Mitarbeiterführung

Der Weg zum guten Praxispersonal

Gute Praxismitarbeiter sind immer schwerer zu finden – heißt es. Vielleicht erfordert die Akquise von außergewöhnlichem Personal einfach nur ungewöhnliche Wege.


Auch bei „Klassikern“, wie zum Beispiel der Stellenanzeige, sollten Praxisinhaber besondere Sorgfalt walten lassen, um die Erfolgschancen zu erhöhen.


Der Beruf der „Zahnmedizinischen Fachangestellten“ gehört zu den beliebtesten Ausbildungsberufen in Deutschland und steht mit 33 000 Berufseinsteigerinnen pro Jahr auf Platz fünf in der deutschen Statistik. Gutes Personal ist laut vielen Zahnärzten dennoch schwer zu finden. Wenn man dann als Berater genauer nachfragt, was der Praxischef unternommen hat, um fähige Mitarbeiter für ein Arbeitsverhältnis zu interessieren, fallen die Antworten entweder einsilbig oder nicht sehr überraschend aus.

Die Kreativität in Sachen Personalsuche endet meist bei der üblichen Anzeige in der Tageszeitung oder dem Anruf beim Arbeitsamt. Dabei kostet jedes gescheiterte Recruiting wertvolle Zeit und bares Geld. Davon abgesehen reagieren auch die Patienten sehr sensibel auf eine ständige Fluktuation bei der Assistenz oder an der Anmeldung. Ein solcher „fliegender Wechsel“ wird schnell als mangelnde Kompetenz im Praxisbetrieb ausgelegt.

Falsche Prioritäten

Meine Erfahrungen im Berateralltag zeigen, dass Zahnmediziner die Anschaffung technischer Geräte sehr lange vorbereiten, genau überdenken und diese letztlich präzise nach ihren Anforderungen auswählen. In Anbetracht der beträchtlichen Geldsummen, die hier investiert werden, scheint das ganz natürlich. Umso weniger nachvollziehbar ist es, dass bei der Einstellung einer neuen Mitarbeiterin ein vergleichsweise geringer Aufwand betrieben wird. Obwohl ein großer Teil der Zahnärzteschaft durchaus den Wert eines freundlichen Gesichts für Patientenbindung und Praxismarketing kennt, wissen viele nicht, dass jeder Fehlgriff bei der Personalauswahl ein Minus von 30 000 Euro bedeutet. Wer aber darauf wartet, dass teamfähige, engagierte und selbstständig denkende Mitarbeiter einfach so in die Praxis spazieren, wird enttäuscht werden. Die Akquise von außergewöhnlichem Personal erfordert meist ungewöhnliche Wege.

Klassiker und Testballons

Nicht alles, was altbewährt ist, hat bei der Personalsuche ausgedient. Dennoch sollte man bei „Klassikern“, wie zum Beispiel der Stellenanzeige, besondere Sorgfalt walten lassen. Wenn Sie eine Anzeige schalten, die ja ebenfalls mit erheb‧lichen Kosten verbunden ist, empfiehlt es sich, nicht nur die Wortwahl, sondern auch das Medium zu überdenken. Ein Beispiel: Für Ihre Praxis möchten Sie Helferinnen mit ins Boot holen, die fachlich überdurchschnittlich interessiert sind und sich deshalb aus eigener Initiative im zahnmedizinischen Bereich weiterbilden? Dann veröffentlichen Sie Ihre Anfrage doch einmal in einer Fachzeitschrift. Eine Helferin, die wissen will, wovon ihr Chef spricht, ist auch ehrgeizig genug, um seine Philosophie mitzutragen.

Nun zur Wortwahl: Verschwenden Sie den Platz, der Ihnen zur Verfügung steht, nicht mit Phrasen oder Selbstverständlichkeiten. Dass Sie eine kompetente und belastbare ZMF zur Stuhlassistenz benötigen, können sich Bewerberinnen selbst denken. Nutzen Sie stattdessen die Gelegenheit, mit der Stellenanzeige auch das Image Ihrer Praxis zu bewerben. Besonderheiten und Schwerpunkte können ebenso erwähnt werden wie die Gründe dafür, warum der angebotene Arbeitsplatz für jemanden, der Einsatz zeigt, interessant ist. Zum Beispiel wenn in der Praxis besondere Anreizsysteme wie leistungsgerechte Entlohnung zum Einsatz kommen.

