Z-MVZ und Investoren

Wie neue Marktteilnehmer den Wandel gestalten

Die Dentalbranche bietet für externe Investoren eine attraktive Möglichkeit, in finanziell unsicheren Zeiten sichere „Private Equity“-Beteiligungen einzugehen. Welche positiven und negativen Folgen kann das für Zahnmediziner haben? Ein Interview mit Dr. Ing. Freimut Vizethum.


Einsteigen oder ablehnen? Investoren interessieren sich für große Zahnarztpraxen und MVZ. © Andrey_Popov/shutterstock


Das Thema Investoren und Z-MVZ wird seit längerer Zeit bereits kontrovers diskutiert. Ist das Interesse von Investoren wirklich so groß, wie oft berichtet wird?

Vizethum: Aus Sicht der Investoren ist in unserer globalisierten Welt die Suche nach rentablen Geldanlagen kompliziert geworden, was durch fehlende Zinserträge, zum Teil irreale Immobilienbewertungen und immer komplexer werdende Finanzanlagen verstärkt wird. Das Schlagwort ist hier „Private Equity“, was schlicht bedeutet, dass es sich um eine unternehmerische Kapitalbeteiligung handelt, die nicht börslich gehandelt wird. Kapitalgeber und Unternehmer sind Beteiligungsgesellschaften, die genau auf diese Art der Unternehmensgestaltung spezialisiert sind. Gerade sogenannte „reale Werte“ wie Unternehmensbeteiligungen mit stabilem Cash Flow haben daher besondere Bedeutung gewonnen, was sich nicht nur im industriellen Bereich auswirkt, sondern den Fokus auch auf renditestarke Dienstleistungen aller Art richtet.

Neue Marktteilnehmer üben mit Kapital Druck auf bestehende Strukturen aus und finanzieren den Wandel der Branche mit. <span class="su-quote-cite">Dr. Freimut Vizethum</span>

Dies trifft auf einen Dentalmarkt, der – ob es sich auf Hersteller, regulatorische Rahmenbedingungen, Handel oder Praxisformen bezieht und ob man sich dies wünscht oder nicht – im Umbruch ist. Trends und Veränderungsdruck durch veränderte Wünsche der Berufseinsteigergeneration, einen höheren Frauenanteil in der Zahnmedizin, den Zug in die Zentren aber auch durch Digitalisierung, andere Patientenansprache, neue Technologien und Digitalisierung der Workflows, werden in jeder Richtung strukturelle Anpassungen auslösen. Nun üben dazu neue „Marktteilnehmer“ mit Kapital Druck auf bestehende Strukturen aus und finanzieren den Wandel mit.

Wie hoch schätzen Sie die Attraktivtät des Dentalbereichs ein?

Vizethum: Ich schätze das Interesse der Investoren, diesen Umbruch mitzugestalten, als hoch und bleibend ein – wenn auch mit Lernkurven versehen. Dentale Dienstleistungen sind als Markt in Europa strategisch sehr attraktiv. Interessant ist der Bereich Dental auch insoweit, dass unternehmerische Ansätze zum Aufbau „neuer“ DSO, sogenannter „Dental Service Organisationen“, als Plattformen künftig möglich und wohl auch nötig sind.

Durch das 2019 verabschiedete Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden die Beteiligungsmöglichkeiten an Z-MVZ für Investoren eingeschränkt. Was bedeutet das für sie?

Vizethum: Durch das TSVG sind neue Rahmenbedingungen für die Gründung von Zahnmedizinischen Versorgungszentren für Krankenhäuser geschaffen worden. In diesem Gesetz wurde neben anderen Dingen die weitere Gründung von Z-MVZ durch Investoren und Private-Equity-Gesellschaften erschwert, indem der Versorgungsgrad der Planungsbereiche nach bestimmten Kriterien je Investor den Marktanteil begrenzt.

Wie immer führen regulative Änderungen zu adaptivem Verhalten, welches erwünscht oder unerwünscht sein kann. Nach einer Studie des Corporate-Finance-Beraters Capitalmind limitiert dies die Aktivitäten von Investoren im Wesentlichen auf städtische Zentren oder besondere Rahmenbedingungen in der Region. Folgt man Capitalmind, dürfen künftig in Deutschland theoretisch 4.282 Zahnärzte für ein von Investoren geführtes Z-MVZ arbeiten. Es gibt allerdings bestimmte Regionen, die für Private Equity lukrativer sind als andere, weil dort mehrere Zahnärzte für ein einzelnes Z-MVZ arbeiten dürfen.

