Fehlendes Personal in der Zahnarztpraxis

ZFA und ZMV verzweifelt gesucht

Es fehlen ZFAs und ZMVs in der Zahnarztpraxis. Zahnärzte, die händeringend qualifiziertes Personal für die immer anspruchsvolleren Aufgaben im Praxisalltag suchen, sind heute leider die Regel. Was sind die Gründe dafür?


Die niedrigen Gehälter sind sicher ein Grund, warum sich immer weniger junge Menschen für einen Ausbildungsberuf in der Dentalbranche entscheiden. Fotos: Trueffelpix/fotolia.com (l.) / Peter Atkins/fotolia.com


Der Fachkräftemangel ist auch in deutsche Zahnarztpraxen angekommen. Zeit, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Der erste Artikel des Zweiteilers „Verzweifelt gesucht“ beleuchtet zunächst die Gründe für den Fachkräftemangel – insbesondere in Zahnarztpraxen. Teil zwei wird sich mit verschiedenen Lösungsansätzen beschäftigen.

“Wir wünschen uns eine Kollegin, die einschlägige Fachbegriffe beherrscht, sicher im Umgang mit Word und Excel ist und über grundlegende Kenntnisse in den Bereichen Verwaltung und Büroorganisation verfügt. Darüber hinaus sollte sie teamfähig, kommunikationsstark und stressresistent sein. Ein gutes Zeitmanagement ist ebenso unabdingbar wie die Fähigkeit, Kapazitäten langfristig einschätzen zu können“.

Die hier aufgezählten Anforderungen lassen auf ein anspruchsvolles und vielseitiges Arbeitsumfeld in einem größeren Betrieb schließen. Der Schöpfer des Anzeigentextes ist jedoch nicht etwa ein Bauunternehmer auf der Suche nach einer zuverlässigen Assistentin, sondern ein niedergelassener Zahnarzt, der seine Rezeption mit einer geeigneten Fachkraft besetzen möchte. Der Unterschied hierbei liegt vor allem darin, dass ersterer unter den Bewerberinnen aus dem Vollen schöpfen könnte, während der Praxischef erfahrungsgemäß die Kandidatinnen an einer Hand abzählen kann.

ZMF/ ZFA: Händeringend qualifiziertes Personal gesucht

Zahnärzte, die händeringend qualifiziertes Personal für die immer anspruchsvolleren Aufgaben im Praxisalltag suchen, sind heute leider die Regel. Die niedrigen Gehälter sind sicher ein Grund, warum sich immer weniger junge Menschen für einen Ausbildungsberuf in der Dentalbranche entscheiden. Um auf unser Beispiel weiter oben zurückzukommen: Eine sehr gut ausgebildete Zahnmedizinische Verwaltungsassistentin an der Rezeption ist, was ihr Jobprofil betrifft, mit einer Chefsekretärin in einem mittelgroßen Betrieb vergleichbar. Deshalb herrscht eine auffällige Diskrepanz zwischen der Aufgabenbelastung, der Vielfalt der Pflichten und der Verantwortung mit der vergleichsweise geringen Vergütung. Dennoch wäre eine Betrachtungsweise alleine aus diesem Blickwinkel zu eindimensional, um das schwindende Interesse zum Beispiel am Beruf der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) zu erklären.

Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit haben sich im Jahr 2013/2014 nur etwa 530 potenzielle Arbeitskräfte auf rund 770 offene Ausbildungsstellen für diesen Beruf beworben. Eine Studie der Hochschule RheinMain liefert ein konkretes Stimmungsbild zu den vorliegenden Zahlen. Laut Umfrage würden 32 Prozent der befragten Arbeitnehmer in dieser Branche ihren Beruf nicht noch einmal wählen. Weiterhin sind 22 Prozent unentschlossen und 10 Prozent  würden sich für eine andere Praxis entscheiden. 23 Prozent  der Befragten gaben an, den Beruf nicht weiter ausüben zu wollen. Was aber sind, neben den nicht gerade üppigen Gehältern, die Gründe für die sinkende Popularität des typischen Frauenberufs?

Gründe für den Fachkräftemangel in der Zahnarztpraxis

Zunächst einmal ist der Fachkräftemangel in der Dentalbranche von den gleichen Faktoren beeinflusst wie der allgemeine Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Der demografische Wandel aus dem Zusammenspiel von niedriger Geburtenrate und steigender Lebenserwartung stellt schon per se eine Herausforderung für die Anwerbung potenzieller neuer Mitarbeiter dar. Gleichzeitig gewinnen branchenübergreifend neue Technologien an Bedeutung. Sei es, um die Produkte selbst weiter zu entwickeln, oder um durch verbesserte Abläufe Vorteile gegenüber den Wettbewerbern zu erlangen. Dies gilt auch für die Zahnarztpraxis.

Innovationen im Zusammenhang mit der Behandlung selbst oder die Diagnostik betreffend, erfordern ebenso spezielle Kenntnisse, wie moderne Entwicklungen, die die Patientenverwaltung, die Terminplanung oder die Dokumentation optimieren. Als Beispiel sei hier die „digitalisierte Praxis“ genannt. Im Klartext bedeutet dies, dass für die Behandlungsassistenz am Stuhl, die zahnärztliche Abrechnung oder die Aufgaben am Empfang immer weniger ungelernte und häufiger Fachkräfte gesucht werden – Tendenz steigend.

Kaum mehr Hauptschulabschlüsse

Ein weiterer Nachteil bei der Personalsuche entsteht Praxisbetreibern durch die rückläufige Zahl der Hauptschulabgänger. Laut Statistischem Bundesamt erwarben 2012 von insgesamt 868 800 jungen Menschen fast 40 Prozent  einen Realschulabschluss, gefolgt von 35 Prozent  Abgängern mit der allgemeinen Hochschulreife. Mit nur 18 Prozent  stellten die Jugendlichen mit Hauptschulabschluss nur noch knapp ein Fünftel der Abgänger.