Eine Möglichkeit, die von Zahnärzten leider meist stiefmütterlich behandelt wird, ist der Blick in die Stellengesuche. Eine Fachkraft, die selbst aktiv wird, um einen Job zu finden, der zu ihr passt, verrichtet am Arbeitsplatz in der Regel auch nicht nur „Dienst nach Vorschrift“. Hilfreich kann auch ein Tag der offenen Tür in der Praxis sein. Auszubildende und Bewerberinnen, die dort erscheinen, zeigen Initiative. Ebenfalls ein Thema sind vielversprechende Initiativbewerbungen. Auch wenn im Moment kein Bedarf vorhanden ist, kann es schnell nötig sein, eine Mitarbeiterin zu ersetzen. Schwangerschaft ist nur eines von vielen Beispielen.

Manchmal eröffnen sich gerade bei Vorschlägen, die simpel klingen, die interessantesten Optionen: Einfach die Ohren offen halten kostet nichts und bringt viel ein. Fragen Sie zum Beispiel Ihre Kollegen, ob sie eine gute Auszubildende kennen, die nicht übernommen werden konnte, oder haken Sie bei Ihren Mitarbeitern nach.

An dieser Stelle noch ein Tipp aus Beratersicht: Wer gezielt nach Mitarbeitern mit besonderen Fähigkeiten sucht, sollte auch über Quereinsteiger aus anderen Branchen nachdenken. Eine Kraft aus dem Hotelfach mit Erfahrungen an der Rezeption behält auch am Empfang in der Praxis den Überblick. Ähnlich verhält es sich mit Bankkauffrauen, Verwaltungsangestellten oder Buchhalterinnen, die Ahnung von Zahlen und wirtschaftlichen Zusammenhängen haben und Ihnen in diesen Bereichen weiterhelfen können.

Keine zweite Chance für den ersten Eindruck

Bewerbungsunterlagen verdienen Ihre volle Aufmerksamkeit, denn sie gelten als Visitenkarte, die einiges an Rückschlüssen über den Urheber zulässt. Letztlich geht es hierbei um Selbstdarstellung, und wer sich selbst schlecht „verkauft“, ist vermutlich auch nicht sehr motiviert, die Philosophie Ihrer Praxis gegenüber den Patienten zu repräsentieren.

Wenn bereits das Anschreiben nur so vor Rechtschreibfehlern strotzt, wird die Bewerberin bei ihren täglichen Aufgaben wahrscheinlich ebenfalls nicht die nötige Sorgfalt walten lassen. Achten Sie auch darauf, ob darin Details aus Ihrer Stellenanzeige auftauchen, oder ob das Ganze eher wie ein Se‧rienbrief wirkt. Das kann ein Hinweis darauf sein, ob die Kandidatin ihre Fähigkeiten wirklich in Ihrer Praxis einbringen möchte oder nur irgendeinen Arbeitsplatz sucht.

Auch ob die Unterlagen für die Bewerbung sorgfältig erstellt wurden, sagt etwas über die Arbeitseinstellung der möglichen zukünftigen Mitarbeiterin aus. Kaffee- oder Fettflecken auf den Arbeitszeugnissen mögen nur ein oberflächliches Detail sein – aber gerade in einer Arztpraxis, wo strenge Hygieneketten die Abläufe begleiten, sind solche Nachlässigkeiten nicht angebracht. Das Gleiche gilt für die Vollständigkeit der Dokumente, bei auffälligen Lücken im Lebenslauf oder häufigem Arbeitsplatzwechsel. Wenn sich diese Auffälligkeiten nicht aus dem Zusammenhang ergeben, ist das zumindest ein Grund zum Nachfragen.

