Start-up-Days

Praxisübernahme oder Neugründung?

Immer mehr Frauen interessieren sich für den „Sprung in die Selbstständigkeit“. Das zeigten die zweiten CAMLOG Start-up-Days, die im April in Frankfurt am Main stattfanden. Klar wurde auch: Mit professioneller Beratung und Hilfe von Mentoren lässt sich so mancher Fehler vermeiden.


Dr. Martin Gollner

„Sie brauchen eine Vision“, begann Dr. Martin Gollner, Bayreuth, seinen Vortrag. © Barfuß


Die eigene Praxis ist nicht nur eine Herausforderung, sondern in erster Linie eine Chance, wie CAMLOG Geschäftsführer Michael Ludwig unterstrich. Und diese Chance gelte es zu ergreifen. „Warten Sie nicht, bis Sie 40 sind“, appellierte er. Um angehenden Praxisgründern das perfekte Rüstzeug für die Selbstständigkeit zu vermitteln, starte CAMLOG zum Herbst ein spezielles Fortbildungsprogramm für Zahnärzte in Kooperation mit der Universität St. Gallen. Im Fokus stehen Themen wie die Praxisübergabe und -übernahme, Mitarbeiterführung sowie Betriebswirtschaft – eine enorme Hilfe, betonte Ludwig. Schließlich habe kein Zahnarzt solche unternehmerischen Tools während seines Studiums gelernt – doch Unternehmensstrategien müssten stets aufs Neue überdacht werden.

Dass professionelle Unterstützung bei der Praxisgründung hilfreich ist, bestätigte auch Dr. Stephan Beuer, Landshut. Er wurde bei der Gründung von Bernd M. Wagner, Manager für strategische Praxiskonzepte, CAMLOG, begleitet und nahm unter anderem an der von Wagner initiierten Ausbildung „Fit for Leadership“ teil. „95 Prozent meiner Kunden gründen neu, weil sie keine zukunftsfähige oder -würdige Praxis zur Übernahme finden.“

„Sie brauchen eine Vision“

Nötig für eine Neugründung ist in jedem Fall eine Vision, wie Dr. Martin Gollner hervorhob. Seine Vision hat er in Bayreuth verwirklicht. 2005 begann er mit der eigenen Praxis, 2009 folgte die Gründung einer Gemeinschaftspraxis, 2014 realisierte er das „Dental Zentrum Bayreuth“. Sein Konzept ist perfekt auf eine mittelgroße Stadt zugeschnitten. „Wir haben als einzige Praxis in einem Umkreis von 80 km ein Dentalmikroskop.“ Und das sei nur ein Alleinstellungsmerkmal. Das Dental Zentrum Bayreuth bietet alle aktuellen Behandlungskonzepte unter einem Dach, bis hin zur Physiotherapie. Anders als in Großstädten seien auch genügend Parkplätze vorhanden. Sein Tipp: Lassen Sie sich von Grafikdesignern beraten, um eine wirkliche Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Und: Alle fünf Jahre sollte ein neues Farbkonzept implementiert werden. Ganz wichtig beim Weg in die Selbstständigkeit ist Unterstützung.

Ohne Mentor und Coach kann man sich leicht verzetteln. Das machte Dr. Angela Dergham den Teilnehmern klar. Nach Jahren als angestellte Zahnärztin bzw. Partnerin in Gemeinschaftspraxen wagte sie den Sprung in die eigene Praxis. Nicht ganz freiwillig, wie sie einräumt: Erst als es in der Gemeinschaftspraxis nicht mehr funktionierte, stieg sie aus. Sie gründete die Zahnarztpraxis Calwer Turm, kurz „C 11“, in den Räumen eines ehemaligen Reisebüros im Herzen Stuttgarts. Trotz guter Vorbereitung und durchdachter Standortwahl hätte sie es ohne Hilfe kaum geschafft, ist sie sich sicher. Ihr Coach, der Steuerberater, der heute ein guter Freund ist, habe sie letztlich vor dem Burnout bewahrt. Ganz wichtig sei die Markenbildung, unterstrich sie. Es gebe viel zu viele „Wischi‧waschi-Praxen“ ohne klares Konzept.

Erfolgsrezept Spezialisierung

Der MKG-Chirurg Dr. Dr. Dr. Oliver Blume und sein Partner Dr. Dr. Michael Back, M.Sc., München, ließen die Anfänge ihrer Zusammenarbeit für die Teilnehmer Revue passieren. Back hatte sich vor rund zehn Jahren gegen die Neugründung entschieden und als Partner in der Partnerschaftsgesellschaft Dres. Müller-Hotop/Blume in München beworben. Als sich nichts tat, bereitete er „notgedrungen“ doch eine Niederlassung im Ärztehaus Forum Bogenhausen vor. Doch „da riefst du an“, erinnert er sich. Seit 2009 ist er als Partner dabei und begeistert. „Back/ ‧Blume“ ist heute eine Marke; das Erfolgsrezept: Spezialisierung, sein Handwerk beherrschen, neue Wege gehen. „Doch unterschätzen Sie die Implantologie nicht“, legte Blume den Teilnehmern ans Herz. Zudem warnte er vor „faulen Kompromissen“. Solche sehen Back und Blume täglich, wie sie an unterschiedlichen Fallbeispielen zeigten, angefangen bei der falschen Patientenauswahl über mangelhafte Planung bis hin zu echten Behandlungsfehlern. Das zahnärztliche Können ist für sie die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Niederlassung.