Der überwiegende Teil der Auszubildenden zur ZFA verfügt jedoch über einen Haupt- oder Realschulabschluss. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung mit sinkenden Geburtenraten stehen erfolgreichen Absolventinnen dieser Bildungswege zudem oft mehrere Ausbildungsstellen zur Auswahl.

Dass sich junge Schulabgängerinnen jedoch nicht mehr so häufig wie noch vor einigen Jahren für eine berufliche Laufbahn in der Zahnarztpraxis entscheiden, hat auch mit einem grundsätzlichen Wertewandel, hin zu einem individuell geplanten Lebensstil zu tun. Werte wie Vermögen und Privatbesitz treten in den Hintergrund, Werte wie Selbstverwirklichung und Kommunikation finden mehr Beachtung. In diesem Zusammenhang spielt auch das Bedürfnis nach Entscheidungs- und Mitspracherechten eine Rolle. Darüber hinaus gewinnt der Freizeitaspekt ebenso an Bedeutung wie der Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance.

An dieser Stelle liefert die oben genannte Umfrage der Hochschule RheinMain wieder einen aussagekräftigen Zahlenwert: 49 Prozent  aller Befragten leisten regelmäßig Überstunden und nicht einmal die Hälfte dieser Angestellten erhält dafür einen Freizeitausgleich. Diese Aussage trägt nicht zur Imagepflege des Berufsbilds der ZFA bei. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Freizeit ein immer größerer Stellenwert zukommt. Arbeitnehmer möchten sich jedoch auch im Beruf selbst verwirklichen. Da in diesem Zusammenhang der tiefere Sinn ihrer Arbeit für die Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt, sollte eine Führungskraft in der Lage sein, seinen Mitarbeitern die Relevanz ihres beruflichen Wirkens entsprechend zu vermitteln.

Geringe Bezahlung macht Job als ZFA unattraktiv

Abgesehen von allen nicht monetären Aspekten ist die vergleichsweise geringe Bezahlung dennoch ein wichtiger Grund für die mangelnde Attraktivität einer Karriere in einem Zahnmedizinischen Ausbildungsberuf. So ist es vielen ZFAs nicht möglich, sich von ihrem geringen Gehalt zu finanzieren. 43 Prozent  der Teilnehmerinnen der Umfrage der Hochschule RheinMain gaben an, dass ihr Verdienst kaum für ein eigenverantwortliches Leben ausreiche. Das durchschnittliche Gehalt einer ZFA liegt laut einer Datenerhebung von 1269 Befragten aus den Jahren 2013 und 2014 bei lediglich 1601 Euro brutto pro Monat – zu wenig für Haupt-oder Realschulabgängerinnen mit guten Zeugnissen, die deshalb meistens einen anderen Beruf erlernen.

Dieses Ergebnis muss auch vor der Entwicklung gesehen werden, dass immer mehr junge Frauen ihren Lebensunterhalt alleine bestreiten müssen und wollen. Die Zahl der Singlehaushalte steigt seit 20 Jahren besonders in den Ballungszentren. Deshalb genügt vielen weiblichen Arbeitnehmerinnen in der dentalen Branche ihre niedrige Vergütung als klassisches „Zweitgehalt“ nicht mehr.

Für Zahnärzte auf Personalsuche kommt eine weitere Herausforderung hinzu, die mit der Tatsache zusammenhängt, dass ein Großteil der Zahnmedizinischen Fachangestellten in Deutschland weib‧lich ist. Viele hegen neben der beruflichen Laufbahn den Wunsch, eine Familie zu gründen. Der Praxischef verliert deshalb über Monate oder sogar Jahre gut ausgebildetes Fachpersonal durch die Eltern‧zeit oder Schwangerschaft. Dies bezieht sich nicht nur auf den gesetzlich geregelten Mutterschutz. Da Berufe in der Zahnheilkunde aufgrund der Infektionsgefährdung zu den gefährdeten Arbeitsplätzen in der Gesundheitsbranche zählen, muss der Zahnarzt weitere Vorschriften beachten und die schwangere ZFA kann unter Umständen einen Großteil ihrer Aufgaben, zum Beispiel wenn sie hierbei Röntgenstrahlen ausgesetzt ist, nicht mehr erfüllen.

Lösungsansätze

Die oben beschriebenen Entwicklungen können zwar dazu führen, dass dem Zahnarzt mittel- bis langfristig immer weniger Mitarbeiter für die Assistenz oder Verwaltungsaufgaben zur Verfügung stehen – dennoch kann er als Praxischef auf eine Reihe von Möglichkeiten zurückgreifen, um diesem Szenario entgegen zu wirken. Im nächsten Teil von „Verzweifelt gesucht“ erfahren Zahnmediziner auf der Suche nach neuen Mitarbeitern unter anderem, wie sie Fachkräfte aus dem Ausland in ihrer Praxis integrieren können, welche branchenfremden Angestellten für eine Umschulung in Frage kommen und wie sie durch verschiedene Anreizsysteme einen Arbeitsplatz in der Zahnarztpraxis auch für qualifiziertes Personal wieder attraktiv gestalten können.

Thies Harbeck
leitet als Mitglied der Geschäftsleitung das operative Geschäft der OPTI Zahnarztberatung GmbH. OPTI unterstützt Praxen deutschlandweit in den Bereichen Betriebswirtschaft, Organisation, Marketing, Praxisanalyse, Führung und Personal.
harbeck@opti-zahnarztberatung.de