Ein Wort zum Bewerbungsfoto: Natürlich sagt die äußere Erscheinung nichts über die Kompetenzen einer neuen Mitarbeiterin aus, aber ob das Foto einen seriösen und sympathischen Eindruck macht, ist dennoch wichtig. Ein freundliches Lächeln am Empfang dient der Patientenbindung und ist der erste Eindruck, den diese von der Praxis gewinnen. Doch auch eine gewisse Ernsthaftigkeit ist relevant. Wer seinen Bewerbungsunterlagen ein Urlaubsfoto beilegt, ist offensichtlich nicht besonders professionell.

Die Interpretation von Arbeitszeugnissen ist ein Thema für sich. Ihre Sprache ist speziell und kann wichtige Informationen enthalten. Was auf den ersten Blick wie ein Lob wirkt, ist möglicherweise der Hinweis auf eine wenig schmeichelhafte Eigenschaft der Bewerberin. Wer als Berufsanfänger noch keine einschlägigen Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt hat, sollte sich mithilfe von Zeugnisratgebern schlau machen oder einen kundigen Kollegen fragen.

Muss-Anforderungen und Soft-Skills

Es ist nicht immer einfach festzulegen, welche Kompetenzen eine neue Fachkraft mitbringen soll. Oft geht es um bestimmte Berufserfahrungen oder Fortbildungen. Dennoch sollte ein Praxischef auch das Thema Soft-Skills nicht unterschätzen. Wenn Eigenschaften wie Freundlichkeit, eine positive Grundeinstellung, Lernbereitschaft, Ehrlichkeit, Teamfähigkeit oder Loyalität fehlen, wird der Arbeitsalltag schnell unerträglich und Konflikte sind vorprogrammiert. Als Berater kann ich nur immer wieder betonen, wie wichtig Loyalität als Charaktereigenschaft einer potenziellen Mitarbeiterin ist. Eine loyale Angestellte redet nicht schlecht über den Chef oder Kollegen, verbreitet keine Gerüchte und steht hinter dem Arzt und seinen Praxiszielen. Solche Einschätzungen erfordern Erfahrung und Menschenkenntnis. Es ist aber durchaus möglich, aus dem „Umgangston“ während des Bewerbungsgesprächs Rückschlüsse zu ziehen. Äußert sich eine Kandidatin unsachlich oder in ungebührlicher Weise über frühere Arbeitgeber, ist das kein gutes Zeichen. Auch ob die Bewerberin ihre Soft-Skills im Anschreiben überhaupt erwähnt, kann ein brauchbarer Hinweis sein.

Keine einsame Entscheidung

Auch wenn Ihnen die endgültige Entscheidung über die Auswahl der Bewerberinnen keiner abnehmen kann – es steht nirgendwo geschrieben, dass ein Zahnarzt dabei keine Unterstützung in Anspruch nehmen darf. Ich selbst beziehe bei der Auswahl von Bewerbern in meinem eigenen Unternehmen die Mitarbeiter der entsprechenden Abteilung mit in die Entscheidung ein und kenne aus meinem Berateralltag auch Zahnärzte, die auf dieses Mittel zurückgreifen – mit Erfolg. Die Möglichkeiten sind hier vielfältig. Ob Sie Ihre Mitarbeiter nur bei der Vorauswahl mit einbeziehen oder sogar eine besonders geschätzte Fachkraft beim Bewerbungsgespräch mit hinzuziehen, bleibt Ihnen überlassen. Überlegenswert ist dies allerdings schon deshalb, weil eine Mitarbeiterin die zukünftige Kollegin aus einer anderen Perspektive sieht und deshalb vielleicht Fragen stellt, die dem Chef nicht sofort in den Sinn kommen. Auf diese Weise erhält er wertvolle Informationen über die Bewerberin.

Dipl.-Kfm. Christian Henrici
ist Mitbegründer und Geschäftsführer der OPTI Zahnarztberatung GmbH. OPTI hat sich auf Betriebswirtschaft, Organisation, Marketing sowie Führung & Personal für die Zahnarztpraxis spezialisiert. Henrici schreibt regelmäßig Fachbeiträge und ist Autor des Buchs „Wer braucht schon gutes Personal?“.
Kontakt: henrici@opti-zahnarztberatung.de