Nahttechnik

Am zweiten Start-up-Tag trainierten die Teilnehmer in Hands-on-Kursen und Workshops. © Barfuß

Dass der Weg von der einfachen Zahnarztpraxis zum erfolgreichen Implantatzentrum tatsächlich gelingen kann, hat Dr. Ralf Masur, Bad Wörishofen, eindrucksvoll bewiesen. Vor 25 Jahren wurde er mit der Zahnlosigkeit seiner Mutter und der damit verbundenen enormen Einschränkung an Lebensqualität konfrontiert. Masur: „Implantate ermög‧lichen eine unglaubliche Steigerung der Lebensqualität, doch wir müssen wissen, wem wir sie empfehlen.“ Seine älteste Patientin erhielt mit 97 Jahren vier Implantate für den zahnlosen Kiefer. „Sie machte sogar Späßchen bei der OP.“ Das Masur-Konzept wird heute in neun Implantatzentren umgesetzt, unter anderem in Unterschleißheim. Dort stieg 2011 Dr. Christopher Hermanns, Zahntechniker und Zahnarzt, ein. In die elterliche Praxis einzusteigen war keine Option für ihn, ebenso wenig wie die Neugründung oder Praxisübernahme.

Start in die eigene Praxis

Doch das kann ja noch kommen, so wie bei Dr. Dr. Anette Strunz. Nach 13 Jahren als Partnerin einer großen Praxis startete sie 2016 mit ihrer eigenen Niederlassung in einer Berliner Altbauwohnung noch einmal neu. Der Umbau war nervenaufreibend: ein semimotivierter Bauleiter, fehlende Starkstromkabel kurz vor der Eröffnung, Probleme mit dem Anbringen der OP-Lampen an der „Berliner Strohdecke“ und Verzögerungen bei der geplanten Eröffnung. Doch sie bereut nichts und möchte ihre neue Selbstständigkeit nicht missen. Ausreichend Zeit für ihre beiden noch schulpflichtigen Kinder und Urlaube hat sie einkalkuliert. Bereits zwei Monate vor dem Umzug informierte Strunz ihre Überweiser über ihren Neustart; der „Patientenzulauf“ war somit gesichert. Zudem bietet sie regelmäßig Zuweiser-Veranstaltungen im kleinen Kreis an. Besonders ambitioniert: Bereits am Eröffnungstag lud sie zum DVT-Kurs.

Gründungswilligen rät Strunz, Mitarbeiter bereits während der Umbauphase einzustellen, um das QM zu implementieren und den Praxisablauf vorzubereiten. Das habe sich bewährt. „Die Mitarbeiterinnen fieberten von Beginn an mit.“ Einmal pro Jahr führt sie ein Teamcoaching durch, doch niemals am Wochenende. „Teamcoaching ist Arbeit“, betonte sie. Die Praxis werde dafür geschlossen. Wichtig sind ihr auch die wöchentlichen Teambesprechungen. Ihre Internetpräsenz betrachtet Strunz wie Back/Blume als Aushängeschild ihrer Praxis und pflegt die Inhalte weitgehend selbst ein. Auch das von vielen Ärzten gehasste Bewertungsportal Jameda schätzt sie. „Wir haben zurzeit 100 Bewertungen, eine bis zwei pro Woche.“ Sie und ihre Mitarbeiterinnen fordern Patienten durchaus auch einmal auf, ihre Bewertung abzugeben.

Auch Dr. Verena Freier entschied sich für eine Neugründung. Die von vielen als unkomplizierter eingestufte Praxisübernahme „war nichts für mich“, sagt sie. Allein das Personal vom Vorgänger zu übernehmen, anstatt neu einzustellen, behagte ihr nicht. Sie entschied sich nicht für eine implantologische Praxis, sondern spezialisierte sich ganz auf die Ästhetische Zahnheilkunde. Die enge Koopera‧tion mit einem MKGler, den sie seit Jahren kennt, gehörte von Beginn an zum Konzept. Und sie hatte Glück. Sie fand in ihrer Heimatstadt Bad Soden im Speckgürtel Frankfurts eine Immobilie auf der anderen Straßenseite. „Wir haben damit quasi ein MVZ.“ Im Ort gibt es 13 Kollegen, zwei Kinderzahnärzte, drei Kieferorthopäden, vier Oralchirurgen und drei Generalisten. Auf die Ästhetische Zahnheilkunde habe sich dagegen niemand spezialisiert, auch wenn es fast jeder auf seine Website schreibe. „Glaubt an eure Vision“, riet sie wie schon Gollner den Teilnehmern.
Der zweite Tag bot mit unterschied‧lichen Workshops einen besonders hohen praktischen Nutzen, darunter auch der Hands-on-Kurs „My first implant – sicherer Einstieg mit den richtigen Techniken“ von Dr. Stephan Beuer und der Workshop zum eigenen Praxiskonzept „seines“ Business-Coachs Wagner.