Wie viele Z-MVZ gibt es denn überhaupt derzeit in Deutschland in der Hand von Investoren?

Vizethum: Laut KZBV waren in 2019 von mehr als 40.000 Zahnarztpraxen insgesamt 738 als Z-MVZ und davon gerade einmal 169 als Z-MVZ in der Hand von Investoren in Deutschland tätig, was einem Anteil von weit unter einem Prozent der Praxen entspricht. Falls Zahnärzte im Rahmen ihrer Nachfolge die Chance nutzen wollen, ihre Praxen an Investoren zu verkaufen, wird dies also künftig, wenn auch mit gewissen Einschränkungen und im Einzelfall, weiterhin möglich sein. Bereits bestehende Z-MVZ können frei gewordene Zahnarztsitze ohnehin nachbesetzen. Diese Z-MVZ genießen Bestandsschutz.

Könnten Z-MVZ für Investoren durch das TSVG generell unattraktiver werden oder bleibt das Interesse an dieser Praxisform weiterhin hoch?

Vizethum: Der gegenläufige Trend einer steigenden Anzahl von Zahnärztinnen und Zahnärzten gegenüber einer sinkenden Anzahl der Zahnarztpraxen spiegelt sich in dem massiven Ansteigen der Anstellungsverhältnisse von Zahnärztinnen und Zahnärzten seit dem Jahr 2007 z.B. in Baden-Württemberg (KZBV 2018) von 209 auf 1.655 im Jahr 2017 wider. Damit beträgt der Anstieg 792 Prozent!

Der schöne Beruf des Zahnarztes wurde über Jahrzehnte durch Verwaltungsaufwand überlastet, und es sieht wohl so aus, als ob junge Generationen dies als „Freizeitbeschäftigung“ nicht als „glücksteigernd und erfüllend“ empfinden. Bei Fortsetzung des Trends ist dies ist im Rahmen „kleiner“ Anpassungen kaum zu bewältigen und führt letztlich zu gravierenden Umbrüchen in der Versorgungsstruktur. Gerade Z-MVZ können zukünftig attraktive Arbeitswelten eröffnen.

Wie beeinflusst das TSVG die Strategien der Praxisabgabe und des Praxisverkaufs für die Zahnärzte? Welche Optionen gibt es jetzt, die mehr in den Fokus rücken könnten?

Vizethum: Wichtig, ob TSVG oder nicht, ist, überhaupt eine Strategie für Praxisabgabe und Praxisverkauf zu entwickeln. Eine Praxis ist ein Unternehmen, welches in allen wesentlichen Werttreibern wie dem Personal, der Patientenstruktur, dem Erscheinungsbild und Leistungsangebot und anderen Faktoren extrem von der Persönlichkeit des Zahnarztes geprägt ist.

Das Lebenswerk als „Wert“ zu betrachten und dafür eine geregelte Nachfolge in einem strukturierten Prozess zu erarbeiten, erfordert Distanz und betriebswirtschaftliches Handwerkszeug. Jede Praxis ist dabei als „Einzelfall“ zu betrachten und zu analysieren. Ebenso gilt es, eine realistische Option zu entwickeln, wie dieses „Unternehmen“ – auch ohne den bisher prägenden Geist – erfolgreich weiter bestehen kann. Oft sind auch langfristig angelegte Partnerschaftskonzepte spät gescheitert, mit schlimmen Folgen.

Gibt es Alternativen?

Vizethum: Als Alternativen sind gegebenenfalls verschiedene Szenarien zu prüfen. Eine Alternative kann eine unveränderte Fortführung der Praxis dann sein, wenn der Kollege gesund und mit Freude bis zu seinem Lebensende weiterarbeiten will und große Ersatzinvestitionen nicht erforderlich sind.

Auch eine Praxisfortführung mit reduziertem Leistungsaufwand und Gewinn bei Anpassung an das sinkende Patientenaufkommen ist gegebenenfalls möglich. Dies ist wohl heute eine häufig praktizierte Variante bei älteren Kollegen, oft aus Sorge und Verantwortungsgefühl für ihre Patienten. Das jährlich erzielbare Einkommen aus der Praxis steht im Fokus und nicht so sehr der Veräußerungserlös für die Praxis. Krankheiten oder Änderungen der Lebensumstände oder eventuell fällig werdende Ersatzinvestitionen können diese Modelle leider rasch zum Einsturz bringen.

