balance verbessert seit der Gründung.

Dr. Timo Knoche: Das ist einfach typabhängig. Ich weiß, wofür ich das tue und investiere gerade sehr viel Zeit in die Praxis. Aber ich verbringe davon einen Großteil in Teamschulungen. Obwohl wir Freitagnachmittag nicht behandeln, sind wir fast immer da und machen irgendetwas, um besser zu werden. Und das hat sich bereits ausgezahlt. Zum Beispiel bei der Abrechnung passieren mittlerweile viel weniger Fehler, sodass ich jetzt schon oft eher aus der Praxis komme. Dann nehme ich mir gern die Zeit. Urlaub muss allerdings definitiv sein – auch schon im ersten Jahr. Diese Zeit brauche ich, um mich zu erholen.

Wie sieht es finanziell in der Anfangszeit aus? Hat man manchmal Sorgen, dass es nicht reicht?

Dr. Nora Buchner: Ich habe mir ganz fest vorgenommen, cool zu bleiben, auch wenn ich mal nur zwei Patienten am Tag habe. Den Business-Plan mit der Umsatzannahme habe ich erst einmal zur Seite gelegt und nicht mehr reingeschaut. Aber wenn man gut und konservativ plant und nicht gleich nach den Sternen greift, gibt es einem Sicherheit, wenn man sieht, dass der Umsatz langsam steigt und dort liegt, wo die Annahme ansetzt. Und wenn man drüber liegt, ist es noch besser. Dann kann man auch ruhig schlafen. Wenn man ein bisschen Vertrauen in sich selbst hat, wird das schon.

Dr. Timo Knoche: Ein guter Tipp vom Steuerberater war, erst einmal gar nicht in die BWA zu schauen. Wenn man den ganzen Tag zu tun hat und Rechnungen bezahlt werden können, dann sieht es wahrscheinlich nicht so schlecht aus. Man sollte einfach mit den Ausgaben nicht übertreiben und immer auf dem Boden bleiben.

Welche Tipps habt ihr für Kollegen, die ebenfalls über eine Gründung nachdenken?

Dr. Timo Knoche: Nicht versuchen, alles alleine machen zu wollen. Auch mal abgeben und auf die Profis vertrauen. Und delegieren, was man delegieren kann.

Dr. Nora Buchner: Ich glaube, da sind wir uns einig: einfach machen! Und sich direkt ein gutes Netzwerk aufzubauen, ist auch wichtig. Das erleichtert vieles.

Wie man die Hürden einer Praxisübernahme nimmt, erfahren Sie hier in Teil 1 des Interviews.


Zu den Webseiten der Praxisgründer

Machen Sie sich ein genaueres Bild von den fünf Gründern und ihren Praxiskonzepten:

Dr. Nora Buchner: www.zahnarzt-buchner.de

Dr. Timo Knoche: confident-zahnarztpraxis.de

Andreea Tiplic: zahnarztpraxis-eigeltingen.de

Eva-Marie Müller: zahnaerztin-haar.de

Ulrich Degen: www.zahnarztpraxis-degen.de