Eine Alternative zur alleinigen Fortführung der Praxis könnten auch Kooperationsmodelle sein, wenn Praxisinhaber ihre Tätigkeit nicht abrupt beenden wollen, sondern einen allmählichen Rückzug bevorzugen. Jedoch sind Parameter solcher Fälle aufgrund der Komplexität kaum zu erfassen und enden oft auch anders als erwartet.

Praxisinhaber sollten sich mindestens fünf Jahre vor dem geplanten Verkauf ihrer Praxis ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen. <span class="su-quote-cite">Dr. Freimut Vizethum</span>

Wann sollten sich Praxisinhaber denn spätestens mit dem Thema Praxisverkauf beschäftigen und welche Möglichkeiten werden sie zukünftig haben?

Vizethum: Dies sollte nicht dem Glücks- oder Zufallsprinzip überlassen werden. Der Faktor Zeit schlägt in jedem Fall den Faktor Geld. Es wird empfohlen, sich frühzeitig – das heißt mindestens fünf Jahre vor dem geplanten Verkauf – ernsthaft mit der Fragestellung zu befassen und am besten kompetenten Rat einzuholen.

Bieten Investoren denn trotz TSVG Praxisinhabern Chancen und Möglichkeiten? Oder ist das „Schreckensbild“ der Heuschrecke hier zutreffend?

Vizethum: Selbstverständlich ist der Eintritt der Investoren als Kapitalgeber und Unternehmer in den Dentalmarkt für viele Praxisinhaber vor allem großer und organisch gewachsener Praxen eine Chance, oft die einzige, den Unternehmenswert ihres Anteils entsprechend zu realisieren. Ob und welche Praxis unter welchen Rahmenbedingungen geeignet ist, und wer der passende Partner sein könnte, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab.

Falsche Erwartungen auf beiden Seiten haben sich in der Vergangenheit allzu schnell gebildet. Schnell mal ein Angebot einholen, noch dazu von verschiedenen Investoren, und dann unvorbereitet in Verhandlungen zu gehen, ist ein schlechter Plan, dessen Ergebnis nicht den Investoren anzulasten ist.

Das Besondere im Dentalbereich ist, dass das finanzielle Engagement der Investoren allein nicht ausreicht, also eher eine notwendige als hinreichende Bedingung ist. Entscheidend für den langfristigen Erfolg der Zusammenarbeit werden wohl die unternehmerische strategische Kompetenz, gegenseitiges Verständnis sowie Gestaltungskraft und -wille der Marktteilnehmer sein. Dabei liegen naturgemäß Chance und Risiko eng beieinander. Es wird auch Verlierer geben.

Was glauben Sie, wie sich der Markt der Zahnarztpraxen in den kommenden Jahren verändern wird? Sehen wir ein Aussterben der Einzelpraxis?

Vizethum: Steigende Investitionen für Neugründungen mit höheren Preisen für attraktive Praxisübernahmen und -beteiligungen stehen auf der anderen Seite dem deutlich steigender Frauenanteil und bei den nachfolgenden Zahnarztgenerationen einer geringeren Niederlassungsbereitschaft und der Suche nach Vereinbarkeit von Karriere, Privatleben und Familie gegenüber.

Dazu kommen seit 2007 weiter geöffneten Möglichkeiten, auch angestellt tätig zu sein, was das herkömmliche Bild der zahnärztlichen Berufsausübung verändert und die eigene Praxis nur als eine Option erscheinen lässt.

Hinzu kommt die umfassende Bürokratisierung der zahnärztlich-niedergelassenen Tätigkeit von Abrechnung über Dokumentation, Personalwesen, DSGVO, Antikorruptionsgesetz und so weiter. Allein die Checkliste: „Grundsätzliche bautechnische Anforderungen an die Immobilie Zahnarztpraxis“ ist neun Seiten lang. Insgesamt macht dieser Aufwand die Einzelpraxis realistisch betrachtet im Vergleich mit anderen Formen für Einsteiger unattraktiver und verstärkt sicher den Eindruck, dass Zahnärzte immer fremdbestimmter hinter steigenden Anforderungen her organisieren um Normen, Validierungen, Hygienebestimmungen und IT-Vorgaben umzusetzen.

Um zukunftssicher und zugleich wirtschaftlich praktizieren zu können, sind daher Formen der Kooperationen mit anderen Einzelpraxen denkbar.


Der Experte

© privat

Dr. Ing. Zahnarzt Freimut Vizethum
ist Zahnarzt und Beisitzer im Vorstand des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa/European Association of Dental Implantologists (BDIZ EDI).